Tichys Einblick
Razzia in Duisburg

Massiver Betrug bei Kindergeld: Millionenbeträge gehen ins Ausland

Bei einer Razzia in Duisburg stand auch die Suche nach Sozialbetrügern im Fokus. Denn das deutsche Sozialsystem lädt in Kombination mit EU-weiten Regelungen zu betrügerischen Machenschaften geradezu ein. Das gilt auch fürs Kindergeld.

picture alliance/dpa | Christoph Reichwein

Insgesamt 400 Einsatzkräfte, darunter Polizei und Ordnungsamt, haben am Dienstag den sogenannten „Weißen Riesen“, einen berüchtigten Wohnblock im sozialen Brennpunkt in Duisburg durchsucht – im Fokus der Meldekontrolle stand neben Menschen, die sich illegal in Deutschland aufhalten, insbesondere Sozialbetrug.

Schallmauer durchbrochen
Deutschland zahlt deutlich mehr Kindergeld ins Ausland
Das deutsche Sozialsystem bietet sich aufgrund EU-weiter Regelungen für betrügerische Machenschaften geradezu an. Mehr als 525 Millionen Euro Kindergeld flossen 2023 laut einem Bericht der Bild-Zeitung auf ausländische Konten – ein massiver Anstieg, 2010 waren es gerade einmal 35,8 Millionen.

Es ist davon auszugehen, dass ein beträchtlicher Teil davon nicht etwa bei Jugendlichen landet, die im Rahmen eines Freiwilligendienstes zeitweise im Ausland leben, sondern bei Sozialbetrügern. Denn laut EU-Recht haben auch ausländische Eltern Anspruch auf Kindergeld, wenn sie in Deutschland arbeiten und Steuern zahlen. Das gilt nicht nur für EU-Bürger, sondern sogar für Angehörige einiger Nicht-EU-Staaten, wie etwa der Türkei oder Serbien. CDU-Finanzexpertin Antje Tillmann spricht zwar von „wenigen ärgerlichen Missbrauchsfällen“, dies wirkt aber wenig überzeugend, die Arbeitsagentur weiß schließlich nicht einmal, wie viele der betroffenen Kinder über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen.

Immer neue „Pull-Faktoren“
Deutschland – die Sozialkasse der Welt
Ein nicht zu unterschätzender Anreiz, die großzügige finanzielle Unterstützung auszunutzen – deutsches Geld für Kinder, die in Ländern mit deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten leben, oder auch für Kinder, die gar nicht existieren: Aufgrund der ohnehin hohen bürokratischen Belastung und mangelnder Prüfmechanismen ist ein wenig kriminelle Energie hier mitunter sehr lukrativ. Vorstöße von deutscher Seite, derartige Leistungen zu kürzen, und wenigstens an die Lebensstandards in den entsprechenden Ländern anzupassen, sind bisher gescheitert. Zuletzt hatte der Beschäftigungs- und Sozialausschuss des Europaparlaments ein solches Unternehmen 2018 abgelehnt.

Hinzu kommt die EU-Freizügigkeit als Türöffner für Kriminalität: Im Zuge bandenmäßigen Betrugs werden etwa gezielt kinderreiche Familien, etwa aus Bulgarien, nach Deutschland geschleust, um sich durch die Anmeldung eines Wohnsitzes in Deutschland Anspruch auf Kindergeld zu sichern.

So lässt sich der deutsche Staat weiterhin ausnehmen, Leidtragender ist der deutsche Steuerzahler. Razzien wie die in Duisburg sind da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, allerdings bitter notwendig, um wenigstens den Eindruck konsequenten Durchgreifens zu erwecken: In Zeiten heftiger werdender Verteilungskämpfe sinkt das Verständnis der Bürger dafür, dass Geld ins Ausland fließt, anstatt in Deutschland sozial Schwache zu unterstützen oder auch die marode Infrastruktur zu sanieren, rapide.

Hinzu kommt angesichts der überbordenden Bürokratie und von Regelungen, die Prozesse willkürlich zu erleichtern oder zu erschweren scheinen, der Eindruck, dass stets „der Ehrliche der Dumme“ ist. Eine fatale Entwicklung, die das Vertrauen in den Staat und das Sozialsystem verringert, und den gesellschaftlichen Zusammenhalt weiter zerbröckeln lässt.

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