Es klingt zunächst wie eines dieser lieben Interviews beim Bericht aus Berlin der ARD, wie wir es so schätzen und gerne mit der Demokratie-Abgabe finanzieren: Fragen nach dem weltbewegenden, innerparteilichen Konflikt bei den Grünen: Cem Özdemir tritt gegen Anton Hofreiter bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden an. Nun ja, und dann die eigentliche Frage nach dem Klima-Paket: Das geht dem grünen Parteichef Robert Habeck nicht weit genug. Als Beispiel erwähnt er doch glatt die Pendlerpauschale, die ab dem 20. gefahrenen Kilometer um 5 Cent erhöht werden soll: Für den Parteichef der „Anreiz, möglichst weit zu fahren“. Aha.
Der Reporter stellt sofort die richtige Frage: Wegen ein paar Cent Pendlerpauschale ziehe doch niemand weiter weg? Naheliegend; die Jobs sind nicht so dicht gesät und hohe Mieten in den Ballungszentren und in der Nähe der Jobs treiben die Beschäftigten aus dem Land; dafür verpulvern sie Lebenszeit und Fahrtkosten. Aber da kennt Habeck weder die Diskussion um steigende Mieten noch die Lebenswelt:
„Bei 3 Cent mehr fürs Benzin und 5 Cent Pendlerpauschale“, da sei doch der Anreiz klar: Auto.
Verdutzt die zweite Nachfrage: Bekanntlich gilt die Pendlerpauschale, die eigentlich „Entfernungspauschale“ heißt, für jedes Verkehrsmittel, Bahn, Bus, Auto, Fahrrad. Nun werden nur besonders sportliche Radfahrer oder Dauerläufer in den Genuss der erhöhten Pauschale gelangen, denn diese wird erst ab dem 21. Kilometer gewährt – und übrigens nur für die einfach Strecke, nicht für zurück oder Mittags zur Siesta daheim: Komplette Ahnungslosigkeit. Es geht gegen die Autofahrer, die bösen Pendler, diese Steuerzahler. „Aber nur ihn Höhe des Bahntickets“, stammelt der erwischte Habeck.
Nun wird das Bahnticket bis zu einer Höhe von 4.500,– erstattet. Und einen um 3 Cent höherer Benzinpreis sagen wir für Kilometer 21-26, was hin und zurück 10 Kilometer bedeutet, verrechnet er mit einer Pauschale von 75 Cent für diese Strecke, die bei der Steuererklärung abgesetzt werden kann und zu einer Ersparnis von vielleicht 30 Cent beim Durschschnitspendler oder noch weniger führt? Das ist der Anreiz, weit weg zu ziehen? Bei einem Durchschnittsverbrauch von rund 5 Liter geht es sich übrigens gerade so aus, das haben sie schlau ausgerechnet in irgendeinem der Ministerien. So sensibel reagieren Bürger? Auf Zehntel-Cent kompliziert errechneter Differenz? Schon mal was von „absetzbaren Werbungskosten“ gehört, Herr Habeck?
Versprechen kann sich jeder, ein Spitzenpolitiker sollte es allerdings nicht. Das ist eine der wenigen Qualitäten, die Politiker brauchen: Beherrschung des Gesagten. Vergessen wir nicht: Der größte tragische Fehler eines Versprechers wäre, wenn er vom Frieden in den Krieg führt. Und etwas Kenntnis vom Steuerrecht sowie der Lebenswirklichkeit der Bürger gehört auch zur Qualifikation eines Berufes, der sonst keinerlei Qualifikation voraussetzt.
Aber hier schlägt Ideologie den Verstand. Es zeigt, wie Robert Habeck und seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock ticken: für Baerbock wird bekanntlch Strom in den Leitungen gespeichert und in Batterien werkeln Kobolde am Vortrieb. Und nun Habeck mit der absoluten Kenntnislosigkeit.
Nein, es sind keine Versprecher, so schlimm sie wären. Es ist der Triumph der Ahnungslosigkeit über das Nachdenken, der Sieg des Plapperns über das Argumentieren. Die Wirklichkeit wird so zurecht gebogen, bis sie in die schlichte Welt der Habeck und Co. passt.
Schlimm genug, dass dieses Land von Kindern getrieben wird – es will wohl auch von körperlich erwachsenen Kindern regiert werden. Da kommt zusammen, was zueinander gehört und die Wirklichkeit bleibt weit draußen vor dem Kinderzimmer.
An diesem Tag ist man der ARD und ihrem Reporter zu Dank verpflichtet. Und gleichzeitig sorgt man sich: Wird dieser Mann bleiben dürfen? Oder wird er wegrasiert für seine kleine, unschuldige Nachfrage im Dienste der Zuhörer und nicht der führenden Partei?