Tichys Einblick
Mit Ditib und Milli Görüş in einem Boot

Rheinland-Pfalz: Staatsvertrag mit Extremisten als Modellversuch

In Mainz soll es einen Staatsvertrag mit Islamverbänden geben. Doch die sind teils nationalistisch, teils fundamentalistisch gegen das deutsche Grundgesetz gerichtet. Wissenschaftsminister Hoch spricht dennoch von einem Zeichen mit Ausstrahlung. Dabei teilt sogar sein Ministerium viele der Einwände.

picture alliance / imageBROKER | Thomas Frey

Mit der Ampel ist es aus – aber nicht ganz. In Rheinland-Pfalz hält sich noch das Konstrukt aus drei Parteien, die im Bund nicht zueinander gepasst haben wollen. Im Juli übernahm der neue Ministerpräsident Alexander Schweitzer das Amt von der Langzeit-Vorgängerin Malu Dreyer, die seit 2013 Regierungschefin gewesen war – unter anderem verantwortlich für die Katastrophe im Ahrtal und ihre mangelhafte Bewältigung. Diese mittlerweile elfjährige Ampel will diese Woche ein weiteres ihrer berühmten (sicherlich) ‚Zukunftsprojekte‘ abschließen: den Staatsvertrag mit vier islamischen Verbänden. Und das einzige Problem ist einmal mehr, dass sich anscheinend keine vollkommen respektablen Vertragspartner finden lassen.

Für Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) geht es um ein „wichtiges Zeichen, das über Rheinland-Pfalz hinaus Wirkung“ entfalten soll. Die Verhandlungen waren laut Presseecho besonders „langwierig“. Aber das heißt noch nicht, dass das Ergebnis gut ist. Schon 2013 hatte man die Verhandlungen begonnen, 2016 dann wegen des Putschs in der Türkei ausgesetzt. Letztes Jahr nahm man die Gespräche nach mehreren Gutachten wieder auf. Thema der Gutachten war zuerst, ob es sich um „religiöse Gemeinschaften“ im deutschen Sinne handelt (angeblich fraglos der Fall), dann, ob die Gemeinschaften auch mit der hiesigen Verfassungsordnung vereinbar sind.

Am Freitagnachmittag will man den Vertrag mit den fünf beteiligten Parteien unterzeichnen und Details vorstellen. Gerüchteweise ging es um die flächendeckende Einführung des islamischen Religionsunterrichts. Die Muslime gelten mit einer Gesamtzahl von angeblich rund 200.000 – niemand weiß das jedoch genau – als die drittstärkste Religionsgemeinschaft in Rheinland-Pfalz nach den beiden großen Kirchen. Gut ein Viertel der Muslime im Land sind schulpflichtige Kinder (53.900 im letzten Schuljahr 2023/24).

CDU gegen Antisemitismus, AfD für Abbruch, Ampel zufrieden

Aber es regt sich auch Kritik an dem geplanten Vertragsschluss: Die Landtagsfraktion der CDU vermisst ein klares Bekenntnis der islamischen Verbände zum Existenzrecht Israels. Wenn die Verbände diesen „Lippendienst“ leisten würden, sähe man in der CDU wohl auch über ihre zweifelhafte Verfassungstreue hinweg, die man gleichwohl verhalten kritisiert. Die Verbände müssten sich „zu unserer Verfassung, unseren Werten und vor allem auch zu unserer Staatsräson bekennen“, sagte CDU-Fraktionschef Gordon Schnieder. „Das Existenzrecht Israels ist Teil davon.“

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Joachim Paul schloss einen „Staatsvertrag mit extremistischen Islamverbänden“ aus. Man dürfe nicht über „verstörende Praktiken wie Ehrenmorde und Zwangsverheiratung“ hinwegsehen. Das sei insbesondere nicht mit der Gleichberechtigung der Frau vereinbar. Folglich gebe es nur den Abbruch der Verhandlungen, zumal die vier beteiligten Verbände nur einen kleinen Teil der rheinland-pfälzischen Muslime verträten. Hier würden neue „Amtskirchen“ ohne repräsentative Grundlagen geschaffen.

Und die FDP? Die fällt als Kritikerin aus, sie ist ja noch Teil der Mainzer Ampel. SPD und Grüne behaupten tatsächlich, auch sie besäßen „rote Linien“. Die werden nur leider durch nichts, durch keine öffentliche Äußerung von Gewicht erkennbar. Vielmehr feiert man auf diesem Gebiet, jede auch noch so fragwürdige Einigung als Schritt zu mehr Gleichberechtigung und (sicher auch) „Buntheit“. Man muss wiederum nur an die jahrzehntelange Kooperation im „Terrornest“ Hamburg mit dem dortigen Schura-Rat und der aus Teheran gelenkten Blauen Moschee unter zahllosen SPD-Bürgermeistern denken.

Sogar das Ministerium hat noch Einwände

Beteiligt wurden laut der Staatskanzlei vier Verbände, und jeder von ihnen weist Probleme auf. Da ist zunächst die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V., das bekannte Einflussinstrument der türkischen Regierung. Die deutschen Ditib-Verbände sind direkt der türkischen Religionsbehörde Diyanet und ihrem Großmufti unterstellt, der vom Staatspräsidenten Erdogan persönlich bestimmt wird.

Es kommt aber noch besser: Sogar das Wissenschaftsministerium Rheinland-Pfalz hat einen kleinen Katalog an Beanstandungen zu Ditib veröffentlicht, deren „enge Verflechtung“ mit Diyanet zum Teil „aufzuheben“ sei. Das ist etwa dasselbe, wie die Behauptung, man könne in einem Verein Mitglied sein, akzeptiere aber nicht dessen allgemeine Geschäftsbedingungen, als wolle man zu einem Leseclub gehören, aber den Mitgliedsbeitrag nicht bezahlen. Bemängelt wird eine „Verflechtung auf drei Ebenen“, und als erste Ebene wird „die mögliche Mitgliedschaft türkischer Beamter in Leitungsgremien“ von Ditib RLP genannt. Außerdem sei die „Entsendung von Religionsbeauftragten (Imamen)“ aus der Türkei kritisch zu sehen und die „Verflechtung zwischen der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V. und dem Vorstand der DITIB-Bundesebene“. Der gilt offenbar als besonders infiziert von türkischer Beeinflussung. Und doch ist es natürlich die Bundesebene, die den Kurs der Ditib-Gemeinden vorgibt, und am Ende die in der Türkei sitzende Diyanet.

In den verschiedenen Schura-Verbänden – bekannt etwa aus Hamburg, Bremen und Niedersachsen – tummeln sich die verschiedensten islamischen Gemeinschaften. In Hamburg, wo Olaf Scholz als Bürgermeister einen Staatsvertrag mit dem dortigen Schura-Rat schloss, gehörten auch Vertreter des Irans dazu. Erst als diese Tatsache zu viele Kreise zog, wurden sie aus dem Rat gedrängt. Aber noch immer ist für die Öffentlichkeit völlig unklar, welche Gruppen sich hier zusammengefunden haben.

Überhaupt gehören die verschiedenen „Schura“-Räte nicht notwendig zusammen. Nun also gibt es auch einen in Rheinland-Pfalz. Auch in letzter Zeit – so wieder das alles wissende, aber nicht danach handelnde Wissenschaftsministerium – sind acht Moscheegemeinden aus dieser Schura aus- und neun eingetreten. Die neuen Mitglieder gehören durchgängig zur Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), die nicht unmittelbar für ihre Liberalität bekannt ist. Religionsrechtlich (nach dem einschlägigen Artikel 140 GG) sei auch dies nicht zu bemängeln. Wohl aber will das Land Rheinland-Pfalz auch hier eine Besserung seines Vertragspartners in der nächsten Zeit sehen. Die Schura Rheinland-Pfalz (Landesverband der Muslime) e. V. müsse etwa „ihre Einstellung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung klarstellen“.

Gütesiegel für Nationalismus und islamkonforme „Ordnung“

Man kann hier fast etwas salopp sagen: Die schärfsten Kritiker der Elche sind selber noch welche. Das Land schließt Verträge und kritisiert seine Partner, die in Zukunft für Religionsunterricht und Seelsorge zuständig sein werden, in einer Weise, dass dem mündigen Bürger Hören und Sehen vergehen muss. Vertragsschlüsse mit womöglich grundgesetzwidrig ausgerichteten Gruppierungen sind möglich und aus Sicht der Verantwortlichen anscheinend unvermeidbar. Denn jetzt sind sie nun einmal da. Auch islamische Feiertage, Begräbnisvorschriften sowie die Schaffung mehrerer Professuren für islamische Religionspädagogik waren Thema der Verhandlungen.

Vor allem ist das Bundesland besorgt, es könne durch die neu eingetretenen Moscheegemeinden zum „organisatorischen oder institutionellen Einfluss von weiteren Dachverbänden“ kommen. Das Problem bestehe derzeit „bei sechs der neu eingetretenen IGMG-Gemeinden“ (Millî Görüş), könne aber grundsätzlich „alle Mitgliedsgemeinden der Schura Rheinland-Pfalz betreffen, sofern sie Mitglied in einem weiteren Dachverband sind“. Das müsse „insgesamt behoben werden“. Und bis dahin? Gibt es Salafismus auf Probe, als „Modellversuch“ an rheinland-pfälzischen Schulen!

Der Verfassungsschutzbericht 2023 kommt zum Ergebnis, dass „islamistische Strömungen wie die „Millî Görüş“-Bewegung“ nach Einflussnahme im politischen Raum streben und „versuchen, über politische und gesellschaftliche Einflussnahmen eine nach ihrer Interpretation islamkonforme Ordnung durchzusetzen“. Milli Görüş bedeutet übrigens „nationale Sicht“ und ist eines der Schlagworte der vom Erdogan-Mentor Necmettin Erbakan begründeten Bewegung.

Der andere ist „Adil Düzen“, auf Deutsch „gerechte Ordnung“, die im Gegensatz zum menschengemachten Recht nach deutschem Standard steht. Die „gerechte Ordnung“ ist freilich das Leben nach den „von Gott offenbarten“ Regeln des Koran. Alle anderen Systeme gelten Millî Görüş als „nichtig“ und müssen ersetzt werden. Millî Görüş ist also offen verfassungsfeindlich und antidemokratisch. Aber das Land Rheinland-Pfalz meint, Probleme wie dieses im Stuhlkreis lösen zu können. Schura und Ditib sehen sich jeweils „auf einem guten Weg“, um die Vorgaben des Landes zu erfüllen. Ein paar Satzungsänderungen sollen hier das Schlimmste reparieren, wie das Web-Portal IslamiQ angibt. Aber Ditib bleibt eben Ditib, und Millî Görüş sicher Millî Görüş.

Studentenwohnheime und Anti-Schweinefleisch-Mission

Vollkommen tugendhaft („nicht zu beanstanden“) sind aus Sicht des Mainzer Wissenschaftsministeriums nur der Landesverband Islamischer Kulturzentren Rheinland-Pfalz e. V. (LVIKZ) und die Ahmadiyya Muslim Jamaat K.d.ö.R. (AMJ). Denn beide gehören keinen an sich schon verfassungsfeindlichen Dachverbänden an. Aber auch dem LVIKZ wird etwa vorgeworfen, in islamischen Studentenwohnheimen ein strenggläubiges Islambild vermittelt zu haben, wie die AfD-Fraktion Rheinland-Pfalz in einer Pressemitteilung zum geplanten Staatsvertrag schreibt. In der Tat betreibt der Bundesverband VIKZ Studentenwohnheime in vielleicht zwei Dutzend deutschen Städten. Jüngst zeigte man dem Bundespräsidenten und der Kölner Oberbürgermeisterin die Pläne für eine neu zu errichtende Verbandszentrale in Köln-Müngersdorf, die „offen, transparent und im Austausch mit dem urbanen Umfeld“ stehen soll.

Zur Ahmadiyya-Gemeinde, einer relativ jungen Glaubensabspaltung, sind seit längerem ungute Nachrichten bekannt. So hat auch Islam-Expertin Prof. Susanne Schröter in der Bild erklärt: „Ehen werden gewöhnlich von den Älteren arrangiert.“ Immer wieder komme es „zu Ehrenmorden, wenn junge Frauen sich nicht unterordnen wollten“. In einem Jugendjournal wurde Nichtmuslimen dazu geraten, auf den Verzehr von Schweinefleisch aus gesundheitlichen Gründen zu verzichten. Unter anderem, so der vierte Kalif der Ahmadiyya, könne der Verzehr des Fleisches Homosexualität auslösen. Ein „schamloses Tier wie das Schwein prägt oder unterstützt die Ausprägung gewisser Verhaltensweisen des Konsumenten“, heißt es in dem Journalbeitag von 2007. Das woke Deutschland war auf den Barrikaden gegen diese Einschränkung der Rechte Homosexueller.

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