Die schweizer Verfassung verbietet eine Impfpflicht. Deswegen wollen eidgenössische Politiker den Druck auf Ungeimpfte mit vielerlei Maßnahmen erhöhen: Testpflicht oder Zugangsbeschränkungen nur mit Impfzertifikat zum Beispiel. Der Parteichef der schweizerischen „Grünliberalen“ offenbart derweil noch ganz andere Gedankenspiele. Jürg Grossen möchte den Impfstatus von Berufsgruppen wie Kranken- und Altenpflegern oder Erziehern äußerlich kenntlich machen, etwa mit einem Sticker – überall dort, „wo in öffentlichen Einrichtungen Leute betreut werden, die sich anstecken könnten“, wird der Parteipräsident durch nau.ch zitiert wird. Die Assoziationen, die das weckt, sind wohl eher deutsch als schweizerisch und müssen hier auch gar nicht explizit bemüht werden.
Die „Grünliberalen“ sind eine Kleinpartei und nicht an der schweizerischen Bundesregierung beteiligt. Doch auch dort, im Bundesrat, werden ähnliche Überlegungen angestellt. Gesundheitskomissionspräsidentin Ruth Humbel fordert offen, die Maskenpflicht Zwecks der Erkennung von Nichtgeimpften aufrechtzuerhalten. Soweit es „medizinisch und epidemiologisch“ gerechtfertigt sei, sollten auch im Gesundheitswesen Geimpfte von der Maskenpflicht befreit werden – dann „wäre klar ersichtlich, wer geimpft ist und wer nicht“. Es solle „keine Rücksicht“ mehr auf Ungeimpfte genommen werden, meint Humbel.
Die Politisierung des Persönlichsten – der Gesundheit und des Recht am eigenen Körper – wird also auch in der Schweiz weiter vorangetrieben. So mancher deutsche Politiker macht sich womöglich schon eifrig Notizen. Der nächste Schritt wäre dann, dass „gute Bürger“ bald „schlechte Bürger“ auf der Straße – natürlich mit dem gebotenen Abstand – zur Rede stellen können. Markus Söder hatte schließlich seinen Vize-MP Hubert Aiwanger öffentlich zu seinem Impfstatus befragt – auch das ist Impf-Shaming, wie es Schweizer Politiker nun im großen Stil einführen wollen. Längst soll das Impfen keine persönliche Entscheidung, sondern politisch-gesellschaftliche Pflicht werden.