Einige Tage erregte sich das Land über die angeblich ungerechtfertigte Abschiebung - jetzt verspricht Tunesien, nicht zu foltern und schafft damit den Grund, Sami A. nicht abzuschieben, aus der Welt. Aber die Gerichts-Posse wird weitergehen.
Tunesien ein sicheres Herkunftsland? Die Politik streitet, derweil hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen befunden, dass es das aber mindestens im Einzelfall sein kann. Dann nämlich, wenn Deutschland auf diplomatischem Wege mit Tunesien aushandelt, dass der islamistische Gefährer Sami A. in Tunesien nicht gefoltert wird, also doch nicht nach Deutschland zurückgeflogen werden muss, von wo aus er für 35.000 Euro dereinst ausgeflogen wurde, zurück in seine ursprüngliche Heimat.
Ein Schildbürgerstreich? Sicher auch das, aber vor allem keine Erfolgsgeschichte, mit der sich die Bundesrepublik Deutschland bzw. das Innenministerium nun schmücken könnte. Zu bizarr der Fall, hunderttausende weiterer Ausweisungbaustellen drumherum.
Dankenswerterweise erzählt der Journalist Jan Jessen heute für die Braunschweiger Zeitung die ganze Geschichte rund um den heute 42-jährigen Tunesier noch einmal nach. Tatsächlich lesen sich diese drei Spalten wie exemplarisch für das Versagen des Staates in Sachen Migration, Integration und innere Sicherheit. Kollabiert hier der Rechtsstaat, oder ist etwa eine fatale Lähmung der deutschen Justiz zu diagnostizieren?
Mehrfachspur statt Spurwechsel
Die Kurzversion zur Erinnerung geht so: Sami A. kam 1997 mit Studentenvisum nach Deutschland. Drei Jahre späte soll er nach Afghanistan gereist und dort von Al Qaida militärisch ausgebildet worden sein. Er kehrte nach Deutschland zurück, wo die Bundesstaatsanwaltschaft wegen des Verdachtes der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ermittelte. Das Verfahren wurde 2007 mangels Beweisen eingestellt. Nichtsdestotrotz wurde Sami A. als Gefährder eingestuft und er bekam die Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden. Im selben Jahr wurde auch sein Asylantrag abgelehnt. Dann gab es ein jahrelanges Gezerre um seine Abschiebung zwischen Oberverwaltungsgericht, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Innenministerium, sogar der Innenminister nahm sich persönlich der Sache an: „Mein Ziel ist es, die Abschiebung zu erreichen.“
Der Rest ist bekannt. Sami A. wurde abgeschoben, die Abschiebung vollzogen, ein Abschiebestopp wurde erst gelesen, als der Tunesier schon auf seinem 35.000 Euro Flug unterwegs nach Tunesien war. Waren hier von den Behörden bewusst die Grenzen des Rechtstaates ausgetestet worden? Kritische Stimmen sprachen sogar von Rechtsbeugung, die Gerichte entschieden, dass diese Abschiebung Unrecht gewesen sein soll, Sami A. müsse umgehend aus Tunesien zurückgeholt werden.
Politisierte Justiz - entpolitisierte Politik
Nun die Wende in diesem prominenten Fall rund um einen salafistischen Gefährder: Die tunesische Botschaft hat in einer Verbalnote beschieden, dass Sami A. in Tunesien keine menschenrechtswidrige Behandlung drohe. Die deutschen Gerichte waren damit zufrieden, die Rückholung wurde per Eilantrag auf Eis gelegt, eine Klage der Anwältin des Tunesiers abgewiesen. Die Anwältin hatte die Verbalnote der Botschaft für nicht ausreichend befunden, das Gericht sah das anders, die Verbalnote sei „hinreichend verlässlich“.
Ist nun wenigstens diese anhaltende Blamage für den deutschen Rechtsstaat und die Sicherheitsorgane endlich vorbei? Mitnichten, denn noch kann gegen das Urteil Berufung eingelegt werden.