Tichys Einblick
Chefsache Lauterbach

Kanzler Olaf Scholz muss seinen freidrehenden Minister einfangen

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schadet mit seinen wirren, sich widersprechenden Aussagen der Bundesregierung massiv. Kanzler Olaf Scholz (SPD) muss ihn endlich ermahnen, sein Amt seriös zu führen – oder feuern.

IMAGO/Political-Moments

„Heute hier, morgen dort“, singt Hannes Wader. Karl Lauterbach (SPD) wäre dieses Tempo viel zu langsam. Der Gesundheitsminister wechselt seine Positionen stündlich. Vor allem, wenn er Twitter nutzt. Dort füllt Lauterbach die Lücke, die Donald Trump hinterlassen hat. Und zwar was den Takt seiner Äußerungen angeht ebenso wie im Grad der Verwirrung, die diese bei den Nutzern zurücklässt. Zumal Lauterbach seine verschiedenen Funktionen durcheinander wirft – als Minister, Privatperson und Arzt.

Durch seine Twitter-Kommunikation hat Lauterbach Konfusion geschaffen: Wie ist denn das Infektionsschutzgesetz nun gemeint? Will es die Menschen dazu bringen, sich alle 90 Tage impfen zu lassen – oder will es das verhindern? Der Entwurf sieht eine Maskenpflicht vor. Von der befreit werden soll, wessen Impfung erst drei Monate zurückliegt. Das soll Menschen zur Impfung motivieren, sagt Lauterbach. Auf der Pressekonferenz. Das dürfe keineswegs dazu führen, dass sich Menschen alle drei Monate impfen lassen, sagt ebenfalls Lauterbach. Auf Twitter.

"Es war nicht alles schlecht"
Die FDP ist in der Ampel inhaltlich erledigt
 Damit demütigt Lauterbach den Koalitionspartner maximal. Zuerst hat er Justizminister Marco Buschmann (FDP) bei den Verhandlungen wie einen Leichtmatrosen über den Tisch gezogen. Der hatte ursprünglich ein Ende aller Maßnahmen im März 2022 versprochen und stimmt nun einem Paket zu, das sogar Maskenpflicht im Freien ermöglicht, die es bisher nur lokal gab. Jetzt muss Buschmann zusehen, wie Lauterbach das Verhandelte auslegt, wie es ihm gerade passt. Nach Gemütslage und nach Anfrage. Gegenüber den Vorsichtigen rühmt sich der Minister des Impfdrucks, den er ausübt. Erlebt er deswegen Gegenwind, dementiert er, Impfdruck ausüben zu wollen.

Die Demütigung Buschmanns ist das Problem der FDP. Sie hat den Leichtmatrosen aufs Führungsdeck gestellt. Doch der Vertrauensverlust geht tiefer. Sogar hochrangige Funktionäre wichtiger Institutionen – sonst eher vorsichtig mit Kritik an der Regierung – finden mittlerweile drastische Worte für Lauterbachs „Heute hier, morgen dort“-Taktik: „Es wäre besser, wenn Lauterbach seine Zunge etwas besser im Griff hätte“, sagte Rüdiger von Kries in Welt-TV. Kries ist Mitglied der Ständigen Impfkommission. Als es um den Impfdruck oder die Finanzierung der Krankenkassen ging, hatten hochrangige Funktionäre schon zuvor mit ähnlich harten Worten die Arbeit des Ministers beschrieben.

Lauterbach hat die Ständige Impfkommission öffentlich aufgefordert, ihre Empfehlung zur vierten Impfung zu ändern und damit nebenbei die wissenschaftliche Neutralität der Kommission in Frage gestellt – eigentlich sogar verhöhnt. In solchen Momenten tut der Minister so, als ob er öffentlich als normaler Arzt und Privatmann argumentieren könne. Es wäre Scholz‘ Aufgabe, seinen Mitarbeiter daran zu erinnern, dass mit dessen Amt nicht nur Privilegien, sondern auch Pflichten verbunden sind.

Doch noch vermischt Lauterbach munter die Ebenen: Arzt, Politiker und Privatmann. Dabei widerspricht er sich so krude, dass man sich die Frage stellt: Lügt Lauterbach einfach nur taktisch oder ist er verwirrt? Etwa in seinem befremdlichen Engagement für das Pfizer-Medikament Paxlovid, das er in TV-Auftritten wie eine Pharmavertreterin anpreist. Noch schräger agiert Lauterbach nur auf Twitter.

Am Freitag verkündet Lauterbach, dass er sich mit Corona infiziert habe. Obwohl er viermal geimpft sei. „Zur Vermeidung von Komplikationen“ habe er Paxlovid zu sich genommen. Das bringt ihm Fragen ein, auch Hohn und Spott. Denn nach Aussagen seines eigenen Ministeriums ist das Medikament eigentlich vorgesehen für schwerere Verläufe. Vor allem bei älteren Patienten und welchen, die bereits vor der Infektion unter anderen Krankheiten litten. Der angeblich vierfach geimpfte Lauterbach ist erst 59 Jahre alt und gilt als Gesundheitsfanatiker, der sich sogar auf privaten Partys das Salz vom Essen kratzen lässt. „Die Symptome sind noch leicht“, schreibt Lauterbach. Am Freitag.

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Als sein Einsatz von und für Paxlovid kritisiert wird, reicht der Minister am Dienstag einen neuen Krankheitsbericht nach: „Trotz 4 Impfungen und Paxlovid hatte ich stärkere Symptome als erwartet.“ Das muss dann am Sonntag gewesen sein. Denn an allen anderen Tagen hat der erkrankte Lauterbach seinen Twitter-Account fleißig bedient. Für seine Verhältnisse hat er dabei recht deutlich und gut strukturiert formuliert.

Und so sind dann Lauterbachs Äußerungen ein Trumpsches „Hier und dort“: Paxlovid ohne Symptome genommen haben, um für ein Medikament zu werben, das er eine Million Mal bestellt hat und das bisher kaum nachgefragt wird. Dann Symptome nachreichen, weil es Gegenwind gab. Sich mit Impfdruck als Hardliner geben. Aber Impfdruck dementieren, wenn die Wissenschaft diesen ablehnt. Bis zum Dezember war Lauterbach eine Ein-Mann-Show. Den Rollenwechsel hin zum Teil eines Teams hat er noch nicht verinnerlicht. Geschweige denn, den Rollenwechsel hin zu einem Verantwortungsträger.

Der Bundesrepublik droht angesichts von Stagflation und Energiemangel eine Krise, wie sie sie noch nie erlebt hat. Die Regierung stellt sich auf einen „Wut-Winter“ ein – nicht ganz ohne Grund. Wenn Kanzler Scholz die Bevölkerung nicht nur mit der Polizei im Griff halten, sondern die Menschen überzeugen will, dann muss ein Politikwechsel her. Wenn nicht sogar eine „Zeitenwende“. Dann muss diese Regierung seriös agieren und mit klugen Vorschlägen Probleme lösen und Bürger überzeugen. Ein Minister in einem Schlüsselressort, der sich im Laber-Flash ständig selbst widerspricht, ist dann nicht mehr tragbar. Es ist wichtig, dass Scholz das seinem Minister klarmacht – oder ihn gleich entlässt.

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