Der Oberverlierer in Rom heißt Matteo Renzi, Ex-Premier und Chef des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD): von 40,81 Prozent bei der Europawahl 2014 auf 19 Prozent 2018.
Alle Parteianführer vom alten Politiker-Typ dürften dem Beispiel Renzi folgen und sich für die italienische Politik disqualifizieren – mit zwei Ausnahmen: Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung und Matteo Salvini von der Lega.
Den Hype Comeback-Berlusconi mit seiner Forza Italia haben die Medien ganz alleine gemacht wie den um Schulz in Deutschland. Matteo Salvini hat mit seiner Opposition gegen Einwanderung gepunktet und sich im Mitte-Rechts-Bündnis an die Spitze gearbeitet: die Lega hat Forza Italia überholt. Das war’s dann wohl mit dem Bündnis, denn der Politiker-Typ Berlusconi ist nie Nummer zwei.
Luigi Di Maio, noch vor kurzem unbekannt, ist 31-jährig an die Spitze der Fünf-Sterne-Bewegung getreten, hat sich von Beppe Grillo emanzipiert: er schloss in Abkehr von Grillo einen Austritt Italiens aus EU und Euro aus und erklärte sich für Gespräche nach der Wahl offen (das hatte Grillo immer abgelehnt). Ihm steht die Bewährungsprobe im politischen Geschäft bevor: interessante Stilprobe, er ließ sich die ganze lange Wahlnacht von den Journalisten kein Statement entlocken.
Di Maio erinnert im Auftritt als Politiker-Typ, aber auch seiner Herkunft nach aus der kampanischen Industriestadt Pomigliano d’Arco nordöstlich von Neapel, stark an Sebastian Kurz. Zufällig sind auch beide noch gleich alt: 31. Die beiden dürften sich nicht kennen, obwohl sie das heute ändern könnten, da Kurz zur Privataudienz beim Papst in Rom weilt. Tatsächlich kennenlernen werden sie sich erst, wenn Di Maio seinen Weg in die erste Reihe in Rom macht. Unabhängig davon ist unübersehbar für mich, dass die Leute in Frankreich, Italien und Österreich vom bisherigen Politiker-Typ, seinen Gesichtern, seinem Tonfall und seiner Lautstärke die Nase voll haben.
Der Wahlsieger im österreichischen Bundesland Kärnten, an der italienischen wie slowenischen Grenze, ist Landeshauptmann Peter Kaiser, der seine SPÖ nahe an 50 Prozent heranbrachte – und damit auf einen Wert zurück, den die Kärntner Sozialdemokraten Jahrzehnte ihr eigen nannten, bis Jörg Haider sie von Platz eins verdrängte, aber das gibt mal eine eigene Geschichte (Fußnote: die Grünen stürzten total ab). Peter Kaiser ist viel älter als Kurz und Di Maio, aber wie diese ein betont ruhiger, stets sachlicher Typ. Allen Dreien, aber auch Emmanuel Macron, ist das Schreierische, andere Beleidigende und Abwertende fremd.
Die Prognose liegt nahe: Wer dieser neuen Sachlichkeit nicht entspricht, hat keine großen Chancen in den kommenden Jahren, überall im politisch westlichen Europa. Das ist ein schlechtes Omen für Frau Nahles, aber auch für Frau Merkel, letztere nicht wegen der Lautstärke ihrer Äußerungen, sondern der Hörschwäche den Sorgen und Problemen der Bürger ihres Landes gegenüber.