Tichys Einblick
Entscheidung im Bundesrat

Robert Habeck möchte Rügen zum Industriehafen machen

Wirtschaftsminister Robert Habeck möchte Mukran auf Rügen zum Industriehafen für LNG-Gas machen. Im Bundesrat unterstützen ihn die Länder. Eine zwielichtige Rolle spielt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).

Robert Habeck beim Besuch in Vorbereitung auf ein mögliches LNG Terminal auf der Insel Rügen den Fährhafen Sassnitz Mukran (Landkreis Vorpommern Rügen) am 12.05.2023

IMAGO / BildFunkMV

Rügen ist ein Urlaubsparadies. Obendrein ist die Insel Heimat mehrerer Naturschutzgebiete. Wenn es nach Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geht, ist Rügen demnächst auch ein Standort für einen Industriehafen, um LNG-Gas zu verladen. Die Sorge, ob die Insel dann auch weiterhin noch Urlaubsparadies und Naturschutzgebiet bleiben kann, treibt die Insulaner um – doch diese Sorge kümmert Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SPD) nur wenig, wie ihr gemeinsamer Besuch auf Rügen gezeigt hat.

Dabei ist bereits der Standort Mukran im Nordosten der Insel das Ergebnis einer Pannenserie in Habecks Wirtschaftsministerium. Eigentlich sollte das Terminal für LNG-Gas vor Lubmin entstehen. Auf dem Festland gegenüber Rügen. Doch dort ist das Wasser zu seicht. Die mächtigen Öl-Tanker können das Terminal nicht anfahren. Das hatten Habecks Fachleute schlicht übersehen. Daher braucht es nun einen Ersatzstandort auf Rügen.

Das Wirtschaftsministerium arbeitet hastig. Die Ampel hat Habecks Haus mit dem „LNG-Beschleunigungsgesetz“ auch das Werkzeug dafür in die Hand gedrückt. Das Gesetz ermächtigt Habecks Fachleute, manche Verträglichkeitsprüfungen ganz wegzulassen – andere abzukürzen. Mit Folgen: Der nächste Standort, den sie sich ausgeguckt haben, war Sellin im Südosten Rügens. Das liegt mitten im Naturschutzgebiet, ebenfalls hinter einer bedenklich seichten Anfahrrinne und obendrein wäre der Industriehafen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sehenswürdigkeit der Selliner Seebrücke entstanden. All das hatten Habecks Leute in der Eile übersehen.

Trotzdem will die Ampel in der gleichen Hast weitermachen. Die Bundesregierung hat nun das „Gesetz zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes“ in den Bundesrat eingebracht. Zum einen gehe es darum, das Verfahren zu beschleunigen. Zum anderen soll Rügen dauerhaft ein Industriehafen bleiben. Wird es für LNG-Gas nicht mehr gebraucht, soll dort Wasserstoff angelandet werden. Die Länderkammer hat nun die Gelegenheit erhalten, sich zu dem Gesetz zu äußern.

Habecks Pannenserie nach hastigen Entscheidungen ist schon legendär: Die Gasumlage? Ein gefährlicher Flop, den Scholz gerade noch rechtzeitig bremste. Der Heizhammer? Ein Chaos, das die Bundesregierung in mehreren Akten aufführt. Die LNG-Standorte Lubmin und Sellin? Erst nachträglich festgestellt, dass sie nicht tauglich sind. Trotzdem lässt Scholz Habeck weiter hastig werkeln. Trotzdem trägt der Koalitionspartner FDP das mit. Und trotzdem hat der Bundesrat keine Einwände gegen Habecks Vorgehen.

Der nächste Standort, an den Habeck seinen Industriehafen klemmen will, ist Mukran im Nordosten Rügens. Der Ort liegt wiederum direkt an einem von der Unesco geschützten Waldgebiet – und soll laut den Plänen Industriehafen werden. Zuerst für Flüssiggas, dann für Wasserstoff. Von Mukran nach Lubmin muss dann eine Pipeline gebaut werden, um die Rohstoffe zur Weiterverarbeitung zu bringen. Die Einwände der Ortspolitik und der Bürgermeister wischt Habeck weg.

Aufgrund der Entscheidung in Rügen hat Habeck in den vergangenen Tagen seine Tonalität geändert. Während des Atomausstiegs betonte er die sichere Energieversorgung – um diesen Herzenswunsch der Grünen umsetzen zu können. Nun, da er einen Industriehafen im Urlaubsparadies bauen will, beschwört Habeck wieder den möglichen Gasmangel. Denn ohne einen solchen Mangel müsste der Terminalbau durch die üblichen Prüfverfahren – ob das Projekt diese überleben würde, ist fraglich.

Eine zwielichtige Rolle spielt in dem Ganzen Manuela Schwesig (SPD). Die Ministerpräsidentin war anfangs Befürworterin des Terminals, zwischenzeitlich erklärte Gegnerin und versucht sich nun in der Rolle der Zweiflerin. Diese Rolle brachte sie durch einen Antrag im Bundesrat zum Ausdruck. Einerseits soll der geplante Hafen nur bis 2043 genutzt werden – andererseits soll er schon vorzeitig von LNG-Gas auf Wasserstoff umgerüstet werden. Mit diesem Antrag scheiterte Schwesig im Bundesrat.

Stattdessen hat der Bundesrat nur eine Stellungnahme abgegeben. Nun muss der Bundestag darüber entscheiden, ob im Urlaubsparadies und Naturschutzgebiet Rügen ein Industriehafen entstehen soll. In größtmöglicher Eile. Gegen eine eilige Habeck-Entscheidung spricht seine Erfolgsbilanz, für ihn die Wahrscheinlichkeitsrechnung: Irgendwann muss ja mal eine seiner Entscheidungen richtig sein.

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