Am 24. Februar jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine. Europa und insbesondere Deutschland wollten damals die Abhängigkeit von Ressourcen aus dem Ausland auf den Prüfstand stellen. Zum ersten Mal wurde sich eine der größten Volkswirtschaften der Welt eines möglichen Erpressungspotenzials durch Rohstoffe bewusst. Die Antwort lautete darauf: mehr „erneuerbare Energien“, die den Gashunger Deutschlands in Ermangelung der Kernenergie erst ausgelöst hatten – und Gas von anderen Anbietern.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als hätte der Kontinent seine Gasimporte diversifiziert und Russland umgangen. Doch der Schein trügt. Denn anders als beim Öl sanktionieren weder die EU noch die EU-Mitgliedsstaaten russisches Gas. Das hat zur Folge, dass das durch Pipelines beförderte Gas günstiger bleibt als das über teure LNG-Tanker verschiffte. Während die europäischen Länder ihre vermeintliche Unabhängigkeit feiern, sieht die Realität anders aus.
Beispiel Österreich: Laut NZZ hat das Nachbarland im Dezember 2022 rund 70 Prozent seines Gases aus Russland eingeführt. Und das trotz Bekundungen Wiens, die Abhängigkeit zurückzuführen und auf alternative Anbieter umzusteigen. Geliefert wird trotz Krieg über die Ukraine nach Baumgarten und von dort in die EU-Nachbarländer verteilt. Zwar erfüllt Gazprom nach Angaben des Blattes seine Verpflichtungen nicht immer vollständig, die Liefermengen betrügen oftmals nur 30 bis 70 Prozent des zugesicherten Volumens.
Der österreichische Energiekonzern OMV erklärte zwar, seinen Kunden im Bedarfsfall auch nicht-russisches Gas anbieten zu können. Doch die Verbraucher nutzten lieber das billige russische Gas als die teuren nicht-russischen Alternativen. In der Theorie ist Unabhängigkeit möglich, ohne Sanktionsdruck sind die russischen Preise jedoch unschlagbar – das teure Flüssiggas aus Übersee findet auf dem freien Markt weniger Firmen oder Händler, die es im Vergleich kaufen wollen.
Doch selbst bei LNG spielt Moskau weiterhin mit. Die Flüssiggas-Importe sind sogar im Jahresvergleich gestiegen. Laut Handelsblatt hätten die EU-Staaten und Großbritannien im Jahr 2021 rund 21 Prozent weniger russisches Flüssiggas importiert als im Jahr darauf. Die russischen Einnahmen durch Verkäufe in Europa dürften sich auf 27 Milliarden Dollar belaufen haben. Insgesamt stammten 13 Prozent des LNG-Imports aus Russland.