In Schwedt an der Oder traf gestern die Utopie der Bundesregierung direkt mit ihren erwartbaren Folgen in der Wirklichkeit zusammen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck trat in der durch die Politik der Bundesregierung in ihrer Existenz bedrohten Raffinerie der Stadt vor die Beschäftigten. Es sagt viel über das Bild Habecks von den Ostdeutschen im Allgemeinen und den Arbeitnehmern in Schwedt im Besonderen aus, dass er am Ende froh war, dass keine Eier geflogen waren, stattdessen wurden sachliche und deshalb sehr kritische Fragen gestellt. Dass im öffentlich-grünen Rundfunk später wie inzwischen üblich Kritik an den Grünen als Verschwörungstheorien diffamiert wurden, gehört inzwischen zur Normalität.
Habeck versuchte mit seiner üblichen Taktik, den Verständnisvollen zu geben. Er sagte: „Ich würde mich freuen, wenn Sie mich nicht nur als Ihren Feind sehen …“ und versuchte, die Zuhörer mit nett klingenden Erklärungen einzuwiegen. Doch das gelingt sicher in Berlins woker und journalistischer Mitte, nicht aber in Schwedt, wo die Menschen einen klaren Blick für die Realitäten besitzen. Habecks famoser Plan sieht nun vor, dass Erdöl in Großtankern nach Rostock und Danzig verschifft und von dort durch Pipelines nach Schwedt gepumpt wird. Nur besitzt der Rostocker Hafen nicht die Voraussetzungen für Großtanker. Durch welche Pipelines soll welches Öl strömen? Möglicherweise umdeklariertes russisches Öl?
Der stellvertretende Leiter der ifo-Niederlassung Dresden, Prof. Dr. Joachim Ragnitz, schätzt, dass die im Welthandel üblichen Tanker zu groß für den Rostocker Hafen sind. Daher müsste das Öl in Rotterdam in kleinere Schiffe umgepumpt werden. „Das zweite Problem, das ich sehe, ist, dass die Kapazität der Pipeline nicht ausreicht, um dort sowohl Schwedt als auch Leuna mitzubeliefern.“ Die Raffinerie in Leuna versorgt circa 1300 Tankstellen in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen mit Benzin, zudem benötigt die Chemieindustrie in Mitteldeutschland Erdöl.
Größere Schiffe könnten zwar in Danzig anlegen, doch müsste dann über Umwege das Öl in die Pipeline Druschba gepumpt und so nach Schwedt und Leuna transportiert werden. Abgesehen davon, dass darüber mit Polen Verträge geschlossen werden müssen, die sicher nicht zum Nulltarif zu haben sind, wäre dieses Verfahren extrem aufwändig. Zu recht betont daher der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum: „Ersatz für das russische Öl gibt es nur zu höheren Preisen.“ Zu wesentlich, zu empfindlich höheren Preisen.
Dass die Kosten für die Energiewende auf die Verbraucher umgelegt werden, zeigt auch die kürzlich vorgeschlagene Novellierung des Energieschutzgesetzes von 1975. Im „Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung. Für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP“ steht im Abschnitt 1, Paragraph 24:
„Hat die Bundesnetzagentur nach Ausrufung der Alarmstufe oder Notfallstufe nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2017/1938 in Verbindung mit dem Notfallplan Gas des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom September 2019, der auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz veröffentlicht ist, eine erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland festgestellt, haben alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen.“
Im Klartext heißt das, um die Insolvenz von Energieversorgungsunternehmen zu vermeiden, ihnen womöglich satte Gewinne zu ermöglichen, dürfen sie die Gaspreise für die Kunden nach Belieben erhöhen. Für alle von der Bundesregierung erlassenen Maßnahmen im Bereich der Energie hat der Kunde aufzukommen. Auf die Idee, über die auch in Spanien nachgedacht wird, wie in Ungarn den Energiepreis zu deckeln, kommt die Bundesregierung nicht, denn Minister Habeck hat bereits vor dem Krieg verkündet, dass die Energiewende viel Geld kosten wird, aber, wie er anderer Stelle betonte, es ist ja „nur Geld“.