Tichys Einblick
„Stairway to heaven“ auf unser aller Kosten?

ARD: den Hals noch nicht vollgekriegt

Mehr Geld für den Staatsfunk – das Thema kennen wir. Doch in puncto Geldforderungen betreibt die ARD ein derart starkes „framing“, das dem stärksten Jecken die Narrenkappe vom Kopf weht. Der Zwangsbeitrag wird spätenstens 2022 deutlich höher als 18 Euro pro Haushalt liegen – und das kein Karnevalsscherz!

Ulrich Wilhelm (ARD-Vorsitzender u. Intendant BR)

imago/Stephan Görlich

Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, lässt die Katze aus dem Sack. Die Rundfunkgebühren sollen deutlich steigen. „Wenn wir den heutigen Leistungsstand mit qualitätsvollen Programmen in den Jahren 2021 bis 2024 halten wollen, brauchen wir dann einen Ausgleich der Teuerung – orientiert am Verbraucherpreisindex“, sagte der amtierende ARD-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der drohende Unternton ist unüberhörbar. Die Forderung ist nicht ganz neu. Neben der ARD hatte auch ZDF-Intendant Thomas Bellut bereits Ende Dezember einen kräftigen Schluck aus der Gebühren-Pulle gefordert: „Ob es künftig ein Index-Modell geben wird, ist eine Entscheidung der Länder“, sagte er im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf den Vorschlag für einen regelmäßigen Inflationsausgleich. „Wir sind offen und gesprächsbereit. Klar ist aber, ohne eine Beitragsanpassung ist das Qualitätsniveau auf keinen Fall zu halten.“

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Derzeit werden 17,50 Euro pro Haushalt und Monat fällig. Der tatsächliche Beitrag liegt nach Ansicht des ZDF-Intendanten bereits jetzt rechnerisch deutlich höher: „Weil wir aber aktuell die Rücklage einsetzen dürfen, die nach der Umstellung auf den Rundfunkbeitrag entstanden war, beträgt der Beitrag nach unserer Berechnung real bereits 18,35 Euro.“ Und von der ZDF-Zentrale auf dem Mainzer Lerchenberg herunter doziert er: „Das ist also der wirkliche Basiswert“ – also die 18,35 Euro. Bellut weiter: „Alles darunter wäre eine klare Kürzung, die nur durch große Einsparungen im Programm erbracht werden könnte.“

Bei der baden-württembergischen FDP regt sich Widerstand. Deren Landesvorsitzender, zugleich Vizefraktionschef im Bundestag, Michael Theurer, nennt die Bellut-Forderung gegenüber der „Bild“ einen „dreist und einfältig.“ Es sei unglaubwürdig, Einsparpotentiale zu leugnen, wenn „das ZDF vor zwei Tagen noch die Finanzmittel hatte, drei Stunden lang die bestbezahlte Sängerin Europas auftreten zu lassen“. Stattdessen forderte er in der großen Tageszeitung: „Mit einer stärkeren Fokussierung auf Information, Bildung und Kultur ließe sich viel Geld sparen.“ Darüberhinaus müsse es „eine Diskussion über die zukünftigen Aufgaben und eine Neudefinition des Auftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ geben. Hier hätten, so Theurer, bisher die Landeschefs versagt.

Nix da Kritik: Spezlwirtschaft reloaded

Bayerns Ministerpräsident von der CSU, Markus Söder, widerspricht Theurer im „Spiegel“. Er ist dafür, dass der Rundfunkbeitrag „automatisch in gleicher Höhe wie die Verbraucherpreise steigt und damit die Inflation ausgleicht“. Von dieser Indexierung erhofft er sich Planungsfreiheit. Der FDP-Mann Theurer warf Söder deswegen eine „Spezlwirtschaft“ mit BR-Intendant Wilhelm vor. Zu ergänzen wäre, dass sich Söder auch mit ZDF-Intendant Bellut gemein macht. Und mit den im Norden und Westen der Republik angesiedelten ARD-Anstalten, die ihn und seine CSU bis auf Blut bekämpfen. Ein Hauch Selbstvergessenheit – oder ist es Populismus? – schwingt in Söders Worten mit.

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Doch Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt und Kulturminister dieses Bundeslandes, springt Söder bei. Und er lässt die zwangsbeglückten ARD-Zuschauer viel tiefer in die Karten blicken, als es ihm vielleicht bewusst ist. Robra – vielleicht kennt ihn landauf, landab nicht jeder – ist CDU-Mitglied und Mitglied in der Rundfunkkommission der Länder. Überdies sitzt er im ZDF-Fernsehrat – doch das ist ja fast schon natürlich für einen bekannten Mann in seiner Position. In einem Interview für den Berliner Tagesspiegel erklärte er, warum ein Rundfunkbeitrag von 17,98 Euro problemlos möglich ist. Frei nach dem „Framing-Manual“ bei der ARD redet er zwar von einer „Schmerzgrenze“, und danach erklärt er zwischen den Zeilen, warum auch 20-Euro-Marke für die Zwangsbeiträge bald fallen wird.
25 Euro Rundfunkbeitrag? Ei, warum denn nicht?

Robra zum Tagesspiegel: „Einige Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten betonen, dass in ihren Ländern die Beitragsfrage nicht so entscheidend und deswegen eine stärkere Anpassung möglich sei.“ Er bleibt ungeachtet der vom ZDF längst erhobenen Forderungen nach einer größeren Erhöhung bei 17,98 Euro – vorläufig: „In unserem Bundesland, also Sachsen-Anhalt, wäre das aber eine Schallmauer, die nicht durchbrochen werden sollte.“ Doch das ist, wie man so schön sagt, „weiße Salbe“, denn Robra redet nur von zwei Jahren. Danach möchte er – wie BR-Intendant Wilhelm – auf das Preisindex-Modell umschwenken: „In der Rundfunkkommission wächst die Bereitschaft dazu, dass die Anpassung des Rundfunkbeitrages qua KEF-Verfahren zwei Jahre, also vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2022, gelten soll. Für die beiden Jahre danach könnte ein Indexmodell greifen. Details sind noch nicht fixiert (…) Aus Magdeburg kommt bedingte zustimmung zu den Münchner Plänen, die Rundfunkgebühren an die Inflationsrate zu koppeln: „Es liegt nahe, vom Verbraucherpreisindex auszugehen.“

Freiheit statt Framing
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„Es wird keinen ‚stairway to heaven’ für die Anstalten geben. Der Spar- und Effizienzdruck muss erhalten bleiben.“ Das sagt Robra zwar, doch er glaubt seinen eigenen Worten offenkundig nicht. Denn die Schlussworte des Tagesspiegel-Interviews lassen tief blicken. Der Finanzbedarf der ARD-Anstalten, der durch „Anmeldungen“ offiziell festgestellt wird, also durch Geldforderungen, könnte deutlich höher ausfallen als alle bisher diskutierten Zahlen. Robra lässt durchblicken: „Sehr pessimistisch bin ich bei der Frage, ob die Anstalten zurückhaltend genug anmelden, damit wir überhaupt in diesen Gesetzgebungsvorgang kommen können.“ Was nichts anderes heißt, als dass die ARD-Anstalten den Hals noch lange nicht vollgekriegt haben. So könnten die Forderungen für die mit ARD und ZDF zwangsbeglückten Haushalte schon bald so hoch sein, dass die Schwelle von 20 Euro spielend übersprungen wird.

Und die 25-Euro-Schwelle kommt auch bald in Sicht. Wetten, dass…? Denn über zehn Jahre gerechnet sind kummulierte 20 Prozent locker drin, das ist ja nur der Inflationsausgleich. Und die ARD-Produktionen werden ja nicht billiger, womit auch die 25 Euro eigentlich schon nicht mehr reichen. Der neue Tatort wird, so scheint es, direkt in der GEZ-Zentrale produziert. Und der Kommissar ist zugleich der Täter.

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