Tichys Einblick
Ein bayerischer Insolvenzverwalter

Söder will Kanzler werden: Die CDU muss jetzt entscheiden

Man will einvernehmlich entscheiden, wer Kanzlerkandidat der Union werden soll - stellt sich das CDU-Präsidium jetzt hinter Laschet, hat Söder verloren. Gibt man den Ball ab, wäre das die endgültige Unterwerfung der ohnehin schon gedemütigten Ministerpräsidenten.

IMAGO / Political-Moments

Sein Platz ist nicht mehr in Bayern. Markus Söder traf sich mit Laschet und den Chefs der Unionsfraktion – und ist am Ende „bereit, Verantwortung zu übernehmen“. Der Ministerpräsident, der Interesse an der Kanzlerkandidatur monatelang abgestritten hatte, wagt sich aus der Deckung – daran, dass er insgeheim nicht doch für den einen „Platz in Berlin“ antreten wollte, hatten zuletzt nur noch wenige ernsthafte Zweifel. Doch eine Entscheidung über die Kanzlerfrage fällt die gemeinsame Sitzung der Unionsfraktion mit ihren Parteichefs noch nicht – denn auch Laschet erklärt in der gemeinsamen Pressekonferenz die Bereitschaft zur Kandidatur. Und so entscheidet man eigentlich nur, sich bald zu entscheiden. Beide Parteichefs drängen auf einen zeitnahen Entscheidungsprozess. „Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, für die Kanzlerkandidatur anzutreten“ ist die zentrale Information – Laschet kommuniziert die entschiedene Unentschiedenheit.

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Bis also Merkels Kronprinz endlich gekrönt ist, wollen die Parteichefs eins in den Mittelpunkt stellen: Einigkeit. Die Sitzung hätte gezeigt, „wie viel große Übereinstimmung es zwischen CDU und CSU gibt – soviel wie vielleicht seit Jahren nicht mehr“, proklamiert Laschet. Söder sagt, er und „Armin“ hätten keine inhaltlichen Differenzen und würden in jedem Falle sehr gut zusammenarbeiten. „Wir sind nicht Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß“ – da hat Söder zumindest mal recht. Die Kanzlerfrage soll „getragen von einem gemeinschaftlichen Geist der Verantwortung“ entschieden werden und am Ende, bemerkt Söder ausdrücklich, solle der aufgestellt werden, der die besten Siegeschancen hätte – auch er kennt natürlich die Umfragewerte. Doch darum geht’s am Ende gar nicht bei dem „guten Miteinander“, das Söder sich und Laschet attestiert: Wäre der coronabedingte Abstand nicht, würden die beiden bestimmt Hand im Hand vor die Presse treten, so innig einig will man sich plötzlich sein. Und Einigkeit, das merkt man, soll jetzt vor allem über Merkel erreicht werden – Einigkeit in der rücksichtslosen Kanzlerinnen-Linie bei der Corona-Politik, denn hinter zentralisierter Corona-Macht und Ministerpräsidenten-Entmachtung versammeln sich alle vier Herren.

Doch auch der Ausblick in die Zukunft „nach Corona“ wird gewagt. Söder will den „Geist der Zeit“ repräsentieren – aber ihm angeblich „nicht hinterherlaufen“. Zeitgeist, den man nicht so nennen will. Auch Laschet erklärt: „Alle reden über Corona – der Klimaschutz ist immer noch da! (…) dies in den Blick zu nehmen, das ist die Aufgabenstellung.“ Auch eine „neue Union“ soll definiert werden – ob „neuer“ jetzt grüner oder linker bedeutet, da muss man sich wahrscheinlich noch einig werden.

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An der Fassade scheinen sich alle nur um die Gunst der Kanzlerin zu bewerben – und da hätte Laschet eigentlich schon verloren. Doch an einer anderen Stelle wird es für Söder eng: ihm rennt die Zeit davon. Morgen früh trifft sich schon das Präsidium der CDU. Wenn man sich hier geeint hinter Laschet stellen würde, sind die Würfel gefallen. Dann bliebe Söder nur noch der Weg über eine Kampfabstimmung in der Unionsfraktion, dieser Weg wird allerdings durch den ganzen Einheits- und Zusammenhaltsbrei zunehmend verbaut.

Das CDU-Präsidium wird zu großen Teilen von den CDU-Ministerpräsidenten und ihren Vertrauten kontrolliert. Und die mussten in den letzten Tagen mit Merkels Bundeslockdownplänen schon viel erdulden – sie wurden regelrecht gedemütigt. Immer mehr äußern sich zumindest unglücklich über diesen Weg der Kanzlerin. Nicht mehr nur Reiner Haseloff, auch Kretschmer und Tobias Hans meldeten Bedenken an. Würden sie nun Söder, der von Anfang an stark für den bundeseinheitlichen Lockdown eintrat, als Kanzlerkandidaten hinnehme, wäre das eine erneute Kapitulation – und ein weiterer Schritt von einer selbstbestimmten, regional verankerten Volkspartei hin zu einer Kampforganisation zur Durchsetzung der Ziele der Merkelregierung. Markus Söder wäre der Insolvenzverwalter der CDU.


Von Max Roland und Air Türkis. 

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