Tichys Einblick
Schleswig-Holstein

Protestierende Bauern blockieren Fähre mit Robert Habeck

Bei seiner Rückkehr aus dem Urlaub haben etwa 100 Landwirte mit ihren Traktoren Habeck am Fähranleger Schlüttsiel im Kreis Nordfriesland erwartet und dort die anlegende Fähre beim Entladen blockiert. Die Fähre musste umkehren. Spät in der Nacht konnte sie dann doch am Festland anlegen und der Wirtschaftsminister sie verlassen.

Symbolfoto - Fähre an der Nordseeküste in Richtung Schlüttsiel

IMAGO / penofoto

Von der Hallig Hooge in Schleswig-Holstein wurde die Nachricht »Habeck kommt zurück« in Windeseile verbreitet, innerhalb weniger Stunden hatten Landwirte eine Demonstration mit Traktoren organisiert und sind an den Fähranleger Schlüttsiel im Kreis Nordfriesland gerollt. Dort wollten sie gegen Wirtschaftsminister Habeck demonstrieren und ihn zur Rede stellen.

»Hau ab!« steht auf einem Schild, die Landwirte stehen dicht an dicht vor der eingelaufenen Fähre, die Stimmung ist zunehmend aufgebracht, einige wollen offenbar auf die Fähre gelangen. Die Demonstranten singen »Wir haben die Schnauze voll«. Dann fällt die Entscheidung und die Fähre legt mit allen Fahrgästen an Bord wieder ab. »Habeck flüchtet mit Fähre vor Wut-Bauern« titelt die Bild.

»Ja, Robert is nich an Land gekommen«, berichtet ein Augenzeuge auf Plattdeutsch, »er musste wieder umdrehen. Er wollte verhandeln mit drei Bauern, die wollte er aufs Schiff lassen. Da haben sie sich natürlich nicht darauf eingelassen. Und hatte er freies Geleit haben wollen.«

Die überraschte Polizei wollte das Gelände räumen, doch schafften die Beamten es nicht, die Landwirte mit ihren etwa 100 Traktoren zurückzudrängen. Laut Bild soll die Polizei Pfefferspray eingesetzt haben. Die »Verhandlung« über ein Gespräch sei jedenfalls misslungen, wird berichtet. Der Kapitän habe sich oben auf der Brücke verbarrikadiert und Habeck nicht ins Steuerhaus gelassen. »Da wollte er mit rauf, aber da hat er ihn nich reingelassen«, so der Augenzeuge weiter. Also sei er mitsamt Habeck wieder auf die Hallig Hooge zurückgefahren, wo Habeck zuvor seinen Urlaub verbracht habe.

Das kommt für Grüne überraschend nicht in Sachsen, nicht in Mecklenburg-Vorpommern und Sylt, sondern ausgerechnet in dem bisher völlig unverdächtigen Heimat-Bundesland von Habeck: Schleswig-Holstein. Regierungsvertreter bezeichneten den Protest als »Verrohung der Sitten«. Viele weitere führen eilig den Begriff »Gewalt« ins Feld, die meisten kennen aber nur das veröffentlichte Video, auf dem eine aufgebrachte Stimmung klar erkennbar ist. Auch ist seitens der Polizei nicht die Rede von Festnahmen oder Anzeigen, ein Polizeisprecher sagte zu Bild, »dass Ermittlungen wegen Landfriedensbruch, Widerstand und Nötigung geprüft werden«.

»Der Mittelstand wird ruiniert, in Berlin feiert man ganz ungeniert« – steht auf einem der Plakate.

Robert Habeck selbst kann sich einen Urlaub leisten, während das Land mitsamt vieler Bürger so abstürzt wie noch nie nach dem Zweiten Weltkrieg. Unternehmen gehen reihenweise pleite, Speditionen können drastisch erhöhte Mautgebühren, immer höhere Strom- und Energiekosten sowie immer mehr Steuern auf CO2 nicht mehr bezahlen, viele stehen vor dem Aus oder haben ihn schon hinter sich, frieren, weil Heizkosten exorbitant steigen. Urlaub – das gibt es für viele schon gar nicht mehr. Täglich geben Dutzende von Bauern ihre teilweise sehr alten Betriebe auf.

Nachdem sich der Tumult im Fährhafen aufgelöst hatte, konnte Wirtschaftsminister Habeck schließlich doch noch das Festland erreichen: Um 1.50 Uhr legte die Fähre in Schlüttsiel an. Begleitet von Personenschützern verließ er die Fähre – sichtlich genervt ging er mit schnellen Schritten zu einem wartenden Auto, wie die Bild berichtet.

Olaf Scholz steigt andernorts durch Flutgebiete, antwortet nicht auf Fragen, macht ein paar Fotos, die die Medien verbreiten und verschwindet danach wieder nach Berlin. Auch hier reagieren die Menschen zunehmend ähnlich aufgebracht wie die Landwirte bei der Ankunft von Habeck.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, hatte sich von Versuchen abgegrenzt, die in der kommenden Woche geplanten Bauernproteste zu vereinnahmen. „Als Deutscher Bauernverband distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit beispielsweise von Aufrufen zur Gewalt, von gewalttätigen Umsturzfantasien, von Beleidigungen, Drohungen oder von Symbolen und Bildern, die derartiges ausdrücken“, sagte Rukwied dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). „In den digitalen Netzwerken haben wir leider einiges davon wahrgenommen, auch von einzelnen Gruppierungen, die wir nicht mit uns auf der Bühne haben wollen“, sagte Rukwied weiter.

Der Deutsche Bauernverband stehe zur demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. „Protest und Demonstrationen sind ein Grundrecht in Deutschland. Wir werden dieses Grundrecht auch für uns in Anspruch nehmen“, sagte der Verbandspräsident.

„Wir können unsere Mitglieder nur auffordern, dies mit legalen Mitteln zu machen und sich an geltendes Recht zu halten. Wir erhalten aktuell einen sehr beeindruckenden Rückhalt von Seiten der Bevölkerung und Solidarität von vielen anderen Branchen, die uns Unterstützung angeboten haben“, so Rukwied. „Dies wollen wir auf keinen Fall gefährden.“

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