Auch mittelmäßige Stücke und missglückte Possen erleben zur Erlösung des strapazierten Publikums irgendwann ihren Höhepunkt und ihren Abschluss. Heute wurde in Thüringen der Ministerpräsident gewählt. Selten gab es im Vorfeld eine größere Aufmerksamkeit für die Wahl eines Länderchefs. Das lag teils daran, dass, wie TE berichtet, die bisherige dunkelrotrotgrüne Regierungskoalition bei den Landtagswahlen die erforderliche Mehrheit zur Fortsetzung der Koalition – zumindest in der Regierung – nicht erhielt, die CDU aber darauf verzichtete, die Regierung zu übernehmen, weil ein CDU-Kandidat nur mit den Stimmen der AfD hätte Ministerpräsident werden können. Eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung kam für die CDU nicht in Frage. Stattdessen gönnte sie sich die unwürdige Posse, unter dem seltsamen Etikett Projektregierung auszuloten, ob sie vielleicht Kellner der dunkelrotrotgrünen Regierung zu werden beabsichtigte. Einige in der Landes-CDU schienen und scheinen nicht abgeneigt zu sein, mit den Linken dennoch zu kuscheln. Eingeklemmt zwischen den Linken und der AfD suchten sie nach einem Ausweg, um nicht mit der AfD-Opposition sein zu müssen.
Dass ein Rechtsgutachten aus dem Jahr 2014 zu der seltsamen Schlussfolgerung kam, dass Bodo Ramelow im dritten Wahlgang, wenn er der einzige Kandidat wäre, mit einer einzigen Stimme Ministerpräsident werden könnte, weil die Gegenstimmen nicht gezählt werden müssten, machte TE öffentlich. In der Folge meldete sich ein Thüringer Bürgermeister und bot der CDU, der FDP und der AfD an, als Kandidat für die Wahl des Ministerpräsidenten ins Rennen zu gehen, weil er helfen wollte, eine zweite Legislaturperiode von Dunkelrotrotgrün zu verhindern. Er verhielt sich damit politischer als einige in der Fraktion der CDU. Die AfD nahm das Angebot an und stellte Christoph Kindervater als Kandidaten auf.
Nach dem Artikel auf TE über das Rechtsgutachten von Professor Morlok brachte die CDU in den Justizausschuss den Eintrag ein, dass die rechtlichen Konsequenzen vor der Wahl zu klären wären, heißt, inwieweit das Morlok-Gutachten zuträfe. Durch Stimmenthaltung der FDP fiel der Antrag im Ausschuss jedoch durch. Allerdings raunte die FDP, dass sie darüber nachdächte, im dritten Wahlgang einen eigenen Kandidaten aufzustellen.
Für die Wahl zum Ministerpräsidenten waren 46 Stimmen erforderlich. Im ersten Wahlgang erhielt Bodo Ramelow 43 Stimmen, eine Stimme mehr als dunkelrotrotgrün Abgeordnete hat. Möglich, dass er sie aus den Reihen der CDU bekam. Der CDU-Oberbürgermeister von Altenburg, André Neumann, hatte sich im Vorfeld dafür stark gemacht, dass die CDU Ramelow wählt. Hinzu kam die dringende Empfehlung des Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der schon lange von einer dunkelrot-schwarzen Koalition träumt.
Christoph Kindervater erhielt 25 Stimmen, drei mehr als die AfD Abgeordnete hat und 22 Landtagsabgeordnete enthielten sich der Stimme.
Auch im zweiten Wahlgang traten nur Ramelow und Kindervater an und auch in dieser Abstimmung hatten die Abgeordneten die Wahl zwischen einer der beiden Kandidaten und der Stimmenthaltung. Bodo Ramelow verfehlte erneut die erforderliche Mehrheit, auch wenn er eine Stimme mehr, nämlich 44 erhielt, also zwei Abgeordnete aus den Reihen von CDU oder FDP haben für Ramelow gestimmt. Kindervater hat mit 22 Stimmen jetzt scheinbar nur noch die Stimmen der AfD, die Zahl der Enthaltungen stieg von 22 auf 24.
Im dritten Wahlgang traten neben Bodo Ramelow und Christoph Kindervater wie zuvor angedeutet Thomas Kemmerich von der FDP an. Inzwischen reichte die einfache Mehrheit und da es mehr als einen Kandidaten gab, spielte auch das Morlok-Gutachten keine Rolle mehr.
Die Sensation ist perfekt. Dunkelrotrotgrün in Thüringen ist abgewählt. Thomas Kemmerich gewinnt die Wahl mit 45 Stimmen, Bodo Ramelow erhielt 44 Stimmen. Der Weg für eine gelb-schwarze Regierung im Freistaat ist offen. Er muss jetzt von beiden Parteien beherzt begangen werden.
Der MDR dokumentierte übrigens die Kultur der Linken: „Linken-Chefin Hennig-Wellsow wirft dem neuen Thüringer Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich nach seiner Vereidigung einen Blumenstrauß vor die Füße, sie scheint außer sich.“ Es war der unwürdige Schlusspunkt einer unwürdigen Koalition.