Tichys Einblick
Medizin gecancelt im Namen der „Pandemie“

Mehr als 50 % der RKI-Protokolle wurden nachträglich geändert

Eine Metadaten-Analyse zeigt, dass mehr als die Hälfte der Sitzungsberichte nachträglich verändert wurde. In einem Fall ist klar, warum: Der normale Umgang mit Grippewellen sollte verschwinden. Das RKI stellt seine Expertise unter den Scheffel – alles im Namen der weisungsbefugten Politik.

picture alliance/dpa | Carsten Koall

Es hatte ein wenig Streit zwischen den Aufklärern gegen das Corona-Maßnahmenregime gegeben, als die Journalistin Aya Velázquez die an sie durchgestochenen vollständigen Protokolle der Krisenstabssitzungen am Robert-Koch-Institut Ende Juli in einer Pressekonferenz zusammen mit ihrem Kollegen Bastian Barucker und dem Finanzwissenschaftler Stefan Homburg vorstellte. Paul Schreyer, Mitherausgeber des Online-Magazins Multipolar, der zu diesem Zeitpunkt noch auf das Urteil in einer Klage wartete, war sich nicht sicher, dass dies die richtige Reihenfolge der Aufdeckungen war. Aber alle Enthüllungen nützen am Ende der Aufklärung. Das zeigt sich auch in diesem Fall.

Denn nun sind es Schreyer und Homburg, die in einem gemeinsamen Beitrag für Multipolar auf Ungereimtheiten zwischen den verschiedenen Protokoll-Versionen hingewiesen haben. Ihr Fund besagt in Kürze: Das auf einer Pressekonferenz am 23. Juli in Berlin veröffentlichte Material stimmt nicht vollständig mit den im Rahmen der Klage von Paul Schreyer an den Journalisten herausgegebenen Version der Protokolle von Januar 2020 bis April 2021 überein. Dieser Beweis gelang Homburg und Schreyer durch einen Zufallsfund im Whistleblower-Material, das Aya Velázquez veröffentlicht hat.

Das Robert-Koch-Institut steht als Fälscher da

Dort fand sich zu mindestens einem Sitzungstag, dem 25. März 2020, noch eine Archivversion des RKI-Protokolls, die in einem wichtigen Punkt abwich. Doch nicht nur das: Die Nachbearbeitung der neuen Version war zudem erst am 3. Januar 2023 geschehen, also fast drei Jahre nach Entstehung. Das war kurz vor der erstmaligen Übermittlung der Protokolle (in stark geschwärzter Fassung) an Paul Schreyer. Und geändert wurde das Protokoll nicht etwa durch einen Fachmitarbeiter, der an der Sitzung teilgenommen hatte, sondern von von Bettina Hanke, der stellvertretenden Leiterin der Rechtsabteilung des RKI.

Bewiesen ist damit, dass das RKI die Protokolle nicht nur durch eine Anwaltskanzlei aufwendig schwärzen ließ, sondern dass daneben auch die eigene Rechtsabteilung Änderungen in den Dokumenten vornahm. Die Zweifel an der Authentizität der durchgestochenen RKI-Protokolle, die versuchsweise in etablierten, vor allem öffentlich-rechtlichen Medien herumgereicht wurden, um den Leak in Frage zu stellen, drehen Schreyer und Homburg damit um: Nun steht das Robert-Koch-Institut als Fälscher da. Und das ist noch nicht alles. Nun berichtet Multipolar, dass auch eine „Analyse der Metadaten der RKI-Protokolle“ zeige, dass „mehr als die Hälfte der Protokolle des Zeitraums Januar 2020 bis April 2021 – die Multipolar freiklagte –, nachträglich vom Robert Koch-Institut (RKI) geändert wurden“.

Die Metadaten-Analyse hat demnach der Programmierer Tom Lausen für Multipolar durchgeführt. Für Paul Schreyer wird damit „die Notwendigkeit einer parlamentarischen Aufarbeitung immer deutlicher“ – also ein RKI-Untersuchungsausschuss im Bundestag. Schreyer kritisiert den „Wust an Unregelmäßigkeiten und mutmaßlichen Täuschungsversuchen“, den Gerichte und zivile Kläger gar nicht mehr aufklären könnten. Das sei nur dem „politischen Willen der Abgeordneten“ in einem U-Ausschuss zuzutrauen.

Grippesaison? Gibt es nicht mehr

Inzwischen hat das RKI die Authentizität der geleakten Protokolle zumindest implizit bestätigt. Das galt laut einigen Beobachtern sogar schon von Anfang an, was sich an der unmittelbar eingenommenen Verteidigungshaltung des Instituts und anderer Beteiligter gezeigt habe. Nun hat das RKI in einer offiziellen Stellungnahme „zwar die Weitergabe der Daten … missbilligt“, aber „nicht deren Authentizität“ bestritten, wie Schreyer und Homburg festhalten.

Auch die konkrete Änderung im Protokoll zum 25. März ist interessant: Im Originalprotokoll, wie es als „Archiv“ in dem Whistleblower-Datensatz enthalten ist, heißt es zunächst: „Die bevölkerungsbezogenen Maßnahmen zeigen Effekt“. Damals – im März 2020 – hatte es nämlich einen Rückgang der Infektionen gegeben, der an Daten aus dem Gesundheitssystem ablesbar war, und die RKI-Experten führten dies auf den eingeführten Lockdown und den allgemeinen Rückgang der Mobilität um 40 Prozent zurück.

Allerdings wandte die RKI-Fachgruppenleiterin für infektionsepidemiologisches Krisenmanagement Ute Rexroth, die zugleich das Protokoll schrieb, an dieser ein, dass man dass nicht mit Sicherheit so sagen könne. Denn man stehe ja „generell am Ende der Grippesaison“. Alle Schlussfolgerungen solle man daher „vorsichtig formulieren“. Doch genau dieser Satz war aus dem Protokoll, wie an Schreyer übergeben, nicht etwa geschwärzt, er war ersatzlos gestrichen worden. Dort war nur die Rede von Hinweisen, dass „die Strategien in die richtige Richtung gehen“, zusammen mit dem Rexroth-Nachsatz: „Aber vorsichtig formulieren!“

Die im Namen der „Pandemie“ gecancelte Medizin

Da war also keine Erwähnung mehr der Grippesaison, denn – so fassen Homburg und Schreyer zusammen – „SARS-CoV-2 sei ein Virus eigener Art, das sich anders als alle übrigen Coronaviren und sonstigen Erkältungsviren unbegrenzt ausbreiten werde“. Daher rührten auch die „Messergrafiken“, wie die beiden schreiben, in denen die Zahl der „Infektionen“ (oder Positiv-Tests) immer weiter in die Höhe steigen, ohne jemals den Eindruck zu erwecken, dass Viruswellen normalerweise auch wieder abebben. Man kann sich noch an den klaustrophobischen Effekt dieser exponentiellen Anstiegskurven erinnern.

Schreyer und Homburg schlussfolgern: „Im RKI-Protokoll vom 25. März 2020 wurde also ein Satz, der die Lockdownpolitik infrage stellte, vor der Herausgabe im Gerichtsverfahren entfernt.“ Ja, mehr noch, es ist ein Satz, der schlichtweg die normale Fachmedizin widerspiegelt und also mit vollem Recht in einem Sitzungsprotokoll des Robert-Koch-Instituts auftaucht. Warum wird ausgerechnet dieser, doch recht unschuldige Satz, gecancelt? Am Ende wurde im Laufe dieser ganzen großen „Pandemie“ die Medizin an sich gecancelt. Die Medizin war – zusammen mit anderen Fachdisziplinen – den politischen Maßnahmen zur „Pandemie-Bewältigung“ mehr im Wege, als dass sie diese unterstützt hätte. Das ist das bittere Zwischenfazit aus den RKI-Protokollen, soweit sie bisher durchleuchtet wurden.

Auch dieser letzte Fund gelang nur zufällig, weil ausnahmsweise der „Archiv“-Ordner zu dieser Sitzung im Whistleblower-Material verblieben war. Es könnte aber, so die beiden Autoren in richtigerweise weiter Annahme, an noch vielen anderen Stellen solche nachträglichen „Korrekturen“ gegeben haben, deren Spuren besser verwischt wurden, obwohl die Bearbeiter und Zeitstempel der Dateien einen Hinweis geben können. Alles könnte also noch viel schlimmer sein. Die Metaanalyse legt nahe, dass das der Fall ist. Erst der Detailblick kann hier Gewissheit schaffen.

„Schützenswert“ war für das RKI die eigene Rolle in der Corona-Zeit

Das beschriebene Beispiel einer Abänderung ex post zeigt daneben vor allem, was das RKI Anfang 2023 als „schützenswert“ betrachtete und dauerhaft den Augen der Öffentlichkeit entziehen wollte, weshalb man dann zeitgleich auch eine Anwaltskanzlei mit den Schwärzungen beauftragte. „Schützenswert“ in diesem perversen Sinn war die eigene zweifelhafte Rolle in der Corona-Zeit und konkret die Instrumentalisierung eines immerhin wissenschaftlichen Hilfsinstituts durch die Politik, die im Grunde totale Unterwerfung unter den Wunsch und Willen der jeweiligen Minister, der man offenbar nicht zu entkommen wusste.

Dabei geht es auch um die Ausblendung des normalen wissenschaftlichen und medizinischen Diskurses, der Pro und Contra kennt und demgemäß man auch im Fall Corona anfangs versuchte, die Gesundheitspolitik mit Erfahrungswerten zu bestreiten. Doch dieser erfahrungsgesättigte Diskurs von Medizinern und anderen Fachleuten rückte im Frühjahr 2020 immer weiter in den Hintergrund zugunsten der Panik und Hysterie, die vor allem aufgrund von Maßgaben aus der Politik gefördert wurden.

Diese Maßgaben sind daneben nun das Hauptobjekt der Corona-Aufklärer, denn sie haben das Gesicht der „Pandemie“ für alle Bürger geformt – immer mittels des Übertragungsriemens Robert-Koch-Institut, das quasi die „fachliche Expertise“ zur offiziell betriebenen Politik für alle Bürger angeblich „transparent“ bereitstellte.

Ministerielles Endziel: „So viele so schnell wie möglich impfen“

Die Protokolle zeigen, dass dies nicht so war. Und das können Schreyer und Homburg mit einigen weiteren Beispielen zeigen, die in die Kategorie „politische Lenkung der Anti-Pandemie-Maßnahmen“ gehören. So wurde die Risikostufe am 29. Juni 2020 auf Ministerweisung hin auf „hoch“ belassen, obwohl die klinischen Zahlen auf ein Minimum gesunken waren. Im Dezember wurde dann festgehalten, dass der ein „politischer Entschluss … schon längst gefasst sei“, wonach es die „oberste Priorität“ war, „so viele Leute so schnell wie möglich [zu] impfen“.

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