Die Wende vom Hardliner zum Maßnahmen-Kritiker hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder endgültig vollzogen. In einem Statement am Montag kündigte er an, er sei dafür, die Impfpflicht für das medizinische Personal „großzügist“ auszulegen – „was de facto auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft“, so Söder. Für wie lange diese Aussetzung gelten soll, sei noch offen. Hintergrund ist neben der geringeren Gefahr durch Omikron auch die Personalnot in der Pflege.
Eine „partielle Impfpflicht“ sei gegenwärtig angesichts von Omikron keine Lösung. Er sei zwar weiterhin für eine allgemeine Impfpflicht – die Impfpflicht führe allerdings nur zu Problemen. Als die partielle Impfpflicht Ende 2021 beschlossen wurde, war Söder noch einer ihrer stärksten Befürworter.
Die Impfpflicht für das medizinische Personal wird über die Gesundheitsämter durchgesetzt – diese dürfen hier aber nach Ermessen im Einzelfall entscheiden, müssen dabei auch die Personalsituation in den Kliniken berücksichtigen (TE berichtete). Wie das am Ende konkret ausgelegt wird, ist sowohl für Kliniken als auch Betroffenen bis dato völlig unklar, es herrscht Chaos. Wenn Markus Söder nun die bayerischen Gesundheitsämter entsprechend instruierte, würde das bedeuten, dass Pfleger und Ärzte trotz Pflicht de facto einfach weiterarbeiten können.
Zuletzt gab es starken Widerstand gegen diese Impfpflicht, insbesondere aus der Lokalpolitik (TE berichtete). In Sachsen gibt es Kliniken, bei denen teils bis zu 2/3 der Ärzte nicht-geimpft sind, in Pflegeheimen ist teils 40 Prozent des Personals weiterhin nicht geimpft. Es sind Lücken, die nicht aufzufangen wären.
Söder gibt als erster Ministerpräsident den Startschuss für den Aufstand gegen dieses Gesetz. Wenn weitere Ministerpräsidenten folgen, wäre das Debakel für den Bundesgesundheitsminister und den Bundeskanzler komplett. Es ist das erste größere Gesetz, das die Ampel-Regierung verabschiedet hat. Und Markus Söder will offenbar aufs Ganze gehen.