Das muss man Martin Schulz lassen: Anders als Peer Steinbrück will er nicht, dass sich die SPD einen Zweikampf mit der Linkspartei liefert, wer der härtere Umverteiler ist, wer es den „Reichen“, den Villen- und Yacht-Besitzern mal so richtig zeigt.
Gegenüber dem Konzept der Linken, jeden Mehr-Leistenden und Mehr-Verdienenden unter die Steuer-Guillotine zu legen, lässt es Schulz ruhiger angehen: Kleine und mittlere Einkommen sollen entlastet, die größeren dafür zur Kasse gebeten werden – aber im überschaubaren Rahmen.
Schulz-Kernpunkte:
- Entlastung der unteren Einkommen (bis ca. 16.000 im Jahr) bei den Sozialabgaben;
- Abschaffung des Soli für zu versteuernde Einkommen bis 52.000 € von 2020 an;
- Steuersatz von 42 % erst auf zu versteuernde Einkommen von 60.000 (bisher: 54.000) € und mehr;
- Neuer Spitzensteuersatz von 45 % ab 76.000 €;
- Erhöhung der Reichensteuer auf 48 (bisher:45) % bei Einkommen von 250.000 € und mehr;
- Höhere Erbschaftsteuer für „sehr hohe Vermögen“.
Die Entlastung für untere und mittlere Einkommen soll 15 Milliarden € betragen, finanziert von höheren Steuern für „Reiche“. Dabei fällt auf:
- Die SPD lässt offen, was für sie „sehr hohe Vermögen“ sind.
- Als „reich“ gilt, wer 76.000 (Verheiratete: 152.000) € im Jahr oder mehr zu versteuern hat.
- Die höhere Reichensteuer trifft auch Einzel- und Personengesellschaften, also rund 80 % aller Unternehmen in Deutschland. Sie gefährdet damit Arbeitsplätze.
- Auch Sparer werden bestraft, weil künftig für Zinsen und Dividenden die Einkommensteuersätze gelten sollen und nicht mehr die niedrigere Kapitalertragsteuer.
Schulz‘ Kehrtwende: Als die CDU vor Wochen Steuersenkungen in einer Größenordnung von 15 Milliarden € angekündigte, war Schulz noch strikt dagegen. Angesichts fallender Umfragewerte steuert er jetzt um. Dennoch bleibt ein wichtiger Unterschied zu den Steuerplänen von CDU/CSU und FDP: Diese Parteien wollen alle Steuerzahler entlasten. Schulz will das, was er den einen gibt, den anderen nehmen.
Schulz‘ Dilemma: Falls er das alles ernst meint, kann er niemals mit der Linken koalieren. Denn die ist ihm beim „Quälen der Reichen“ weit voraus, hat schon die Folterwerkzeuge bereit gelegt.
Fazit: Schulz versucht eine Gratwanderung zwischen dem Wunsch der Bürger nach Steuererleichterungen und dem Drang der SPD-Klassenkämpfer, noch mehr und noch stärker umzuverteilen. Was die SPD wirklich will, deutete SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel bei der Vorstellung des Konzepts an. Der SPD-Linke erinnerte daran, dass im Grundsatzprogramm der Partei nach wie vor die Forderung nach einer Vermögensteuer stehe. Auch andere Vertreter des linken Flügels kritisierten bereits das Fehlen der Vermögenssteuer im Schulz-Konzept. Die Wähler wissen jetzt also: Schulz will keine Vermögensteuer – jedenfalls nicht vor der Wahl.
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