Tichys Einblick
Schlesinger-Skandal eskaliert

TE-Exklusiv: Schlesinger begeht Untreue in Gegenwart der Polizeichefin

Die Partys der ehemaligen ARD-Chefin Patricia Schlesinger sollen privat gewesen, aber vom RBB bezahlt worden sein. Zeugin dafür ist ausgerechnet die Berliner Polizeichefin Dr. Barbara Slowik – bereits vor diesem Sachverhalt hatte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Von Mario Thurnes und Alexander Wendt

picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Britta Pedersen

Zwischen 28 und 90 Euro sollen die Essen bei Patricia Schlesinger pro Person gekostet haben, wie mehrere Medien berichten. Die Gespräche seien dienstlich gewesen, argumentierte die ehemalige ARD-Vorsitzende. Deswegen habe sie die Abende über den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) abgerechnet, dessen Intendantin sie bis gestern war. Nun hat TE eine Zeugin, die sagt, die Abende seien privater Natur gewesen. Es handelt sich um die Berliner Polizeipräsidentin Dr. Barbara Slowik.

TE fragte sie zu diesem Sachverhalt an. Darauf antwortete die Polizei: „Frau Dr. Slowik hat die Information darüber, dass die Kosten für ein Abendessen bei der Familie Schlesinger und Spörl dem RBB in Rechnung gestellt wurden, mit großem Erstaunen und Irritation am gestrigen Tag zur Kenntnis genommen. Es war für sie in keiner Weise ersichtlich, dass dieses Treffen einen beruflichen Hintergrund hatte.“

Sie sei zu einer „Einweihung der neuen Wohnung mit Freunden“ eingeladen worden. Auch die Gesprächsinhalte seien rein privater Natur gewesen. Die Polizei versichert: „Hätte sich auch nur ansatzweise abgezeichnet, dass es sich um ein geschäftliches Essen auf Kosten des RBB handelt, hätten Frau Dr. Slowik und ihr Mann die eigenen Kosten getragen.“

Noch vor Bekanntwerden dieses Sachverhalts hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Patricia Schlesinger aufgenommen, die als ARD-Vorsitzende und RBB-Intendantin zurücktreten musste. Noch vor zwei Wochen hatte die Staatsanwaltschaft eine Klage der Brandenburger AfD abgewiesen. Sie sei nur dann zur Aufnahme von Ermittlungen berechtigt, argumentierte die Staatsanwaltschaft seinerzeit, wenn zureichende tatsächliche Ansatzpunkte dafür vorliegen, dass eine Straftat begangen wurde, sonste handele es sich um eine „willkürliche Strafverfolgung“. Bei den Vorwürfen gegen Schlesinger handele es sich nur um „Gerüchte, Vermutungen und nicht weiter belegte Behauptungen“ – wie die Staatsanwaltschaft Berlin vor zwei Wochen argumentierte.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen Schlesinger, ihren Mann Gerhard Spörl sowie den ehemaligen Chef des RBB-Verwaltungsrates, Wolf-Dieter Wolf, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft gegenüber der Welt bestätigt haben soll. Es gehe um den Anfangsverdacht der Untreue und Vorteilsnahme. Als Vorwurf steht im Raum, dass Wolf Schlesinger eine Gehaltserhöhung von 16 Prozent genehmigt und ihrem Mann einen Auftrag als PR-Berater bei der Berliner Messe vermittelt habe. Bei der hundertprozentigen Landestochter saß er dem Aufsichtsrat vor. Im Gegenzug soll der RBB Aufträge an Firmen vergeben haben, die dem Bauunternehmer Wolf nahestehen.

Wegen diesen und ähnlichen Vorwürfen sowie wegen ihres verschwenderischen Umgangs mit Gebührengeldern musste Schlesinger zuerst als ARD-Vorsitzende zurücktreten. RBB-Intendantin wollte sie bleiben. Die Stelle ist mit über 300.000 Euro im Jahr dotiert. Nach Medienberichten soll sie zudem einen hohen fünfstelligen Bonus erhalten haben. Doch nachdem der Druck aus der ARD stieg, musste Schlesinger auch als RBB-Intendantin aufgeben. Aber sie verlangt weiter Geld: 15.000 Euro Pension im Monat, wie der Business Insider berichtet.

Außerdem gibt es übereinstimmende Medienberichte, nach denen Schlesinger eine Abfindung vom RBB fordert. Nach ihrer Darstellung habe sie nicht wegen der Vorwürfe gekündigt, sondern weil sie Opfer einer Kampagne sei und so als Chefin der ARD-Anstalt nicht mehr habe weiterarbeiten können. Da sie im Sinne des Senders handele, solle dieser sie entsprechend abfinden. Spekuliert wird über eine Summe von 150.000 bis knapp 300.000 Euro. An diesem Montag tagt der Rundfunkrat in einer Sondersitzung, um zu besprechen, wie es mit dem Sender weitergehen soll.

Auch der Vorsitzender der Good Governance Gewerkschaft Marcel Luthe hatte unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz die Herausgabe der Informationen zu den Einladungen Slowiks bei Schlesinger verlangt – was die Polizeipräsidentin offenbar dazu veranlasst hatte, schnell von sich aus an die Öffentlichkeit zu gehen. Luthe fordert gegenüber TE, den Vorgang auch nach der Stellungnahme Slowiks weiter aufzuklären: „Wir wissen, dass es sich hier nur um die Spitze des Eisberges handelt, um ein System, das in Berlin seit Jahrzehnten Methode hat und wie Mehltau über unserer Stadt liegt. Wir werden klären müssen, wo noch derartige Hinterzimmerrunden bestehen, deren bloße Existenz das Vertrauen in unabhängige Institutionen zerstört.“

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