Elf Prinzen, 38 frühere Minister, Staatssekretäre und Geschäftsleute, die in einem Fünf-Sterne-Hotel nahe Riad festgehalten werden, das ist keine kleine Operation. Was zunächst „nur“ wie ein großer Machtgewinn für den saudischen Kronprinzen aussieht – diese Benutzoberflächen-Sicht lieben unsere Medien – könnte der Auftakt zu weit mehr sein.
Für die langweiligste Überschrift entschied sich ganz untypisch der SPIEGEL:
Spiegel: Saudi-Arabiens König entlässt Minister und stärkt Kronprinz
Da macht die WELT deutlich mehr aus demselben Stoff – im Titel. Im Berichtstext liest sich das – wie immer – ziemlich gleich. Interessant, der Spiegel-Bericht lebt von Sekundärquellen – wit/dpa/AFP/Reuters – die Welt von der staatlichen Primärquelle Saudi Press Agency.
Welt: „Schwache Seelen“ – Saudi-Arabien entledigt sich unangenehmer Prinzen
Zu den Ereignissen schreibt die Welt: «In einer offiziellen Erklärung hieß es, „einige schwache Seelen“ hätten ihre Interessen über die Interessen der Öffentlichkeit gestellt, „um illegal Gelder anzuhäufen“. Zugleich wurde offiziell ein Anti-Korruptions-Komitee unter der Führung von Kronprinz Mohammed bin Salman ins Leben gerufen. Der Kronprinz, der erst vor wenigen Monaten von seinem Vater Salman zum Thronfolger ernannt wurde, gilt als treibende Kraft hinter den Personalentscheidungen in der Monarchie.»
Die Welt zum Hintergrund: „Saudi-Arabien wird vom Wahhabismus geprägt, einer besonders strengen und traditionellen Lesart des Islam. Das Herrscherhaus der al-Saud hatte bereits Mitte des 18. Jahrhunderts ein Bündnis mit wahhabitischen Religionsgelehrten geschlossen, das bis heute Bestand hat und den Gelehrten weitreichenden Einfluss auf Religions- und Lebenspraxis in Saudi-Arabien gewährt. Der Sohn des 81-jährigen Königs Salman hatte bereits nach seiner Ernennung zum Kronprinz im Juni einen Modernisierungskurs angekündigt.“
Die offizielle saudische Lesart liefert Al-Arabija unter dem Titel:
Al-Arabija: Saudi Crown Prince to head new committee to combat corruption
König Salman bin Abdulaziz Al Saud begründet seine Anordnungen mit der Korruption derer, die er durch seinen Kronprinz zur Verantwortung ziehen lässt (manche Texte besser im Original):
Die Presse: Saudischer Kronprinz verspricht „moderaten Islam“
Vielleicht sah Bettina Röhl bin Salman nicht zu positiv. Die Presse berichtet von einer Konferenz in Riad mit ungewöhnlich Tönen, die Saudi-Arabien-Experte Guido Steinberg (Stiftung Wissenschaft und Politik) überraschen: «“Mohammed bin Salman gibt hier zum ersten Mal sehr konkret vor, wohin genau seine Reformen führen sollen: In ein Saudi-Arabien, in dem die konservativen Gelehrten immer weiter an den Rand gedrängt werden und die liberalen Teile des Landes aufatmen und sich auf viel mehr Freiheiten freuen können.“ Die große Frage sei aber, ob dies auch für die etwa zwei Millionen Schiiten im Land das Ende ihrer Diskriminierung bedeuten könnte. „Gäbe es auch für sie Erleichterungen, wäre Saudi-Arabien rasch ein ganz anderes Land.“» Die Deutsche Welle fügt ihrem Bericht, der den anderen ähnelt, eine Reihe weiterführender Artikel an, was sich in Saudi-Arabien tun könnte.
New York Times: Citigroup, 21st Century Fox, Twitter: Prince’s Arrest Touches Many
Die New York Times konzentriert ihren Bericht auf das umfängliche Imperium, das bin Talal gehörte, wie man nun oder bald wohl formulieren muss. Was sich aus den Umwälzungen in Riad für die US-Innenpolitik noch ergeben kann, lässt mich ein Bericht der Huffpost fragen: Denn die Podesta Group mit dichten Verbindungen nach Saudi-Arabien besorgte wohl dort Geld für die Kampagne von Hillary Clinton. Die Podesta-Clinton-Saudi-Connection ist noch längst nicht von der Tagesordnung der Medien. Aber Hillary dürfte es danach endgültig sein.
11 Prinzen und 38 frühere Minister, Staatssekretäre und Geschäftsleute, die in einem Fünf-Sterne-Hotel nahe Riad festgehalten werden, das ist keine kleine Operation. Sollte sich im Land des striktesten Islam Grundlegendes ändern, hätte das schnell Auswirkungen auf die ganze islamische Welt, nicht nur im Nahen und Mittleren Osten, für den Europa der Nahe Westen ist, was außerhalb des politischen Radars der deutschen und europäischen Presse liegt.