Tichys Einblick
Ein unnötiges Flugzeug für die Bundeswehr

Rüstungsmilliarden auf dem deutsch-amerikanischen Freundschaftsaltar

Die Bundesregierung will Ersatz für den "Tornado" beschaffen - in den USA. Dabei könnten die alten Flugzeuge für weit weniger Geld noch ein paar Jahre im Dienst bleiben. Wieder opfert man deutsche Interessen.

PATRIK STOLLARZ/AFP/Getty Images

Die Bundeswehr braucht einen Nachfolger für das Waffensystem Tornado, das in den 1980er Jahren eingeführt wurde. Die Kampfflieger sind seit bald 40 Jahren in Betrieb, ein wahrhaft stolzes Alter. Nach mehrfacher Nachrüstung aber sind Flugzeugtechnik, Bewaffnung und Elektronik für ein Land wie Deutschland, das den Kampfeinsatz des Militärs ohnehin als Teufelszeug abtut, in einem durchaus akzeptablen Zustand. Zumal für wesentliche Einsatzaufgaben der Eurofighter zur Verfügung steht. Lediglich für die nukleare Rolle gilt dies nicht, das kann und darf bisher nur der Tornado, der im Extremfall in der Eifel stationierte US-Atombomben ins Ziel zu tragen hätte. Die nukleare Teilhabe ist allerdings zuvörderst als politische Aufgabe zu verstehen: Ein Mittel, um den Deutschen ein begrenztes Mitspracherecht am Tisch der eigentlich Mächtigen im NATO-Rahmen zu ermöglichen.

Nichtsdestotrotz sucht die Luftwaffe nach Ersatz. Die F35 hat es ihr angetan, das modernste Kampfflugzeug der US-Streitkräfte, das inzwischen auch europäische Bündnispartner fliegen. Mit dessen Kauf würde man aber die Franzosen verärgern, mit denen schließlich für die fernere Zukunft das FCAS entwickelt wird. Die Verträge sind geschlossen. Also kommt nur eine Übergangslösung in Betracht. Ursula von der Leyen hatte zuletzt zwei Flugzeugtypen in die engere Auswahl genommen: Die neueste Version des deutsch-britisch-italienisch-spanischen Eurofighter und anstelle der amerikanischen F-15 nun den US-Kampfflieger F-18.

Ein neues Milliardengrab?
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Die Zweifel nehmen nun zu, ob der Eurofighter rechtzeitig fertig werden kann, um die Zweitschlagsfähigkeit der Bundeswehr nach Aussonderung des Tornado unterbrechungsfrei zu gewährleisten. Und gleichzeitig verengen die USA den Handlungsspielraum von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) allem Anschein nach erheblich. Das Problem ist ein aufwendiger US-Zertifizierungsprozess, der für die nukleare Aufgabe für neue Systeme durchlaufen werden muss. Es sollen nun im Ministerium Schätzungen über Kosten und Zeiträume für die verschiedenen Lösungen vorliegen. Wenig überraschend würde demnach die Zertifizierung des Eurofighter drei bis fünf Jahre länger dauern als beim Konkurrenzmodell der Amerikaner. Nicht nur, dass die F-18 einer früheren Baureihe diese Zulassung bereits besitzt. Geradezu ausgeliefert ist man den Freunden von jenseits des Atlantik dadurch, dass sie den Umfang des Zertifizierungsprozesses und die Zeitabläufe bestimmen. Daher wenig verwunderlich: Das US-Rüstungsprodukt F18 hätte erhebliche Vorteile.

Es ist schon erstaunlich, wie sich die deutsche Seite durch ihr Lavieren um die eigenen nationalen Interessen herum immer wieder in Schwierigkeiten bringt. Es kann weder im Interesse der Luftwaffe noch des deutschen Steuerzahlers liegen, mit der F18 ein ähnlich altes Grundmuster wie den Tornado für eine zeitlich begrenzte Spezialaufgabe mit Milliardenaufwand einzuführen. Die Frage ist also, wie den US-Pressionen zu entkommen ist, ohne die deutschen Interessen auf dem Altar der Freundschaft mit den USA zu opfern.

Die auf der Hand liegende Lösung ist, den Tornado über 2025 hinaus im Dienst zu halten. Das Argument, dass die Kosten für dessen Unterhalt künftig rapide ansteigen würden und die Bundesrepublik für das Geld auch neue Flieger kaufen könne, geht fehl. Untersuchungen zeigen dem Vernehmen nach eindeutig, dass bei Verringerung der Stückzahl auf die für die atomare Abschreckung benötigten 35 Flugzeuge ein Weiterbetrieb mit begrenztem Aufwand möglich ist. Aufgaben außer der atomaren Rolle wie Luft-Boden-Einsatz, Luftaufklärung und elektronischer Kampf könnten an den Eurofighter übergehen. Das wäre in jedem Fall die bei weitem günstigste Alternative: Das Waffensystem Tornado ist eingeführt, Ersatzteile und Instandhaltungseinrichtungen sind vorhanden, technisches und fliegendes Personal sind ausgebildet. Gerade die US-Luftwaffe macht es vor: Die B 52 fliegt seit über 60 Jahren und soll, elektronisch und waffentechnisch auf der Höhe der Zeit, noch weitere Jahre im Dienst verbleiben.

Die beste Langfristlösung: Gemeinsame Abschreckung mit Frankreich

Für die rein politisch zu wertende Einsatzrolle atomare Zweitschlagsfähigkeit ist der Tornado also völlig ausreichend. Es wäre glatter Irrsinn, für eine Übergangszeit mit X-Milliardenaufwand ein weiteres Waffensystem einzuführen. Die Empfehlung für den Erhalt der atomaren Rolle der Bundeswehr kann daher nur lauten: Keine milliardenteure Zwischenlösung mit den USA und auch keine risikobehaftete Umrüstung des Eurofighter, sondern Verlängerung des Waffensystems Tornado bis 2040.

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Das würde genug Zeit verschaffen, um eine ganz andere Langfristlösung ernsthaft zu diskutieren: Nämlich die Avancen der Franzosen ernst zu nehmen und mit ihnen Fraktur zu reden über die Frage einer europäischen atomaren Abschreckung. Dafür müssten ganz dicke Bretter gebohrt werden: in Deutschland (wo das Atom in jeglicher Beziehung zum Hexenwerk erklärt wird) wie auch in Frankreich. In der Vision Strategique von Frankreichs Generalstabschef François Lecointre spielen zwar bisher weder NATO noch EU eine Rolle, die nationale Unabhängigkeit gehört zur Grunddoktrin des Landes.

Andererseits betont Präsident Macron bei jeder Gelegenheit, dass die Europäer ihre Verteidigung endlich in die eigene Hand nehmen müssen. Was denn nun?, könnte man ihn fragen. Vermutlich wären wir aus Sicht der französischen Freunde dabei aber recht schnell bei der Frage nach der Zuverlässigkeit der Deutschen. Unsere Schaukelpolitik zwischen Europa und den USA ohne grundlegende Definition der eigenen nationalen Interessen behindert substanzielle europäische Fortschritte. Das eigentliche Kunststück bestünde darin, die transatlantische Verbindung zu erhalten, aber der EU militärstrategisch auf die Beine zu verhelfen.

Anstelle einer Zukunftsvision wird der Tagespolitik Tribut gezollt. Kramp-Karrenbauer möchte aktuell die militärische Zusammenarbeit mit den USA zur Stabilisierung der Beziehungen stärken. Washington sei der wichtigste Bündnispartner erklärte die Ministerin bei ihrer Antrittsreise. Immerhin könnte ein kommendes Milliardengeschäft der US-Rüstungsindustrie mit dem Beschaffungsauftrag für den Nachfolger der ebenfalls in die Jahre gekommenen CH-53 Hubschrauber in die Waagschale geworfen werden. Erpressbar bleibt die deutsche Seite aber durch die Verschiebung des 2-Prozent-Ziels der Verteidigungsausgaben auf den Sankt Nimmerleinstag. Um des lieben Friedens willen fühlt man sich dann gezwungen, an anderer Stelle nachzugeben. Präsident Trump lässt grüßen.


Von Oberst a.D. Richard Drexl


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