Tichys Einblick
Dank Whistleblower voll entschwärzt

Offengelegte RKI-Protokolle zeigen: Nur Pfizer und die Politik wollten „Booster“

Mit den neu freigegebenen Protokollen aus der Nach-Spahn-Zeit wird insbesondere die Ära Lauterbach vermehrt ins Zentrum des Interesses rücken. Ein erster Blick in die Akten zeigt erneut, wie „die Politik“ sich den Seuchenschutz frühzeitig unter den Nagel riss und nicht mehr hergab.

picture alliance/dpa | Wolfgang Kumm

Gut vier Monate ist es her, dass die erste Fassung der damals noch stark geschwärzten RKI-Protokolle dank einer Klage des Multipolar-Herausgebers Paul Schreyer öffentlich wurden. Damals waren es „nur“ etwas über 2.000 Seiten, die irgendwann in der Ära Jens Spahn (CDU) abbrachen. Zwischendurch gab es eine zweite, teil-entschwärzte Fassung von der Hand des neuen Gesundheitsministers Lauterbach, aber wieder nur bis ins Jahr 2021. Das wesentlich Neue bei dieser dritten, vollständig ungeschwärzten Veröffentlichung der RKI-Protokolle ist, dass nun auch die Amtszeit von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zum Gegenstand der Aufmerksamkeit wird. Das ist, wenn man so will, der eigentlich politische Vorgang, der mit dieser Übergabe von Akten durch einen Whistleblower geschieht. Die aktuellen Ministerworte illustrieren das durch Understatement und eine Art Pfeifen im Walde. Auf X schreibt Lauterbach nun: „Das RKI hatte ohnedies vor, mit meiner Zustimmung, die RKI-Files des Corona-Krisenstabs zu veröffentlichen. Jetzt geschieht es ohne dass die Rechte Dritter, auch Mitarbeiter, vorher geschützt worden wären.“ Zu verbergen gebe es „trotzdem nichts“ – was bezweifelt werden darf.

Unsicher war, ob es überhaupt zur Herausgabe der neueren Akten bis zum Sommer 2023 kommen würde, obwohl Lauterbach auch das irgendwann im Mai versprochen hat. Doch auch diese Veröffentlichung wäre mit Sicherheit stark geschwärzt gewesen. Insofern hat diese Whistleblower-Tat doch ihre Vorteile.

Die wesentlichen Gründe für die bis jetzt verbliebenen Schwärzungen – die nun durch den Whistleblower aufgemacht wurden – waren laut der Journalistin Aya Velázquez nicht so sehr diplomatische Verwicklungen mit anderen Regierungen, sondern zum einen die Persönlichkeitsrechte von RKI-Mitarbeitern und andererseits, für die Öffentlichkeit wichtiger, die Geschäftsinteressen der „Impfstoff“-Hersteller.

Was wir schon wussten

Klar war schon bisher, und viele Medien haben es nur nochmals aufgegriffen: Die „Hochskalierung“ der Pandemie und der folgende Lockdown beruhten höchstwahrscheinlich auf einer politischen Entscheidung. Wesentliche Voraussetzung dieses Geschehens war die Steigerung der gemachten Corona-Tests. Im April 2020 ist ein erster Alleingang von Gesundheitsminister Spahn überliefert, der ein Papier „Testen, testen, testen“ ohne Beratschlagung mit der „Arbeitsebene“ erstellte. Dann war da die „Erfindung“ der politisch aufgeladenen Inzidenz durch Kanzleramtsminister Helge Braun und Spahn: Wieder wurde das RKI übervorteilt und musste den Ministervorschlägen Folge leisten, obwohl man die Aussagekraft jeder Inzidenzgrenze (egal ob 35 oder 50) aus fachlicher Sicht sehr bezweifelte. (Gut ist, wenn sich dies nun auch bei der Welt wiederfindet, wenn auch hinter der bei TE abwesenden Bezahlschranke. Bei TE weiß man es eben gelegentlich eher und entscheidet selbst über den Preis. Und ja, Alexander Kekulé hatte den „willkürlich festgelegten Schwellenwert“ schon immer immer kritisiert. „Eine wissenschaftliche Begründung“ habe es nie gegeben.)

 

Hinzu kam ein abgeändertes Format für den R-Wert, das Durchdrücken quarantäne-ähnlicher Maßnahmen, obwohl deren Wirksamkeit zu bezweifeln war und die berühmte Einführung der Masken, die Fachleute damals wie heute für nutzlos hielten und halten. Klar ist auch: Man wusste früh von schweren Krankheitsbildern nach der „Impfung“, dennoch durfte dazu kein Wort an die Presse dringen, nicht aus den geweihten Mündern der RKI-Oberen.

RKI ließ Weisungsrecht des Ministers prüfen

Genug Anlass für Berichterstattung bildet nun zunächst die Pressekonferenz, die die unter dem Pseudonym Aya Velázquez arbeitende Journalistin zusammen mit dem Autor Bastian Barucker und dem pensionierten Professor für Öffentliche Finanzen und ehemaligen Direktor des gleichnamigen Instituts an der Leibniz-Universität Hannover gab. Velázquez war die Adressatin der Enthüllung, ihr übergab der Whistleblower – ein ehemaliger Mitarbeiter des RKI – die vollständigen Aufzeichnungen aus vier Pandemiejahren, wie es heißt, aus Gewissensgründen.

Tatsächlich besitzt das RKI auch heute noch mehr als 1000 Mitarbeiter, die – so Stefan Homburg in der Pressekonferenz – im Glauben der Öffentlichkeit eine Art reine Wissenschaft betreiben und die Politik in der Folge beraten hätten, und die Politik war danach so nett, sich nach diesem Rat zu richten. So weit das geschönte Bild der Öffentlichkeit vom Zusammenwirken von Fachleuten und Politikern in einer angehenden gesundheitspolitischen Krise (egal ob dieselbe nun durch ein Virus, eine Pandemie ausgelöst wurde oder durch politische Entscheidungen). In der Tat müsse man sich aber das ganze Verhältnis genau umgekehrt vorstellen, so Homburg.

Seine Beweisstücke legte er im Livestream auf X vor: Im September 2021 ließ demnach die Führung des RKI die „Weisungsbefugnis des Ministers“ bei technischen Dokumenten des RKI rechtlich prüfen. Diese Prüfung zeigt an, dass es dem RKI keineswegs recht war, dass der Gesundheitsminister (damals noch Jens Spahn) in diesen engeren Bereich der RKI-Expertise hineinregierte, anstatt sich auf politische Entscheidungen zu beschränken.

Lauterbachs Impf-Agenda und Propaganda im Brennpunkt

Kurz darauf zeigte sich das Hineinregieren ins Technische an Äußerungen des Ministers. Im Oktober 2021 empfahl Spahn allen die sogenannte „Booster-Impfung“, obwohl die laut RKI-Files von der Ständigen Impfkommission (Stiko) noch gar nicht empfohlen worden war. Daneben legte Spahn auch die „doppelte Impfung von Genesenen“ nahe, wozu damals weder dem RKI noch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Daten vorlagen.

Ab dem März 2022 – inzwischen hatte die SPD das Gesundheitsministerium übernommen – sprach Karl Lauterbach erstmals von einer möglichen „Sommerwelle“, die – so Homburg – ja auch dieser Tage wieder im Gerede ist, diesmal wegen Abwasserdaten aus der Landeshauptkloake Berlin. Man erinnert sich auch an die Wortgebilde der Corona-Jahre im engeren Sinne, als Lauterbach immer wieder von „nachlassender Immunität“ sprach und auch den für Viruserkrankungen erschwerenden Effekt der sommerlichen Jahreszeit in Abrede stellte. Obwohl die Inzidenzen schon seit 2020 immer wieder im Sommer stark fielen.

Enthüllte Geheimdokumente
Corona: Die immer noch unterschätzte Staatsaffäre
Stefan Homburg fasst die mehr als drei Jahre RKI-Protokolle so zusammen: Im März 2020 habe sich die Leitung des RKI „ersichtlich befremdet“ darüber gezeigt, was politisch passiert. Ein nie gesehener Leerstand von 50 Prozent in den Kliniken erregt das Staunen und Zweifeln der Fachleute. In der Tat sei die Zahl der Erkältungen völlig normal gewesen. Diese Distanz des Anfangs weicht mit der Zeit zunehmend der Überzeugung, an wichtiger Stelle und in zweifellos gehobener Position an einem Geschehen von mindestens nationaler Relevanz teilzunehmen, eben der weltweiten „Pandemie“, wie sie sich auf Bundesebene spiegelte. Als Lauterbach dann im März 2023 diese Pandemie auch für Deutschland für beendet erklärte, nimmt Homburg ein Leerlaufen der RKI-Denker wahr, die nun nicht mehr wissen, was sie eigentlich die letzten drei Jahre verwaltet haben, wenn all das nun so plötzlich zu Ende sein soll. Eine globale Pandemie könne man nicht auf nationaler Ebene für beendet erklären, so die RKI-Experten. Aber man hatte sie eben drei Jahre zuvor in vielen Ländern nach und nach entstehen lassen und – oft mit ministeriellen Äußerungen – begründet. Für Homburg gab es nur eine „politische Deklaration“ einer Pandemie, die man beendete, als dies politisch opportun erschien.
Velázquez: RKI hätte vor falscher Medikation schützen müssen

Christian Drosten trat – zumindest kurzzeitig – für eine „externe Isolierung“ von positiv auf Corona getesteten Personen ein. Das ist die Enthüllung, mit der Aya Velázquez aufwarten kann, und zwar aufgrund einiger bisher geschwärzter Stellen aus dem Jahr 2020. Drosten hatte bisher in der Presse verlauten lassen, dass er eigentlich gar nichts gegen eine Entschwärzung seines Namens in den Protokollen habe. Tatsächlich, so Velázquez, gab er aber keine Erlaubnis für die Aufhebung der Schwärzung seines Namens. In einer der nun aufgedeckten Stellen wird er zitiert. Am 22. Juni 2020 heißt es: Erkrankte Personen, die „in überbelegten Wohnungen leben“, sollen vier Tage aus dem häuslichen Umfeld herausgenommen und an einem anderen Ort isoliert werden (Vorschlag aus einer Beratung mit dem Berliner Senat). Wir haben es wohl nur dem Desinteresse der Politik zu verdanken, dass eine „chinesisch-australische Lösung“ mit Corona-Lagern an dieser Stelle unterblieb.

Daneben soll Drosten seine „wissenschaftlichen“ Ansichten auch durchaus an politischen Entscheidungen orientiert haben, wie seine zurückgezogene Stellungnahme zu einer Einschränkung der Testpraxis zeigt: Weil die Bundesregierung in dieser Detailfrage eine andere Position vertrat, zog Drosten sein Statement zurück. Velázquez geht außerdem von einem Interessenkonflikt aus, weil Drosten oder einer seiner Freunde indirekt auch an dem von ihm entwickelten Corona-Test verdient hätten. Velázquez geht von einer Steuerverschwendung von mindestens zehn Milliarden (10.000.000.000) Euro aus.

Eine weitere Trouvaille von Velázquez: Als das RKI sich im Frühjahr 2020 schon offen zeigte für eine Verkürzung des Zulassungsprozesses für die „Corona-Impfstoffe“ um die kritische Phase III, da wusste das Institut schon um die dann auf es zukommenden Herausforderungen. Dazu gehörten eine „gute Risikokommunikation“ und eine „entsprechende Post-Marketing-Surveillance“ (Überwachung nach der Markteinführung), um auftretende Impfkomplikationen schnell zu erkennen. In der Literatur wurde damals laut RKI das sogenannte „immune enhancement“ diskutiert, also eine „schwere Erkrankung durch Impfung“ durch ein übermäßig aktiviertes Immunsystem.

Für Aya Velázquez steht fest: „Für eine oberste Seuchenschutzbehörde reicht es nicht aus, die Bevölkerung vor der Gefahren durch Viren zu schützen, sondern auch vor unverantwortlicher Medikation.“ Aus Sicht der Journalisten hätte das RKI in dieser Lage der Verkürzung der Fristen und wohl auch der Lizenz für die Impfstoffe schlechthin widersprechen müssen.

— Aya Velázquez (@aya_velazquez) July 23, 2024

Booster-Impfungen allein von Pfizer und der Politik verlangt

Auch Velázquez weist noch einmal darauf hin, dass die Empfehlungen für die „Booster-Impfung“ im Grunde ein reines Spiel zwischen der Politik und der Pharma-Industrie – konkret Pfizer – waren. Die Wissenschaft, also in diesem Fall das RKI, die WHO, das britische SAGE-Gremium und anderen, blieb außen vor beziehungsweise war in diesem Moment noch bei der Diskussion. Am 30. Juli 2021 hieß es: „Empfehlungen zu Booster stellen sich als komplex dar (…).“ Dann bald der Schlüsselsatz: „… vor allem von Politik und Pfizer gefordert … bisher nicht ausreichend Daten vorhanden …“ Die einzigen Ausnahmen scheinen Israel (mit „sehr engem Impfschema“) und verschiedene chinesische Impfstoffe gebildet zu haben.

Das bedeutet: Trotz mangelnder Daten und einer manifesten Unentschiedenheit der Fachleute folgte man den Forderungen von Pfizer und der Politik und bewarb aggressiv – wie oben schon gesehen, auch ohne Rücksprache mit dem RKI – die dritte, sogenannte „Booster-Impfung“, die leisten sollte, was die ersten beiden nicht geleistet hatten. Übertroffen wurde das freilich nur durch die Forderung nach der vierten und fünften „Impfung“, die ihrerseits wiederum mit einem immer mehr erhöhten Risiko der Impfreaktion und schwerer Nebenwirkungen einhergingen.

Kommen wir zurück zur Verantwortung von Karl Lauterbach, der seit Dezember 2021 Gesundheitsminister ist. Am 7. Januar 2022 finden sich in den RKI-Protokollen die Worte: „BMG (Bundesministerium für Gesundheit, Anm. d. Verf.) möchte vermutlich Ausnahmen für Geboosterte für 3 Monate. Geimpfte müssen irgendwelche Privilegien erhalten, dies muss in Einreiseregelung enthalten sein.“ Hier zeigt sich wiederum ein Eingreifen des zuständigen, durch unabgestimmte Wortmeldungen und Weisungsrecht gegenüber dem RKI mächtigen Ministers. Der Wille, den „Geimpften“ und „Geboosterten“ Sonder- und Vorrechte zu verschaffen, spiegelte, wie bekannt, den Wunsch nach stärkerer Vermarktung der „Impfung“ und nach Erfüllung dieses politischen (?) Ziels der Ära Spahn/Lauterbach wider. Und schon am 15. Dezember 2021 hatte Lauterbach – ganz frisch im Amt – „auch eine Booster-Impfung von Kindern aus ministerieller Seite angedacht, obwohl dazu keine Empfehlung und teils keine Zulassung besteht“, so das RKI-Protokoll jenes Tages.

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