Auf Basis von Bürgerbefragungen schätzt das Robert-Koch-Institut die Impfquote in Deutschland nun auf 80 Prozent (doppelt Geimpfte), das sind fünf Prozentpunkte mehr als die bisherige offizielle RKI-Meldestatistik auswies. Jens Spahn folgerte daraus: „Aus heutiger Sicht wird es keine weiteren Beschränkungen mehr brauchen“. Im Sinne der Regierungspolitik sind diese neuen Daten hochbrisant, beruhen die aktuellen Corona-Maßnahmen und der damit einhergehende Impfdruck doch im Wesentlichen auf einer angeblich zu niedrigen Impfquote.
Vor allem auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Erkenntnisse wirft fragen auf: Denn diese Daten stellen die Impfdruckpolitik der Regierung infrage. Wären diese Daten vor der Wahl veröffentlicht worden, hätte das neue Zweifel an der Regierungslinie hervorgerufen. Dass das Robert-Koch-Institut mit diesem Eingeständnis erst nach der Wahl herausrückt – obwohl entsprechende Vorwürfe schon seit Monaten bestehen – ist hochgradig fragwürdig. Grünen-Politiker Dieter Janecek meint: „Aufgrund der polarisierten Debatte in Deutschland hat man sich das vor der Wahl offensichtlich nicht getraut.“
Hat das RKI im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums damit indirekt in den Wahlkampf eingegriffen? Ein Vorgang, den es aufzuklären gilt. Im Wahlkampf und der politischen Vorentscheidung in den Parteien war das Thema durchaus entscheidend.
Spahn hatte gestern nach Bekanntgabe der neuen Impfquote getwittert: „Wir sind noch nicht am Ziel“. Auf eine TE-Anfrage, was denn das Ziel sei, verwies sein Sprecher nur auf dieses Video. Eine bestimmte Impfquote für die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen nennt Spahn darin nicht. Das Video schließt mit Spahns Satz: „Aus heutiger Sicht, wenn keine neue Variante entsteht, werden wir spätestens im Frühjahr aus dem Winter heraus zu Normalität und Freiheit zurückkehren können.“