In einigen Medien munkelte man dieser Tage über kostenpflichtige Antigentests. Die weithin »Bürgertest« genannte Einrichtung sicherte bis jetzt das covid-sichere gesellschaftliche Leben in Innenräumen. Nun meinen einige Politiker, mit der Impfung wäre das Geschichte. Es müsse nur jedem Bundeseinwohner ein Impftermin angeboten werden, dann könnte man auch auf kostenlose Tests verzichten. Aber neue Erkenntnisse zur Delta-Variante zeigen, dass das ein Fehlschluss sein könnte.
Die Bild-Zeitung wollte es wieder ganz genau wissen: Keine kostenlosen Antigentests mehr ab Oktober. Doch der Spiegel und andere verdünnten diese Botschaft einstweilen wieder: »Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass die Tests in Deutschland langfristig kostenpflichtig werden.« Jens Spahn, amtierender Bundesgesundheitsminister, hat sich allerdings schon einmal mit Angela Merkel und Lothar Wieler unterhalten: »Für Deutschland sehe ich das jetzt noch nicht, aber ich will auch nicht ausschließen, dass man mal in diese Situation hineinkommt.«
Es ist also derzeit noch eine Situation zum Hineinkommen. Aber warum sollte es überhaupt kommen? Es gibt, vor allem angesichts der Delta-Variante, nur einen Grund. Natürlich will man so die bisher Unwilligen zur Impfung motivieren. Das Argument ist hier oft, dass Ungeimpfte unnötig ihre Mitmenschen gefährden, indem sie bei Infektion Viruslasten mit sich herum tragen.
Doch auch das Argument mit der potentiell höheren Viruslast scheint in sich zusammenzubrechen. Denn eben an dieser Stelle scheint gar kein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften zu bestehen. Auf jeden Fall ist das so, wenn man die neue und sich rasch ausbreitende Delta-Variante betrachtet. Auch deutsche Medien berichten breit darüber: »US-Gesundheits behörde: Delta-Variante so ansteckend wie Windpocken – trotz Impfung«, heißt es etwa im Deutschen Ärzteblatt. Bei Veranstaltungen im US-Staat Massachussetts waren 74 Prozent der positiv Getesteten bereits zweimal geimpft.
Mit anderen Worten: Der Impfschutz bezieht sich wirklich nur auf den Geimpften selbst, nicht auf die Menschen, denen er begegnet. Daraus folgen wiederum zwei Möglichkeiten, wie es mit den kostenlosen Tests weitergehen kann. Grundsätzlich wäre ein Zurückfahren der sogenannten Bürgertests vielleicht sogar vernünftig, weil man ja auch nicht wöchentlich auf Grippeviren getestet wird. Weniger Tests würden mittel- und langfristig eine niedrigere Inzidenz bedeuten, also eine Entlastung für den öffentlichen Covid-Diskurs und die Vermeidung übertriebener Ängste. Wenn man aber die Ausbreitung des Coronavirus auch weiterhin – sozusagen unter Delta-Bedingungen – unbedingt vermeiden will, dann wären häufige Tests nach wie vor die einzige Möglichkeit. Denn auch eine Impfung scheint keinen Schutz gegen die Verbreitung des Virus zu bieten. Aus diesem Grund sollte man die Abschaffung der kostenlosen Tests noch einmal überdenken, vor allem wenn man an die Belastung von Familien mit Kindern und weniger Wohlhabende denkt.
Die Covid-Politiker dieses Landes müssen sich entscheiden, welchen Weg von beiden sie gehen wollen. Ebenso die Bürger. Dass beide zu ähnlichen Einschätzungen kommen, ist nicht unbedingt gegeben. Denn hier kann es durchaus unterschiedliche Interessenlagen geben: Der eine will seine Schäfchen ins Trockene bringen, und dabei geht es ja auch um Wählerstimmen am 26. September. Der andere möchte eigentlich nur ein möglichst unbeschwertes Leben führen – unbeschwert sowohl von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen wie von den finanziellen Belastungen, die damit einhergehen. Im Ausland schlagen Antigentests zum Teil mit zweistelligen Eurobeträgen zu Buche (Italien, je nach Region: 20–40 €; Frankreich: 25 € für Touristen; Griechenland: 20 €; Spanien: 35–65 €). In Deutschland kann man Zehnerpacks für 15 Euro erwerben, die Ergebnisse werden aber nicht überall akzeptiert.