Tichys Einblick
Machtvergessen und machtversessen

Sigmar Gabriel: Flüchtlingsfrage macht Deutschland irre

Der Abgetretene nennt seine Kaste zu feige, „aufgeklärt und ohne Schaum vor dem Mund über die Möglichkeiten und Grenzen der Chancen und Risiken der Flüchtlingszuwanderung zu diskutieren.“

@ Sean Gallup/Getty Images

Der ehemalige SPD-Vorsitzende und Ex-Außenminister stellt sich hinter Horst Seehofer. Für Sigmar Gabriel ist klar: „Natürlich muss man die Möglichkeit haben, Menschen bereits an der Grenze zurückzuweisen.“ Menschen, die laut Gabriel „an den Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hin- und hervagabundieren.“ Sagt der Entmachtete, der noch aus der Position der Macht heraus diese Situation erst mit herbeigeführt hat. Charakterlich ist das eine Fahrt mit dem Fahrstuhl etagentief unter dem Gulli.

Der abgesetzte, der entmachtete, der blamierte, der frustrierte, der gescheiterte Ex-Außenminister und nunmehr einfache SPD-Bundestagsabgeordnete Sigmar Gabriel wird einmal mehr zum Opfer seiner unerschöpflichen Eitelkeit, wenn er im polternden Ton für den Tagesspiegel zur Feder griff und so etwas wie den Deutschland-Versteher geben möchte.

Glück für die Leser: In seinem selbstverliebten Furor geht Gabriel über Leichen. Und das sieht dergestalt aus, dass er nun meint, sich an keine Abmachungen des politischen Establishments mehr gebunden zu fühlen, weil die politische Klasse den in seinen eigenen Augen politisch so überaus begabten Sigmar Gabriel aus Goslar hat fallenlassen wie eine heiße Kartoffel.

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Glück deshalb auch, weil der Harzer Politiker so viel Wut im Bauch hat, dass er nun bereit ist, gegen jedes unausgesprochene Agreement hinweg Klartext zu reden. Charakterlich ist das selbstverständlich unter aller Kanone. Eine Illoyalität, welche die deutsche Bevölkerung allerdings dankbar annehmen sollte, wenn Gabriel der politischen Klasse, die ihn ausgeschlossen hat, bescheinigt, sie wäre in den letzten Jahren den Zuwanderungskritikern mit „Schaum vor dem Mund“ und „aggressiv“ begegnet.

Damit hätte das Establishment – niemand anderes kann er meinen – „ein schwarzes Loch hinterlassen.“ Sein Fazit: „Deutschland droht irre zu werden an dieser Frage.“ Seine Kaste sei feige gewesen, hätte sich „nicht getraut“, „aufgeklärt und ohne Schaum vor dem Mund über die Möglichkeiten und Grenzen der Chancen und Risiken der Flüchtlingszuwanderung zu diskutieren.“

Nein, sie hat sich nicht nur nicht getraut, sie hat jene, die ihr Herz in die Hand genommen haben, massiv diskreditiert, diffamiert und zuletzt noch dem linksradikalen Mob ausgeliefert, den sie selbst noch subventioniert hat unter anderem aus einem Millionentopf des Familienministeriums in dreistelliger Höhe. Eine Schande, der Gabriel nun in dem Moment gewahr wird, als ihn das Establishment verstößt. Charaktereigenschaften, die man nur schwer umschreiben kann, ohne die Contenance oder Netiquette zu verletzen oder zu verlieren – deshalb wollen wir es uns hier für den Moment schenken.

Der politisch nun bedeutungslose Sigmar Gabriel macht sich also auf einmal Sorgen um Deutschland und trommelt wild. Wegen der Zuwanderungsprobleme! Das muss man verdauen. Für Gabriel ist es im Juni 2018 völlig „natürlich“, das man die Möglichkeit haben muss, „Menschen bereits an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie entweder ihr Flüchtlingsverfahren in einem anderen EU-Land durchführen müssen oder aus anderen Gründen keines Schutzes, keiner Hilfe bedürfen. Da hat der Bundesinnenminister Horst Seehofer zweifelsfrei Recht. Wir sehen ja, wie schwer Abschiebungen sind, wenn Menschen erst einmal in Deutschland Aufnahme gefunden haben. 400.000 unerledigte Verwaltungsgerichtsverfahren sprechen Bände.“

Seehofer hat also in Sigmar Gabriel einen neuen Mitstreiter gefunden, der ihm allerdings soviel nutzt wie ein Psychiater, wenn man Probleme mit dem Knie hat.

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„Deutschland droht an der Flüchtlingsfrage irre zu werden.“, befindet Gabriel. Und er findet Ankerzentren an deutschen Grenzen vernünftig, denn so könne innerhalb von Tagen entschieden werden, was ein Grenzschützer nicht mit einem Blick in die Augen des Gegenübers feststellen könne. Kann ein Psychiater übrigens auch nicht bei einem Politiker. Diesen Illegalen bescheinigt Gabriel Vagabundentum, wenn er schreibt: „Auch damit abgelehnte Einreisewillige nicht an den Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hin- und hervagabundieren.“

Gabriel stellt weiter fest, dass es Merkel wie Seehofer nicht um die Wahrheit oder etwa eine Entschuldigung bei zuwanderungskritischen Deutschen geht, sondern lediglich „um Deutungshoheit über die Geschichtsbücher.“ Gabriel wünscht sich, die Union wäre über die Jahre in der Opposition gewesen, dann hätte die Flüchtlingsdebatte eine „reinigende Debatte sein“ können, „eine Katharsis“.

Und dann kritisiert Sigmar Gabriel an denen, die noch Macht ausüben, was er selbst als machtbesessener Politiker so lange zum Schaden Deutschland mitgetragen hat: „Es ist unglaublich verantwortungslos“, schreibt er, „ausgerechnet jetzt Deutschland vorsätzlich in eine Regierungskrise zu führen. Machtvergessen, was Europa betrifft, und machtversessen, was die eigene Rolle und die eigene Partei angeht.“

Nein, genug ist nun genug. Wer offene Worte erst schätzt, wenn er auf die Klappe gefallen ist, will nicht mit Milde bestraft werden: Sigmar Gabriel soll einfach mal den Mund halten, wenn er nicht bereit ist, dort den Canossagang anzutreten, wo er Antreiber im Motor jener politisch-medialen Maschine war, die Kritiker der Zuwanderungspolitik diskreditiert und diffamiert hat. Aber geht das bei Gabriel: Ein einziges Mal Charakter beweisen, ohne dafür eine Gegenleistung zu verlangen? Für Sigmar Gabriel offensichtlich unmöglich. Ein unmöglicher Mensch und ein gefallener Politiker. Symptomatisch für das induzierte Irresein, das er nun Deutschland bescheinigen möchte. Nein, das Land ist nicht krank. Es krankt an seiner irren Führung.

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