Der frisch gewählte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat seine Genossen in eine peinliche Lage gebracht. Der Ministerpräsident persönlich durchbrach die zuvor beschworene totale Brandmauer zur AfD, die letztlich ihn selbst wieder an die Macht gebracht hat, nachdem der mit AfD-Stimmen gewählte Kurzzeitministerpräsident Thomas Kemmerich von der FDP unter dem Druck aller anderen Parteien, auch der eigenen, und der Bundeskanzlerin zurückgetreten war.
In Erfurt wurde am Donnerstag ein Vizepräsident des Landtages gewählt. Eigentlich kein besonders wichtiges Ereignis. Üblicherweise werden dieses Ämter, die keine politische Macht bedeuten, sondern vor allem mit Repräsentation und der Leitung von Debatten verbunden sind, Parteien übergreifend gewählt. Nur im aktuellen Bundestag wurde es zu einem Politikum, weil bislang alle Kandidaten der AfD nicht die notwendige Stimmenzahl erreichen konnten. In Erfurt schaffte dies der AfD-Kandidat Michael Kaufmann nun.
Brisanz bekam der Vorgang aber erst, als ausgerechnet der frisch neugewählte Ministerpräsident Bodo Ramelow von der LINKE, der noch unmittelbar nach seiner Wahl dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke bei der Gratulation den Handschlag verweigerte, in der Thüringer Allgemeinen bekannt gab, dass er den AfD-Kandidaten mitgewählt habe: „Ich habe mich sehr grundsätzlich entschieden, auch mit meiner Stimme den Weg frei zu machen für die parlamentarische Teilhabe, die jeder Fraktion zugebilligt werden muss.“ Die Bild zitiert ihn so: „Mir gefällt weder die Partei noch hege ich Sympathien für Herrn Prof. Kaufmann, aber ich achte die Parlamentsregeln.“
Achten also die Bundestagsabgeordneten, die die AfD-Kandndaten durchfallen ließen, diese Regeln Ramelow zufolge nicht? Offenbar. Nun fühlte sich jedenfalls Ramelows Genosse, der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat, genötigt, einen Tweet zu löschen, in dem er sich zuvor noch darüber empört gezeigt hatten, dass CDU und FDP den AfD-Kandidaten gewählt hatten. Offenbar hatte er Ramelow so viel Wendigkeit nicht zugetraut.