Archäologie ist heute etwas Wunderbares, sie wühlt nicht nur im Dreck nach Goldschätzen wie noch zu Schliemanns Zeiten. Sie interessiert sich für die Menschen, für die kleinen Dinge am Rande, für Knochen und Artefakte, die Aufschluss geben können über die damalige Art zu leben, zu denken, miteinander umzugehen.
Aktuell hat ein internationales Archäologenteam in Süddeutschland anhand von Schädelfunden Belege dafür gefunden, dass es unter den angeblich ursprünglich blauäugigen Bajuwaren ein paar ziemlich wilde schwarzhaarig-braunäugige Mädels aus der Fremde gegeben haben muss, die sich prima integriert hätten. Ja, so was können Archäologen heute.
Was nun aber die Presse in Gestalt des Spiegels daraus macht, ist abenteuerlich: „Vor 1.500 Jahren lebten Bayern mit Frauen aus Südeuropa zusammen – Hinweise auf Fremdenfeindlichkeit fanden Forscher nicht.“ Nun soll also die ansonsten unbestechliche Archäologie herhalten für einen weiteren Zweig der Refugees-Welcome-Bewegung: Die Schädelvermessung als Nachweis für eine multikulturelle Tradition in Deutschland. Das erinnert nun leider fatal an die Bemühungen der Nazis, mit Schädelvermessungen das Gegenteil nachzuweisen. Die Enttäuschung war damals übrigens groß, als Hitler beispielsweise das Grab Heinrich des Löwen im Braunschweiger Dom öffnen ließ und einen recht kleinen schwarzhaarigen Herrscher vorgefunden haben soll.
Nun ist die Erkenntnis über die Herkunft der Bayern nicht so neu. Die Schmalzlocken und das Temperament von Franz-Josef Strauß waren immer schon der Beleg, dass die Einwanderung aus Italien ungebrochen war; in Rosenheim und Umgebung soll ein Viertel der Bevölkerung von südlich des Alpenhauptkamms stammen. Der Oetzi, der berühmte Eismann, führte vor, wie man die Alpen zu Fuß überqueren konnte, jedenfalls, wenn nichts dazwischen kam. Die Bajuwaren waren ein germanischer Volksstamm, der sich auf das Trefflichste mit den dortigen Kelten amalgamierte, weswegen Jean Amer darauf verweist, dass die Bayern mit den Schotten, den Bretonen und Iren verwandt sein sollen – klingelt was? Ach ja, und dann waren da noch die Römer, die Hunnen, die Tschechen, die Schweden und die Franzosen in den diversen Kriegen, die Steirischen Protestanten, die Eisenarbeiter aus der Böhmen und Mähren und dann wieder die Eisenbahnbauer aus Italien. Alles das weiß man schon lange, nur eben noch nicht beim Spiegel. Und jetzt?
Na klar, der Spiegel konnte nicht anders, die Verlockung war zu groß. Etwas allerdings ist doch interessant an diesem Fall: Die These von den Südländerinnen stützt sich auf die so genannten Turmschädel der Damen. Den Frauen wurde offensichtlich vom Säuglingsalter an der Schädel bandagiert, sodass er turmartig deformierte und dem Schönheitsideal ihrer Herkunftsregion entsprochen haben wird.
Angeblich sollen die einfallenden Hunnen diese Quälerei aus Zentralasien mitgebracht haben. Nun beschränken sich die europäischen Funde auf einen Zeitraum um das fünfte Jahrhundert herum. Es scheint also so, dass die Damen zwar ihre Kopfform mitbrachten, diese sich aber nicht lange halten konnte. Zwei, maximal drei Generationen lang wurden auch deren Kinder so gequält, dann war der Spuk vorbei. Ein gelungenes Beispiel von Integration und Assimilation. Also wenn man überhaupt dieser abstrusen Begeisterung für Schädelvermessungen des Spiegels folgen mag. Was nun übrig bleibt, ist die Wehrhaftigkeit dieser tapferen Bayern: Denn anfangs fand man diese Mädels, die man vom Beutezug mitgebracht hatte, noch recht sexy, aber schnell wurde allen im Dorf klar: So ein deformierter Schädel sieht zwar recht exotisch aus, aber das Hirn darin wird auch ordentlich in Mitleidenschaft gezogen. Dauernd diese Kopfschmerzen, wenn es zur Sache gehen sollte. Und hier waren sie nicht einmal vorgetäuscht. Aber wo nicht geschnackselt wird, da stirbt man aus. So einfach ist es auch in Bayern.