«Helmut Kohl ist der Kanzler der Einheit, Angela Merkel wird immer mehr zur Kanzlerin der Spaltung», sagte Claus Strunz auf SAT.1. Damit gibt Strunz dem Ausdruck, was immer mehr in Deutschland empfinden, wenn auch nur im vertrautesten Kreise aussprechen, große Teile der bisherigen Wähler der CDU eingeschlossen.
Berthold Kohler, einer der Herausgeber, erklärt für die FAZ dieser Tage unerwartet gegen den Berichterstattungstenor der regierungstreuen Presse:
«Bleiben CSU und Kanzlerin hart, die aus naheliegenden Gründen von ihren Abgeordneten unterstützt wird, dann stehen Unionsgemeinschaft und Koalition vor dem Ende. Wird die CSU das wirklich riskieren – wegen zweier Wochen? Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Merkel drei Jahre Zeit hatte, sich von einer Politik zu lösen, die falsch war. An nichts aber hat sie sich in ihren vier Kanzlerschaften so geklammert wie an ihre Entscheidungen vom Herbst des Willkommens.»
Was wie ein flehentliches Bitten klingen sollte, kam aus dem allen Polit-Kennern bekannten Trickbaukasten Taktik für Fortgeschrittene:
Stephan Mayer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, sagte passgenau bei Maybrit Illner, wie Stephan Paetow zitiert: „Es gibt keine zwei Wochen, weil es seit 3 Jahren nichts Europäisches gibt.“
Was Mayer und Alexander bei Illner klarstellten, belegt, dass es beim sturen Beharren von Merkel gegen Seehofer in Wahrheit um nichts anderes geht als die Weigerung, ihre falsche Politik zu ändern. Don Alphonso sagt es so:
Kohler – ändert die FAZ den Kurs? – bringt den Ausgangspunkt des Konflikts mit Seehofer auf den Punkt:
«Der Streit über die Migrationspolitik entwickelte sich …, wie der frühere italienische Ministerpräsident Prodi sagte, zur „größten Bombe im Uhrwerk Europas“. Die Explosion dieses Pulverfasses bedroht nun auch die Union und damit die Kanzlerschaft Merkels. Die Lunte fing an dem Tag an zu brennen, an dem Seehofer mit dem Amt des Bundesinnenministers betraut wurde. Dass der CSU-Chef ausgerechnet in dieser Funktion alles vergessen würde, was er zuvor zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin gesagt hatte, konnte trotz seiner bekannten Beweglichkeit niemand erwarten – schon gar nicht in einem Wahljahr, in dem die CSU meint, am Abgrund zu stehen.»
Frank Lübberding drückt das tweetig kurz so aus:
BILD formulierte gestern abend zur Tagesschauzeit unter dem Titel «Die Kanzlerin sollte umkehren»:
«Am kommenden Montag will Innenminister Horst Seehofer Maßnahmen vorstellen, mit denen an den deutschen Grenzen Asylsuchende in sichere Drittstaaten zurückgeschickt werden sollen.
Die Bundeskanzlerin ist – bisher – strikt dagegen. Wenn Seehofer die Sache durchzieht, muss Merkel ihren Innenminister rauswerfen. Die Regierung wäre damit am Ende …
Bundeskanzlerin Merkel sollte nicht die Stabilität Deutschlands riskieren, um eine Politik durchzusetzen, für die es kaum noch Unterstützung gibt. Die „europäische Lösung“, die sie seit drei Jahren anstrebt, gibt es bis heute nicht. Noch kann sie – auch gesichtswahrend – umkehren.
Es wäre klug, nicht schwach, sich in diesem einen Punkt zu korrigieren. Angela Merkel sollte es tun, bevor es zu spät ist.»
Damit hat BILD eine der drei Optionen genannt, die übrig sind: Merkel gibt nach. Wie sie das ausdrücken würde oder ob gar nicht, wäre egal, solange sie Seehofer freie Hand lässt und seinen sogenannten Masterplan billigt.
Die zweite Option ist, Merkel lenkt nicht ein, Seehofer tut als Innenminister, was er für richtig hält. Dann kann Merkel das immer noch hinnehmen, was die verdeckte Option eins wäre. Oder den Bundespräsidenten ersuchen, Seehofer zu enlassen.
Die dritte Option muss ich nach allem, was ich über die real existierende Politik weiß (in anderen Funktionärswelten geht es genau so zu), nennen, obwohl ich sie beim Stand der Causa Seehofer-Merkel als ganz unwahrscheinlich ausschließe – übrigens mehr wegen Söder als Seehofer. Das ist die Option, die CSU lenkt ein.
Hierhin gehört, dass die Rheinische Post berichtet, die CDU-Spitze hätte Schäuble gebeten, mit der CSU-Spitze zu reden, um eine Kompromisslinie auszuloten. Eine ziemliche Schnapsidee nach der Rolle Schäubles in diesen Tagen, der klar gegen die CSU agierte.
Wie auch immer, gäben Seehofer und CSU nach, kann die CSU den Landtagswahlkampf einstellen und sich zum letzten Landesverband der CDU umfirmieren: einordnen in den Niedergang der Union, der sich dem der SPD nur mit zeitlicher Verzögerung anschlösse.
Am Montag handeln Seehofer, Söder und die CSU – oder sie werden behandelt. Zur Niederlage gäbe es als Draufgabe den Hohn und Spott aller politischen Feinde und der dazu gehörenden Medien.
Bestärken wird Seehofer eine aktuelle Umfrage (es ist ohne Belang, ob die Zahlen stimmen oder nicht, ihre Veröffentlichung wirkt):
Dazu eine Bürgerstimme:
Dass die FDP aus der Situation Honig saugen will, ist legitim und als Test nicht uninteressant, obwohl ich nicht glaube, dass es mehr als eine Fußnote bleiben wird:
Inhaltlich sieht sich Lindner an der Seite von Seehofer:
Verstreicht der Montag ohne eindeutige Entscheidung, verlieren Seehofer, Söder und die CSU das Momentum ganz, das sie schon gestern halb aus der Hand gaben, weil Eisen geschmiedet werden müssen, solange sie heiß sind.
Unschwer vorherzusagen ist eines. Für die Frage des Endspiels um Merkel ist die Runde Seehofer-Merkel nur eine Etappe. Selbst wenn Merkel sie übersteht, ihre Zeit ist vorbei. Strunz sagte in SAT.1: Merkel hat innerhalb kürzester Zeit die EU gespalten, dann trennte sie die CSU von der CDU und nun zerlegt sie auch noch die eigene Partei. Das überlebt sie politisch nicht. Die Lawine rollt.
Seehofer und Merkel: Stunde der Wahrheit
Seehofer und Merkel 2: in der CSU brodelt es
Seehofer und Merkel 3: Morgen bei Kurz in Wien statt bei der Kanzlerin
Seehofer und Merkel 4: Salvini
Seehofer und Merkel 5: Angela mutterseelenallein
Seehofer und Merkel 6: Kurz entschlossen
Seehofer und Merkel 7: „unter der europäischen Decke“
Seehofer und Merkel 8: Nur Eskalation oder Entscheidung?
Seehofer und Merkel 9: Sie schlägt den Aufstand in der CDU nieder, er muss nun allein handeln