Tichys Einblick
Das immer gleiche Muster

Kein „Erstürmungsversuch“ der Habeck-Fähre – die nächste Schwindel-Blase platzt

Grüne Politiker fantasierten sogar von einem „Angriff“ auf den Minister. Jetzt erklärt der NDR: es gab noch nicht einmal den Versuch von Bauern, an Bord und zu dem Politiker zu gelangen.

Screenprints: via X, NDR - Collage: TE

Ganz am Anfang stand vermutlich ein Tweet des Tagesspiegel-Journalisten Julius Geiler, der am 4. Januar behauptete, demonstrierende Landwirte hätten versucht, „eine anlegende Fähre mit Wirtschaftsminister Robert Habeck an Bord zu stürmen“.

Die Behauptung ging schnell durch viele etablierte Medien, Spitzenpolitiker der Grünen griffen sie auf, weil sie die Chance sahen, erstens die Proteste der Landwirte gegen die von der Ampel geplanten Belastungen zu diskreditieren, und zweitens einen Mitleidsbonus für Habeck herauszuschlagen. Die Fraktionschefin der Grünen Britta Haßelmann erfand einen „Übergriff“ auf den Minister, der Queer-Beauftragte Sven Lehmann sogar einen „Angriff“.

— Sven Lehmann (@svenlehmann) January 6, 2024

Der Spiegel zitierte den Chef der Reederei, die die Fähre betreibt, mit den Worten: „Eine Minute später, und der Mob wäre an Bord gewesen“.

In Wirklichkeit hatten die Demonstranten Habeck überhaupt nicht zu Gesicht bekommen. Auch die Polizei meldete zwar ein Gedränge am Fähranleger und den Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten – aber keinerlei Angriff auf Habeck. Nach der Lüge von der angeblichen Attacke des „Mistgabelmobs“ (Spiegel) auf den Politiker bricht nun auch die Erzählung in sich zusammen, die Demonstranten hätten den Versuch unternommen, die Fähre tatsächlich zu stürmen. Schon auf Videoaufnahmen, die die Demonstranten am Fähranleger von Schlüttsiel zeigen, dass tatsächlich einige Bauern die Polizeikette durchbrechen – allerdings in dem Moment, in dem die Fähre sich schon wieder entfernt. Die Aufnahmen zeigen einige wenige Männer, die den Fährsteg entlanglaufen, während die Fähre sich schon mehrere Meter von der Anlegestelle entfernt befindet. Vorher musste die Mannschaft also schon die Leinen gelöst haben. Das, was die Videodokumentation ohnehin schon dokumentiert, bestätigt nun auch eine Recherche des NDR: Es gab zu keinem Zeitpunkt den Versuch, die Fähre zu erstürmen.

Die geplatzte Geschichte von dem Beinahe-Übergriff auf den Grünen-Politiker erinnert an das falsche Narrativ von der angeblichen „Erstürmung“ des Reichstags im August 2020 – angeblich in letzter Sekunde gestoppt durch drei heldenhafte Polizeibeamte. In Wirklichkeit waren damals Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen für eine kurze Zeit die Außentreppe des Reichstags hinaufgerannt. Einen Versuch, in das Gebäude einzudringen, gab es nie.

Nach dem Zusammenbruch der Fährgeschichte folgt nun die nächste Volte von Twitter-Aktivisten: Plötzlich soll es überhaupt keine Rolle mehr spielen, ob es nun in Schlüttsiel einen Erstürmungsversuch gab oder nicht.

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz meinte auf X, die Frage, was denn am Fähranleger nun wirklich passiert sei, erinnerten ihn an „die Frage, ob es damals in Chemnitz eine Hetzjagd war oder nicht“. Damit macht er eher unfreiwillig auf ein Muster aufmerksam, das sich in den Medien seit Jahren wiederholt, von Sebnitz und Chemnitz über die Reichstagstreppe bis Schlüttsiel: Journalisten treiben zusammen mit politischen Aktivisten eine zusammengebastelte Geschichte durchs Land, die in ihr Raster passt – und erklären dann nicht die Erfindung zum Problem – sondern ihren Zusammenbruch.

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