Bis zuletzt hat Olaf Scholz (SPD) eine Koalition im Bund mit Grünen und der Linken nicht ausgeschlossen. Erst als diese Option bei der Bundestagswahl keine Mehrheit fand, war sie vom Tisch. Keine anderthalb Jahre später erscheint das wie eine Anekdote aus einer weit entfernten Epoche. Neben ganz rechts gesellt sich im Bundestag das Feindbild ganz links dazu. Nun folgt eine Koalition aus Ampel und CDU/CSU dem Kanzler im wichtigsten Thema der Stunde: dem Krieg in der Ukraine.
Viel Raum zum Angriff ließ Scholz Merz damit nicht. Dem blieb an der Regierung folglich nur die Stilkritik, dass der Kanzler zu zögerlich und zu wenig mutig agiere. Die substanzielle Kritik des Oppositionsführers richtete sich an den Rest der Opposition im Bundestag. Ganz links sei sich mit ganz rechts einig, wenn es darum gehe, den Ukraine-Kurs der Bundesregierung nicht mitzutragen. Auf der Berliner Großdemonstration am Wochenende hätten Abgeordnete der Linke bewusst Täter und Opfer im Krieg miteinander vermischt. Und Sahra Wagenknechts Äußerung, Vergewaltigungen gehörten zum Krieg, sei zynisch gewesen.
Erst nachdem sich Bartsch von den Regierungskritikern aus seiner Partei distanziert hatte, setzte er sich für deren Argumente ein. Deutschland begehe den gleichen Fehler wie in der Corona-Pandemie. Jeder werde diffamiert, der es nur wage, Kritik an der Bundesregierung zu äußern. Das führe zu einer „unsäglichen Vereengung des Meinungskorridors. Das schadet der Demokratie in Deutschland.“ Indirekt griff Bartsch auch die Berichterstattung über den Krieg an. Vor der Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, sei so getan worden, als ob alle anderen westlichen Länder das ebenfalls tun würden. Erst danach habe sich gezeigt, dass kaum ein anderes Land Deutschland folge.
Bartsch warnt vor einer Eskalation – der deutschen Unterstützung. Direkt nach der Ankündigung, Deutschland werde den Leopard-Kampfpanzer liefern, seien die erwartbaren Forderungen nach einem Mehr aus der Ukraine gekommen. Und er bezweifle, dass Deutschland diesen Forderungen nicht erneut nachgeben werde. Dem Kanzler bot Bartsch eine Wette an, von der er hoffe, dass er sie verliert: Noch in diesem Jahr werde Deutschland wie gewünscht Kampfjets an die Ukraine liefern, prophezeit der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag.
Viel Raum lassen die Fronten zwischen Mitte und Links sowie Rechts im Bundestag nicht mehr. Jemand, der sich in diesem Raum bewegt, ist der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rolf Mützenich. Auch er sieht sich zum Beginn seiner Rede zu Treueschwüren genötigt – seine zielen in Richtung Ukraine-Politik des Kanzlers. Dessen Unterstützung für das angegriffene Land ebenso wie der Vorsicht, die Scholz dabei walten lasse.
Deutschland wird die Ukraine weiter unterstützen. Dafür steht die Zusammenarbeit, die SPD, CDU, Grüne, FDP und CSU in der Aussprache signalisiert haben. Ob Deutschland im Inland aber die nächste Spaltung verhindern kann, ist mehr als fraglich. Das Vokabluar zur Spaltung ist schon längst da. Was in der Pandemie die „Covidioten“ und die „Impfskeptiker“ waren, sind in der Ukraine-Frage die „Friedensschwurbler“ und die „Lumpenpazifisten“. Zu denen zählen die Regierungsanhänger vor allem die Linken.