Tichys Einblick
Urteil zugunsten des Bargelds?

Sensationsbeschluß: Rundfunkgebühr kann bar bezahlt werden

Das Bundesverwaltungsgericht hat ein scheinbar technisches Urteil gefällt, das weitreichende Auswirkung hat: Rundfunkgebühren können bar bezahlt werden; darüber muß jetzt der EuGH befinden. Das Urteil kann ARD und ZDF in erhebliche Schwierigkeiten bringen.

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Seit 2015 kämpft der im Frankfurter Büro des Handelsblatts tätige Norbert Häring dafür, dass er seinen Rundfunkbeitrag bar bezahlen kann. Es hat einen langen Weg beschritten, immer neue Urteile erstritten, Niederlagen einkassiert und weitergemacht. TE hat immer wieder darüber berichtet.  Jetzt hat ihm das Bundesverwaltungsgericht Recht gegeben: Man kann seinen Rundfunkbeitrag bar bezahlen. Das klingt zunächst etwas sonderbar. Warum mühselig mit Bargeld hantieren, wo es doch bequeme Daueraufträge leisten?

Doch hinter Härings Kampf steckt ein doppeltes Ziel: Einerseits will er, dass die Rolle des Bargelds wieder gestärkt und nicht durch elektronisches Geld schrittweise ersetzt wird. Dafür gibt es gute Argumente – elektronische Zahlsysteme schaffen den gläsernen Bürger, dessen wirtschaftliches Handeln, konsumieren und verdienen lückenlos nachvollzogen werden kann.

Vom Bargeldfreund zum Rundfunkfeind

Das ist der eine Grund. Der andere ist, dass Häring wie viele andere sich über die ständigen Gebührenerhöhungen der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten ärgert. Und mit Bargeld ärgert er die Anstalten zurück, und wie. Am Anfang stand daher auch, dass er die übliche GEZ-Zahlungsaufforderung zurückgewiesen  und angeboten hat, seine Gebühren zu bezahlen – allerdings bar.

Höflich schrieb Häring an die Gebühreneinzugszentrale:

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich widerrufe die Ermächtigung zum Bankeinzug des Rundfunkbeitrags, die ich Ihnen erteilt hatte.
Ich möchte künftig von meinem Recht nach §14 Bundesbankgesetz Gebrauch machen, den Beitrag mit dem unbeschränkten gesetzlichen Zahlungsmittel Euro-Banknoten zu bezahlen. Bitte teilen Sie mir mit, wo ich das an meinem Wohnort gebührenfrei und ohne zusätzliches Übermittlungsrisiko tun kann.“

Nun haben die Rundfunkanstalten keine Schalter, an denen man seine monatlichen 17,50 € bequem einzahlen könnte. Nicht einmal in den Landeshauptstädten, wo die Regionalsender wie der Hessische, Bayerische oder Westdeutsche Rundfunk ihre zahlreichenVerwaltungspaläste, Studios und Sender unterhalten, kann man beispielsweise beim Pförtner die Gebühr entrichten. Die Gebühreneinzugszentrale, die seit ein paar Jahren so beschönigend wie manipulativ gemäß ARD-Framing  „Gebührenservice“ genannt wird, hat es sich bequemer gedacht und bequemer gemacht: „Der Rundfunkbeitrag ist grundsätzlich bargeldlos zu zahlen. Die entsprechenden Regelungen finden sich im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (§ 9 Abs. 2 Satz 2 RBStV) in Verbindung mit den Satzungen der Rundfunkanstalten über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge (dort in § 10 Abs. 2).“

Gebetsmühlenhaft wurde wiederholt:

„Die Zahlung des Rundfunkbeitrags können Beitragszahlende komfortabel via SEPA-Basislastschrift, per Dauerüberweisung oder per Einzelüberweisung erledigen. Formulare zur Änderung der Bankverbindung oder der Zahlungsweise finden sich auf unserer Website rundfunkbeitrag.de und können bequem online ausgefüllt werden.“

Praktisch alle Medien berichteten in diesem Sinn, und das steigerte sich, nachdem der hessische Verwaltungsgerichtshof Häring zunächst abgeschmettert hatte – in einem „Faschingsurteil“, wie er das Urteil mit seiner hanebüchenen Begründung verspottete. Dort faselten die Kassler Richter über moderne Wege, die das Bundesbankgesetz gewissermaßen überholt hätten – bargeldlos zählt.

Das Problem der Regelungen zur bargeldlosen Zahlung ist tatsächlich, dass sowohl der Zeitaufwand als auch die Kosten, die durch eine händische Barzahlung des Rundfunkbeitrags für  Bürger wie für den Beitragsservice entstehen würden, im Alltag nicht praktikabel wären und an der Lebenswirklichkeit vorbeigingen, erklärten dazu ARD und ZDF. „Wie auch bei anderen öffentlichen Abgaben wie Steuerzahlungen an das Finanzamt ist die elektronische Zahlungsabwicklung daher vollkommen üblich und vom Gesetzgeber so gewollt.“ Der Intendant des hessischen Rundfunk sah durch Bargeld-Zahlung sogar die Demokratische Grundordnung gefährdet.

 Häring gibt nicht auf

Aber Häring stritt weiter. Sein Hauptargument ist auch nicht so einfach von der Hand zu weisen. In § 14 des Bundesbankgesetzes heißt es klar und eindeutig: „Auf Euro lautende Banknoten sind das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel.“  Starke Gesetze brauchen wenig Worte. Für Nicht-Juristen: Wer mit Bargeld ankommt, kann damit seine Schulden bezahlen; Scheine müssen angenommen werden – allerdings nicht Münzen, sondern eben nur Scheine. Bargeld kann vom Gläubiger nicht abgelehnt werden. Genau das hat das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch 27.3. hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in mündlicher Verhandlung über Härings Klage auf Barzahlung des Rundfunkbeitrags beraten und in einem Vorlagebeschluß entschieden, dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg drei Fragen zur Klärung vorzulegen, die die geldrechtliche Kompetenzverteilung zwischen EU und Deutschland betreffen. Es hat das laufende Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof vorgelegt aber deutlich gemacht, dass es für Deutschland den Bargeld-Paragraphen des Bundesbankgesetzes für relevant erachtet. Über die Bewertung werden wir berichten. Die zentrale Frage ist: „Lässt das Unionsrecht Raum für Regelungen, die für bestimmte hoheitlich auferlegte Geldleistungspflichten eine Zahlung mit Euro-Banknoten ausschließen?  Damit sind die Rundfunkanstalten gemeint, die für sich in Anspruch nehmen, über dem Bundesrecht und dem Artikel 14 Bundesbankgesetz zu stehen: Denn in den Landesrundfunkgesetzen ist die Bar-Zahlungs ausgeschlossen. Aber dies gilt natürlich auch für andere öffentliche Körperschaften, die für sich das Bargeld bereits abgeschafft haben.

Für Häring könnte zukünftig der Weg frei zur Bar-Bezahlung frei sein. Wenn das Landesrundfunkrecht doch nicht die Geldordnung bricht, könnten die Härings dieser Welt, die der Zwangsrundfunkgebühr eines auswischen wollen, zur nächsten Bank oder Sparkasse gehen und dort ihren Beitrag bar einzahlen. Das wäre allerdings teuer. Je nach Bank werden dafür 2 €, bei vielen Banken bis zu satte 15 € oder sogar noch mehr einkassiert.  Längst hat man die Barzahlung teuer gemacht, vielleicht sogar zu teuer, um das Bargeld zu verdrängen.

Die entscheidende Frage wird dann zentral: Wer zahlt dann die Gebühr der Bareinzahlung? Carlos Gebauer, Härings Anwalt, argumentiert kühl nach herrschender Gesetzeslage: „Wenn der Gläubiger, also die GEZ kein Bargeld akzeptiert, muss die GEZ die Kosten der Überweisung übernehmen“. Denn Gläubiger haben eine Annahmepflicht – und erfüllen sie diese nicht, geraten sie in Annahmeverzug und müssen die daraus entstehenden Mehrkosten wie die happigen Bareinzahlungsgebühren selbst übernehmen.

Damit verpuffen auf einen Schlag ein großer Teil der Rundfunkgebühren zu Gunsten der Banken, die an diesen Transaktionen verdienen. Statt ins Programm fließen die Gebühren an die ohnehin notleidenden Banken. Denn das zu Grunde liegende Urteil des Bundesgerichtshofs von 2010 ist streng und kleinteilig und sehr illustrativ: Es ging damals um einen Billigflieger, der seine niedrigen Preise mit Gebühren heimlich aufbessert. Eine Barzahlung für Flüge war dort generell nicht möglich, alternativ zur Barzahlung konnten die Kunden mit Kreditkarten oder Zahlungskarten den Flugpreis entrichten, womit aber zwischen 1,50 Euro und 4 Euro Gebührenzahlung an die Fluggesellschaft fällig wurde. Da nicht unbedingt jeder Kunde eine solche Karte hat, führte der Verzicht auf Barzahlung automatisch zu Gebühren. Das sei nicht zulässig, entschied der Bundesgerichthof: Wenn man gebührenfreie Barzahlung unterbindet, dann sei es eine unangemessene Benachteiligung des Kunden, wenn man ihm Gebühren für die bargeldlose Zahlung abverlangt. Entscheidend ist, dass dem Kunden eine für ihn handhabbare Zahlungsmöglichkeit ohne Gebühren einzuräumen ist. Dies kann die Bar-Barzahlung oder auch die gebührenfreie bargeldlose Zahlung sein.

Mit der Entgegennahme einer Zahlung kommt der Unternehmer nur seiner Obliegenheit nach, eine vertragsgemäße Leistung des Kunden anzunehmen. Er muss dem Kunden die Möglichkeit eröffnen, die Zahlung auf einem gängigen und mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Weg zu entrichten, ohne dass dafür an den Zahlungsempfänger eine zusätzliche Gebühr zu bezahlen ist. (Quelle: BGH Xa ZR 68/09)

Der Schuldner jedenfalls hat das Recht, bar bezahlen zu dürfen, und zwar ohne Mehrkosten Punkt

Häring wird für ARD und ZDF teuer

Das bedeutet: ARD/ZDF müssen einen Weg finden, um den Zwangsbeitragszahlern einen einfachen Weg der Bar-Bezahlung zu eröffnen. Sie könnten zum Beispiel mit Sparkassen oder der Postbank entsprechende Verträge schließen, damit man dort seine Rundfunkgebühr einzahlen kann – aber billig wird es nicht. Denn längst gibt es Bürgerinitiativen, die über den Bezahlweg ihrer Rundfunkfrust Luft machen. Wer gewissermaßen jeden Tag mit 1 € oder so seine Gebühr abstottert, der wird zum Verlustgebührenzahler.

Längst aber haben ARD und ZDF eine breite Front von Gebührenfeinden gegen sich, die sich einen Spaß daraus machen, den Radiomoloch zu ärgern. Die Politik haben ARD und ZDF sich zwar längst zum Freund gemacht – so soll in Zukunft die Rundfunkgebühr Jahr für Jahr automatisch steigen. Ohne jede Bremse ist es  ist absehbar, dass die 20 und dann schnell die 25-Euro-Grenze durchstoßen wird. Die Länderregierung unter Führung des SPD-regierten Rheinland-Pfalz haben sich genau dafür hergegeben. Aber ein Teil dieser Erhöhung fließt zukünftig an die Banken für den teuren Bargeldverkehr. Es ist keine weltbewegende Summe – aber sie wächst mit dem Frust der Beitragszahler, die ihre Einzugsermächtigung kündigen. ARD und ZDF geraten damit in eine Abwärtsspirale, wenn sie es weiterhin übertreiben: Ohnehin schon unbeliebt, steigert sich die Ablehnung und treibt immer noch mehr Bürger in die Barzahlung, die hohe Kosten verursacht. Im Netz kursieren Online-Petitionen und Protestgemeinschaften gegen Rundfunkgebühren; jetzt erhalten sie durchschlagkräftige Munition, um endlich ihrem Ärger Luft zu machen.

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht für Deutschland entschieden; das Urteil ist damit vorerst wirksam. Aber das Verfahren wird, wie gesagt, dem Gerichtshof der EU vorgelegt. Der entscheidet meist staatsfreundlich – im Zweifel für den Staatsrundfunk. Die Vergangenheit hat insbesondere auch mit Blick auf das Bundesverfassungsgericht gezeigt, dass es sich seiner ihm (grund)gesetzlich obliegenden Entscheidungskompetenz gerne entzieht, indem es geschickt entscheidungsrelevante Fragen an den EuGH weiterreicht – ganz im „europäischen Sinne“, versteht sich. Warum sollte das beim Bundesverwaltungsgericht anders sein, formuliert ein Leser sehr zutreffend?Aber die Norm des Bundesbankgesetzes, dass Bargeld als Zahlungsmittel zu akzeptieren ist, gilt auch in der Euro-Welt. Wird sie aufgehoben? Und in dieser belasten ARD und ZDF die Bürger mit vergleichsweise hohen Zwangsbeiträgen, nehmen für sich Sonderrechte in Anspruch, in welcher Form (nur bargeldlos) sie die Zwangsbeiträge eintreiben. Damit haben ARD und ZDF in der kommenden Zeit genau wieder die häßliche Gebührendebatte, die sie durch die Automatisierung der Beitragserhöhung eigentlich los haben wollte: Die Öffentlichkeit diskutiert über die Angemessenheit der hohen Zahlungen. Und wird dabei immer kritischer und renitenter.

Der Kampf um das Bargeld

Doch Härings Erfolg vor Gericht hat noch weitere Auswirkungen. Schrittweise haben sich auch staatliche Stellen und Behörden angewöhnt, kein Bargeld mehr zu akzeptieren. Versuchen Sie mal, ihre Steuern bar zu bezahlen! Die frühere „Finanzkasse“ gibt es nicht. Muss sie wieder eingeführt werden?

Denn eigentlich ist Häring kein Rundfunkhasser, sondern ein Bargeldfreund. 2016 erschien sein Buch „Die Abschaffung des Bargelds und die Folgen: Der Weg in die totale Kontrolle“. Seither kämpft er dafür, das Bargeld nicht aufzugeben oder zurück zu drängen. Denn das Bargeld stirb leise und unauffällig, es hat viele Feinde: Die Banken, die lieber Gebühren für Kreditkarten kassieren; den Finanzminister, der die Bürger am liebsten durchleuchten würde, um ihnen nachzuspüren; die IT-Unternehmen, die gerne teure Anlagen installieren. Letztlich steht jetzt die Frage im Raum: Dürfen Bundes- und Landesgesetzgeber die Pflicht zur Bargeldabnahme abschaffen? Das Urteil zeigt aber auch, wie weit Deutschland seine Hoheit an die EU abgetreten hat.

Mit diesem Urteil ist erstmal eine Gegenposition dazu entstanden. Bekanntlich gilt der Kalauer: „Nur Bares ist Wahres“. Das lernen jetzt auch ARD und ZDF.

(aktualisiert Fassung 9.15)

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