Tichys Einblick
Parteigründung

Sahra Wagenknecht tritt an gegen die „schlechteste Regierung aller Zeiten“

Sahra Wagenknecht und ein halbes Dutzend Mitstreiter sind aus der Linken ausgetreten und gründen eine eigene Partei. Sie sagen der Ampel den Kampf an – deren journalistischen Anhang haben sie schon gegen sich.

Amira Mohamed Ali und Sahra Wagenknecht bei der Bundespressekonferenz zur Gründung des Vereins Bündnis Sahra Wagenknecht, 23. Oktober 2023

IMAGO / Future Image

Sahra Wagenknecht stellt mit Mitstreitern den Verein „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) in der Bundespressekonferenz vor. Dieser Verein bereitet die Gründung einer Partei vor, die laut Geschäftsführer Lukas Schön zum Jahreswechsel folgen soll. Vier der ersten fünf Fragen der Journalisten beschäftigen sich mit der Frage, warum Wagenknecht oder Amira Mohamed Ali zwar eine neue Partei gründen, aber im Bundestag bleiben.

Zweimal hat Wagenknecht die Frage schon beantwortet, dann stellt ein „Journalist“ des Deutschlandfunks sie wieder. Ihm geht es scheinbar weniger um die Antwort. Er ist auch kaum nach Berlin gekommen, um Fragen zu stellen oder zu berichten. Er gehört zu der Art Journalisten, die nach Berlin gekommen, sind, weil sie eine Haltung haben und die unter die weniger Erwählten bringen wollen.

Es ist ein merkwürdiges Demokratieverständnis des DLF-Aktivisten. Zumindest gilt das Verständnis außerhalb der Berliner Käseglocke als merkwürdig. Außerhalb dieser Glocke wählt der Bürger den Abgeordneten und dieser ist daher dem Bürger verpflichtet. Für Berliner Journalisten wählt die jeweilige Partei den Abgeordneten – und ihr ist er verpflichtet. Wer aus der Partei austritt, hat demnach auch im Bundestag nichts mehr zu suchen.

Dieser Berliner Logik widerspricht Wagenknecht. Viermal. Wie impertinent. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Hauptstadtjournalisten mit der neuen Partei einen ähnlichen Umgang vorhaben wie zuletzt mit AfD, Bündnis Deutschland oder Freien Wählern. Kurzum jedem, der angetreten ist, eine Alternative den Bürger zu bieten, die sich im bisherigen Parteiensystem nicht mehr vertreten sehen – vor allem nicht mehr, seitdem Angela Merkel die CDU ins grün-linke Lager geführt hat.

Wagenknecht richtet einen Appell an die Journalisten. Schon vor der Fragerunde. Sie führt als einen von fünf Kernpunkten des BSW an, dass dieses die gesellschaftliche Spaltung überwinden will. Wer Meinungen vertrete, die „von der dominanten Meinungsblase abweichen“, werde stigmatisiert. Das führe dazu, dass eine Mehrheit sich nicht mehr traue, frei ihre Meinung zu äußern.

Wenn es um dieses Phänomen geht, sind die Journalisten in der Bundespressekonferenz keine neutralen Berichterstatter. Sie sind Handelnde. Sie sind Täter. Wagenknecht richtet einen Appell an sie. Sie sollten alle „fair miteinander umgehen“. Das sei wichtig für das gesellschaftliche Klima. Das gelte mehr allgemein als für sie. Sie selbst habe gelernt damit umzugehen.

Das ist, auch wenn es die wenigsten verstehen, eine Kampfansage. Denn Wagenknecht zieht ein Resümee über die politische Landschaft. Sie trifft deutliche Aussagen: Die Bundesregierung erlebe „die schlechteste Regierung in ihrer Geschichte“. In Teilen sei sie sogar inkompetent: Die Politik müsse sich deutlich verändern, „sonst werden wir unser Land in zehn Jahren nicht wiedererkennen“.

Wagenknecht zieht daraufhin ein Fazit durch viele Politikfelder. Auch hier sind die anwesenden Journalisten keine Unbeteiligte. So deutlich, wie Wagenknecht die Probleme benennt, so deutlich hätten es eben diese Journalisten in den vergangenen Jahren tun müssen. Doch ihnen stand ihre Attitüde im Weg, Haltungen zu verbreiten, statt Tatsachen zu berichten. Ebenso wie ihre Nähe zuerst zu Merkel und dann zur Ampel, besonders zu den Grünen. Probleme haben diese Journalisten immer erst benannt, wenn sie nicht mehr zu leugnen waren – und auch dann waren sie mehr damit beschäftigt, nach Gründen zu suchen, die nicht die eigentlichen sind.

Wagenknecht benennt nun diese Probleme: eine Außenpolitik des erhobenen Zeigefingers, die uns in der Welt isoliert. Die Beteiligung an einer neuen Blockbildung, die Arbeitsmärkte gefährde. Ein Bildungssystem, dass immer öfters Menschen ins Berufsleben entlasse, für das es diese nicht vorbereitet habe. Eine blamabel schlechte Infrastruktur mit maroden Brücken, einer Bahn, die fast nie ihren Zielbahnhof pünktlich erreicht, oder schwache digitale Netze. Eine Regierung, die Milliarden ausgebe, um die negativen Folgen ihrer eigenen Politik auszugleichen. Ein blinder Ökoaktionismus, der kaum hilft, aber viel kostet.

Genau hier ist das BSW zu verorten und wird die spätere Wagenknecht-Partei zu verorten sein: Sie richtet sich an Menschen, die gegen grüne Politik und von den Parteien frustriert sind, die immer mehr grüne Politik übernommen haben: Linke, SPD, FDP, CDU und CSU. Die neue Partei will nicht mit der AfD zusammenarbeiten, aber eine „seriöse Adresse“ für deren Wähler sein. Warum es allerdings seriös sein soll, wenn sich Wagenknecht gegen illegale Einwanderung ausspricht, aber nicht, wenn die AfD das Gleiche tut, das lässt sie offen.

Konkrete Inhalte hat Wagenknecht ebenfalls noch keine vorgestellt. Sie spricht sich zwar für wirtschaftliche Vernunft aus, aber aus ihren Ausführungen wird deutlich, dass sie eher für einen interventionistischen als für einen schlanken Staat ist: So fordert sie etwa eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns und Steuergeld, um das schlechte deutsche Rentenniveau anzuheben.

Ein gutes halbes Dutzend Linker ist mit Wagenknecht aus der Partei ausgetreten. In der Fraktion im Bundestag wollen sie vorerst bleiben, wie Amira Mohamed Ali sagt. Sie ist die erste Vorsitzende des BSW, mit Wagenknecht aus der Linken ausgetreten – und immer noch Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. Würden die BSW-Gründer aus der Fraktion austreten, verlöre diese ihren Status. Damit hätte sie weniger Rechte im Parlament und vor allem weniger Geld. Das bedeutet weniger „wissenschaftliche Mitarbeiter“. Wie Ali sagt, seien die BSWler bereit, in der Fraktion zu bleiben, um eine geregelte Lösung zu ermöglichen. Also ihnen noch ein paar Monate ein Gehalt zu sichern.

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