Tichys Einblick
LNG-Terminal vor Rügen

Habecks Ministerium: Deutschland befindet sich nicht im Gasnotstand

„Deutschland hat sich laut Definition nicht in einem Gasnotstand befunden.“ So antwortet Robert Habecks Wirtschaftsministerium auf eine TE-Anfrage. Für den Bau weiterer LNG-Terminals ist das entscheidend.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, 30.03.2023

IMAGO / Political-Moments

Wie sicher ist die deutsche Energieversorgung? Etwa mit Gas? „Deutschland hat sich laut Definition nicht in einem Gasnotstand befunden“, antwortet das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage von TE und betont: „Das wurde auch nie kommuniziert.“ Nur erhalte Deutschland seit September kein russisches Pipeline-Gas mehr. Das sei „einseitig“ auf russische Initiative geschehen und „unabhängig von der Beschädigung der Nord Stream 1“, wie Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsministerium betont.

Die Bundesregierung habe verschiedene Maßnahmen ergriffen, um einer Energienot gegenzusteuern. Dazu gehört laut Ministerium das Füllen der Speicher, das Bereithalten von Ersatzkraftwerken oder das staatlich verordnete Energiesparen. Was das Ministerium in dieser Aufzählung nicht erwähnt, ist das LNG-Gesetz. Bekannt auch als „Beschleunigungsgesetz“ oder „Deutschland-Tempo“. Denn genau dieses Gesetz macht Robert Habeck jetzt Ärger.

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Nach dem LNG-Gesetz können mobile Industriehäfen schneller gebaut werden als vorher. Wichtige Prüfungen fallen weg. Nach diesem Gesetz sollte auch ein LNG-Terminal vor Sellin auf Rügen gebaut werden, wie die Kanzlei Mohr schreibt: „Außerdem heißt es in der öffentlichen Bekanntmachung, das Vorhaben bedürfe gemäß Paragraf 4, Absatz I des LNGG keine Umweltverträglichkeitsprüfung.“ So formulierten es die Rechtsanwälte in einer Stellungnahme, die sie im Auftrag der Rügener Gemeinden Baabe, Göhren, Mönchgut und Sellin abgegeben haben.

Dass die LNG-Terminals im „Deutschland-Tempo“ gebaut werden sollten, wirkt sich jetzt aus – und zwar verheerend: Der erste geplante Standort für den mobilen Industriehafen war Lubmin, das Rügen auf dem Festland gegenüberliegt. Doch dort ist die Ostsee für schwere Tanker zu seicht. Was offensichtlich vorher niemand gewusst oder geprüft hat. Dann sollte es Sellin auf Rügen sein, das liegt mitten in einem Biosphärenreservat. Als es dagegen massiven Widerstand gab, brachte Habeck selbst den Standort Mukran auf Rügen ins Spiel. Der wiederum liegt direkt gegenüber eines Unesco-Weltnaturerbes.

Derzeit bedeutet das „Deutschland-Tempo“ Stillstand, wie Habecks Ministerium TE mitteilt: Es prüfe „seit einigen Wochen intensiv alternative Ostseestandorte“. Ein spannender Zeitpunkt für eine Prüfung. Denn bereits vor zwei Wochen haben die ersten Arbeiten für den Industriehafen vor Sellin begonnen – direkt gegenüber der Seebrücke. Dem Herzstück des Ortes, der vor allem von Touristen lebt. Vor diesem Hintergrund überraschen Teile der Antwort des Ministeriums: „Hierbei gilt es, einen für Mensch, Umwelt und Energieversorgung tragfähigen Standort zu realisieren – all diese Faktoren müssen abgewogen werden. Die Standortentscheidung soll so schnell wie möglich gefällt werden.“

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Wäre die Ostsee vor Lubmin nicht so seicht, wäre es aus Sicht des Ministeriums tatsächlich der ideale Standort. Denn die Häfen sollten mit Blick „auf die landseitigen Anschlussleitungen und die Weiterleitungsmöglichkeiten des Erdgases an Land“ gebaut werden. Zudem sei ein ostdeutscher Standort notwendig „vor dem Hintergrund einer europäischen Energieversorgungssicherheit, insbesondere der osteuropäischen Staaten“. Das LNG-Terminal sei „nicht nur ein nationales, sondern auch ein europäisches Vorhaben“.

Wäre die Ostsee vor Lubmin nur nicht so seicht – aber sie ist es. Das „Deutschland-Tempo“ rächt sich daher. Das wird besonders brisant, wenn Robert Habeck von einer falschen Voraussetzung ausgegangen ist. Da kein Gasnotstand besteht, hätte eben doch eine Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden müssen. Hätten seichte See, Biosphärenreservat oder Weltnaturerbe auf keinen Fall übersehen werden dürfen.

Die Versorgungssicherheit dürfe nicht „auf Kante genäht sein“, erklärt das Wirtschaftsministerium in einem Bericht sein Handeln. Damit setzt Habecks Haus die LNG-Terminals ungewollt in einen Zusammenhang mit der Atomkraft. Aus der kann Deutschland aussteigen, weil es sich nicht in einem Energienotsand befindet. Aber gleichzeitig kann die Politik Umweltzerstörung wie vor Rügen trotzdem durchsetzen, weil ja doch irgendwie Energienotstand bestehe, wenn man die Versorgung „auf Kante“ nähen würde. Robert Habeck und die Grünen sind bereit, den Ausstieg aus der Atomkraft durchzusetzen, koste es, was es wolle – und sei es die geschützte Natur vor Rügen.

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