Bei der CDU in Mecklenburg-Vorpommern müssen seit gestern die Alarmsirenen sirren, und zwar die roten. Barbara Borchardt könnte bald vom Verfassungsschutz ins Visier genommen werden. Die Linken-Politikerin also, die im Mai auch mit Stimmen aus der CDU an der Küste zur Verfassungsrichterin gewählt worden ist. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang hat am Donnerstag in einem N-TV-Interview gesagt, er erwäge, die rote Richterin beobachten zu lassen. Und überhaupt, die Wahl Borchardts sei ein „unerträglicher Vorgang“ gewesen.
Das Sündenregister Borchardts ist lang
Deutliche Worte, die mit Blick auf das Sündenregister Borchardts nur allzu berechtigt sind: Die 64-Jährige, seit 1976 Mitglied der SED und DDR-Diplom-Juristin, ist nicht nur Gründungsmitglied der sogenannten Antikapitalistischen Linken. Einer Gruppe innerhalb der Linkspartei, die die Überwindung der aus ihrer Sicht kapitalistischen Wirtschaftsordnung anstrebt, aber auch insgesamt die freiheitlich-demokratische Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik in Frage stellt. Borchardt hat auch immer wieder mit Äußerungen zum Mauerbau und zu den Mauertoten gezeigt, dass sie tatsächlich zu den Ewiggestrigen zu zählen ist.
Dies alles kann man schon lange wissen. Auch die CDU in Mecklenburg-Vorpommern muss die Biographie Borchardts gekannt haben. Dass sie trotzdem dabei mitgeholfen hat, eine Verfassungsfeindin zur Verfassungsrichterin zu machen, kann eigentlich nur zwei Gründe haben, von denen keiner den Christdemokraten zur Ehre gereicht: Opportunismus und Geschichtsvergessenheit. Offenbar schien es der Landtagsfraktion wichtiger zu sein, gegenüber ihrem Senior-Partner in der Schweriner Koalition, der SPD, Frieden zu halten. Dass die Schwesig-SPD keine Probleme mit Borchardt hatte, darf nicht verschwiegen werden, verwundert aber weniger. Denn es gab in diesem Bundesland auch schon eine Rot-Rote-Landesregierung. Schließlich die Geschichtsvergessenheit: Wir erleben in diesen Tagen ja eine hohe Sensibilität für die totalitären Erblasten aus der Vergangenheit.
Welche Traditionslinien sind identitätsstiftend für unseren Rechtsstaat?
Der Umbennungsfuror, der im Moment umgeht, wird schon von vielen beklagt. Aber trotz solcher Auswüchse ist es im Grundsatz richtig, dass wir öffentlich darüber nachdenken, welche Traditionslinien aus unserer Geschichte wir heute als identitätsstiftend für unseren demokratischen Rechtsstaat empfinden. Nur solche Bemühungen werden absurd, wenn gleichzeitig eine Verfassungsfeindin zur Verfassungsrichterin gewählt wird. Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern hat nur eine Chance, ihre schwarze Weste von den roten Flecken wieder rein zu waschen: Sie muss dafür sorgen, dass Barbara Borchardt schnell wieder abgewählt wird.
Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.