Laut der Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler liegt die Staatsverschuldung Deutschlands aktuell bei mehr als 2,5 Billionen Euro. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hatte der Bund im Herbst 2023 rund 1,7 Billionen Euro Schulden angehäuft, 600 Milliarden Euro betrug die Gesamtschuld der Länder. Hinzu kommen die Defizite der Gemeinden, die im dritten Quartal bei 151 Milliarden lagen. In einer neuen Studie weist der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen darauf hin, dass das gar nicht die Gesamthöhe der Verschuldung ist, die durch schon gemachte und zu erwartende Regierungsentscheidungen bewirkt wird. Insgesamt kämen demnach – je nach Szenario – zwölf oder auch fast 20 Billionen Euro Schulden auf Deutschland zu, vor allem durch einen ausufernden Sozialstaat und mangelnde Ausgabendisziplin.
Daneben spielt ein Faktor eine nicht ganz unwichtige Rolle: die Zuwanderung. Sie wird seit Beginn der großen Migrationskrise (von 2015 bis zur Gegenwart) als ein Allheilmacher gegen Arbeitskräftemangel und Rentennot präsentiert. Aber diese Behauptung enthält viel Ideologie und hat keine Basis in den Tatsachen. Das lässt sich auch aus von staatlicher Seite bereitgestellten Daten ablesen.
Wie tragbar sind die Entscheidungen der Politik?
Was Raffelhüschen zusammen mit zwei Kollegen im Auftrag der Stiftung Marktwirtschaft errechnet hat, lässt sich so zusammenfassen: Durch den weitgehend illegalen Zuzug von rund 300.000 Asylbewerbern pro Jahr kommen langfristig zusätzliche Schulden von 5,8 Billionen Euro auf Deutschland zu. Die Hauptrolle bei dieser Bilanz spielt offenbar die Frage, ob die Zuwanderer in Deutschland auch berufstätig werden und, wenn ja, in welchem Maße sie zur Wertschöpfung beitragen.
Verwendung findet dabei eine Methode, die sich Generationenbilanzierung nennt und in den 1990er-Jahren entwickelt wurde. Durch eine Schätzung der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben des Staates zeigt sich, wie tragbar Entscheidungen der Politik aus ökonomischer Sicht sind. So ergibt sich eine „implizite Schuld“, die aktuell zwar noch nicht besteht, aber durch die politischen Entscheidungen und Tendenzen im Grunde schon beschlossen ist.
Was in der Überschrift als Bilanz auftaucht, ist – wie die Autoren präzisieren – tatsächlich auch eine „fiskalische Bilanz der zukünftigen Migration“. Es geht Raffelhüschen und seinen Mitautoren Stefan Seuffert und Florian Wimmesberger um eine Zuwanderung, die zwar noch nicht geschehen, aber schon heute absehbar ist, weil die regierenden Parteien von Grün und Schwarz nicht erkennen lässt, dass sie wirksam dagegen vorgehen wollen oder (in ihrem politischen Koordinatensystem) könnten.
Sechs Jahre bis zur Integration? Nicht einmal sie kommen sonst vor
In einer Vorgängerstudie von 2018 hatte der angesehene Ökonom, der einst auch die Bundesregierung beriet, geschätzt, dass jeder Asylbewerber über seine Lebenszeit die staatlichen Haushalte in Deutschland insgesamt mindestens 225.000 Euro kosten würde – das galt aber nur, solange man von den „unrealistisch-optimistischen“ Voraussetzungen der Bundesregierung ausging. „Unter lediglich optimistischen oder gar unter realistischen Annahmen dürften die Kosten um ein Vielfaches höher liegen“, legte sich Raffelhüschen schon 2018 fest. Diese Einschätzung bestätigt er nun durch seine neue Studie „Ehrbarer Staat? Fokus Migration. Zur fiskalischen Bilanz der Zuwanderung“.
Die Integrationsdauer von sechs Jahren hat Raffelhüschen in seiner Studie eingeführt, um die Zahlen realistischer zu machen. Landläufig wird in der Wirtschaftswissenschaft ohne sie gerechnet. So werden im internationalen Maßstab Zahlen und Realitäten geschönt. Eine sofortige volle Integration in den Arbeitsmarkt ist bei der Immigration durch „Flucht“ und „Asyl“ unwahrscheinlich. Gäbe es die sechs Jahre bis zur Integration nicht, wären es aber immer noch 450 Prozent des BIP, die bestehenden und kommenden Generationen von Steuerzahlern aufgebürdet werden.
Daneben hat Deutschland Probleme mit hohen Staatsausgaben
Ein Deutschland ohne jeden Zuzug – also etwa das Modell Japan – hätte laut der Studie eine Nachhaltigkeitslücke in Höhe von rund 350 Prozent des BIP. Diese 13,6 Billionen Euro fehlen uns, weil Deutschlands Sozialversicherungen reformbedürftig sind. Das Rentenproblem ist zusammen mit dem ausufernden Sozialstaat die große „implizite Schuld“ der Bundesrepublik. Dies zeigt aber zugleich, wie sehr die Konzentration der Politik auf das Management der Zuwanderung und ihrer Folgen von unseren eigentlichen Problemen ablenkt – und diese so noch verschlimmert.
Der fortgesetzte Zuzug in derzeitiger Form wird die Bundesrepublik also 150 Prozent ihres BIP kosten. Das sind die genannten 5,8 Billionen Euro: „Die fiskalische Bilanz zukünftiger Migration ist daher negativ und beträgt für die angenommenen 293.000 Zuwanderer pro Jahr knapp das Anderthalbfache der gegenwärtigen jährlichen Wirtschaftsleistung.“ Die Zahl von 293.000 Zuwanderern im Jahr wurde freilich schon 2023 deutlich überschritten, wenn man den Familiennachzug mitrechnet, für den im vergangenen Jahr 125.000 Visa ausgestellt wurden. Auch die „Integrationsdauer“ wird bei vielen Zuwanderern mehr als sechs Jahre betragen. Raffelhüschen hat hier lediglich einen Mittelwert formuliert.
Offen bleibt allerdings die Frage, bis wann diese ökonomische Phantasie von Raffelhüschen & Co. reicht. Denn klar ist ja auch: Je länger man den Zyklus mit den 300.000 Asylanträgen im Jahr fortschreibt, desto gravierender müssen die meist negativen Folgen sein. Die Frage ist also, bis in welches Jahr Raffelhüschen hier geschaut und gerechnet hat.
Der demographische Wandel als Antrieb der Zuwanderungspolitik
Zu den relevanten Tendenzen unserer Zeit gehört daneben der demographische Wandel, der auch von der Regierung und dem mit ihr verbundenen polit-medialen Komplex gerne herangezogen wird, um die fortgesetzte Asylmigration zu rechtfertigen. Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Sozialversicherungen seien dabei bis heute noch gar „nicht spürbar“, stellen Raffelhüschen und seine Mitautoren in ihrer neuen Studie fest. Es zeichne sich aber ein „Ende der Ruhe vor dem Sturm“ ab.
Raffelhüschen hat berechnet, was das den deutschen Staat und die deutschen Steuerzahler langfristig kosten wird. Zunächst weist er darauf hin, dass die Vergrößerung der Bevölkerung bei annähernd gleichbleibender Altersstruktur – und das ist ja im Grunde das Ziel der aktuellen Migrationspolitik – keinen Mehrwert darstellt. Die Verschuldung steigt in diesem Fall nämlich linear an, bleibt bezogen auf den einzelnen Einwohner gleich. In diesem Fall hätte die Zuwanderung also einen Nicht-Effekt. Sie hat aber auch tatsächliche Wirkungen, die aber meist nicht positiv sind.
Nur durchgehend qualifizierte Zuwanderer könnten nützen
Zuletzt machen die Studienautoren noch einige Alternativrechnungen auf, um Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen – in der vielleicht eitlen Hoffnung, dass die Politik ihnen zuhören und ihre Studie mit Interesse lesen könnte. Wenn man etwas besser qualifizierte Zuwanderer für Deutschland gewinnen könnte, würde sich die Nachhaltigkeitslücke verkleinern. Wenn die Hälfte der Zuwanderer eine Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss hätte, dann würde sich die Nachhaltigkeitslücke um 64 Prozentpunkte verkleinern. Wenn man diesen Faktor mit einem sofortigen Eintritt in den Beruf verbinden könnte, gäbe es aber immer noch eine kleine zusätzliche Belastung von 36 Prozentpunkten.
Daneben ist eine solche Verbesserung mit der herrschenden Asylzuwanderung sicher nicht zu machen. Diese Art der Zuwanderung ist der Garant für geringst gebildete Zuwanderer, die nicht leicht in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Und wenn es passiert, verdienen sie immer noch weitaus weniger als der Durchschnitt der Einheimischen.
Nun werden die Verwirrtesten unter den Grünen vielleicht schon tief Luft holen. Das war ja auch nie gemeint, werden sie sagen. Mit seinen großzügigen Asyl- und Flüchtlingsregelungen wollte Deutschland ja nie wirtschaftlichen Erfolg erwerben. Allerdings haben Rote, Grüne und andere Woke seit Jahren genau das als Zweitbotschaft in die Migrationsdebatte eingestreut, dass wir „Zuwanderung“ ja ohnehin bräuchten, um unseren Arbeitskräftebedarf zu decken und – so hallte es nur an zweiter Stelle hinterher – um die deutsche Wirtschaftskraft zu erhalten. Einzelne Wirtschaftsstimmen sprachen gar kuscheltier-besoffen von einem neuen „Wirtschaftswunder“. Nun erweist sich nicht nur an der empirischen Realität, sondern auch durch in die Zukunft blickende Studien wie die von Raffelhüschen, dass alle diese Botschaften Täuschungsmanöver waren, viele davon arglistiger Natur, weil die Sprecher um das Trügerische seiner Behauptungen wussten.
Davon ist zum Beispiel im Fall Olaf Scholz auszugehen, der noch letztes Jahr die Behauptung wiederholte, die Zuwanderer durch „Flucht“ und Asyl würden die Renten der Deutschen sichern. Als halbwegs ökonomisch Gebildeter musste Scholz schon damals wissen, dass das nicht funktionieren wird. Er sagte es trotzdem, weil es andere vor ihm gesagt hatten und es sich auch irgendwie gut anhört. Es ist leider nicht wahr, wie nun die Raffelhüschen-Studie mit definitiver Schlagkraft beweist.
Deutschland ist „humanitärer“ Spitzenreiter
Interessant ist eine kleine Tabelle, die zeigt, wie sich vier besonders häufig verglichene Länder in Bezug auf die Zuwanderung schlagen. Verglichen werden Zahlen des Jahrs 2019. Australien, Deutschland, Kanada und die USA stehen für vier Modelle der Zuwanderung, die teils radikal voneinander verschieden sind. Am meisten tanzt die Bundesrepublik aus der Reihe, vor allem durch den einmalig hohen Wert bei der „humanitären Migration“, die hierzulande 47 Prozent der Zuwanderung ausmache. Damit hängt teilweise auch die „familiäre Migration“ zusammen, die in Deutschland 32 Prozent ausmachte. Nur 21 Prozent (!) der Zuwanderung nach Deutschland hingen direkt mit einer aufzunehmenden Erwerbstätigkeit zusammen.
Auf die eigene Bevölkerung bezogen, besaß Deutschland damit den zweithöchsten Zuzug. Nur Kanada schlug uns deutlich durch eine Kombination der zweitstärksten Arbeitsmigration (5.201 Personen pro Million Kanadier, 45 Prozent) mit einem erheblichen Zuzug aus humanitären Gründen (33 Prozent) bei insgesamt 11.526 Zuwanderern pro einer Million Kanadier. Kanada ist unter Trudeau woke bis kulturmarxistisch aufgestellt, aber es legt immer noch einen gewissen Wert auf Erwerbsmigration. Außerdem scheint das Land noch einigen Platz zu haben, eine Erwärmung des Klimas könnte dem Land weiter nützen.
In den USA machte die humanitäre Zuwanderung nur elf Prozent aller Migranten aus (nur 326 Personen pro einer Million Amerikaner). Australien ließ sogar etwas mehr, nämlich 596 Migranten pro eigener Bevölkerungsmillion aus humanitären Gründen ins Land; das waren 20 Prozent der Gesamtzuwanderung von knapp 3.000 Einwanderern pro einer Million Australier. In Deutschland hatten wir einen höheren Wert von 3.646 Zuwanderern pro Bevölkerungsmillion. Die USA lagen noch knapp unter dem Niveau Australiens.
Rote, Grüne und Woke setzen auf unqualifizierte Asylbewerber
Am Ende ihrer Studie halten Raffelhüschen und Kompagnons fest, dass die Migrationspolitik „von großer Bedeutung für die fiskalische Nachhaltigkeit in Deutschland“ sei, letztlich aber „hinter den reformbedürftigen Sozialversicherungen nur die zweite Geige“ spiele. Das zentrale Problem bei der Nachhaltigkeit des deutschen Wirtschaftssystems sehen die Autoren in der Höhe der staatlichen Leistungen, „insbesondere in Hinblick auf die altersspezifischen Sozialausgaben“ – also die Ausgaben für Kinder und Alte, die mittelfristig ein Defizit von 347 Prozent des BIP verursachen. Die Studie heißt, wohl auch deshalb, „Ehrbarer Staat? Fokus Migration“.
Abschließend lässt sich festhalten: Durch eine sofortige Schließung der Grenzen für angeblich „Schutzsuchende“ würde Deutschland nichts verlieren, sondern mittelfristig das Anderthalbfache seiner Bruttoinlandsprodukts gewinnen. Zur Sicherheit der Rente deutscher Einzahler tragen die Asylzuwanderer nichts bei, auch nicht zur Entlastung des Staats, die nur durch ein Überwiegen der Erwerbszuwanderung über die humanitäre mit unweigerlich folgender Arbeitslosigkeit und Bürgergeldbezug zustandekommen könnte. Aber davon ist Deutschland weit entfernt. Vielleicht nützt also nur ein kräftiges „Türen zu“. Dazu hat auch der Wirtschaftsforscher Raffelhüschen eine klare Position: „Jede Form der Zuwanderung hat unmittelbar in den Arbeitsmarkt zu erfolgen, eine Zuwanderung in soziale Sicherungssysteme ist an den Außengrenzen Europas zurückzuweisen.“