Die Rede von Robert Habeck war eigentlich eine Tat der Feigheit, zumindest wenn man sie nicht dem Spitzenpolitiker der Grünen und Wirtschaftsminister zuordnet, sondern derjenigen rechtlichen Person, der sie zugeordnet werden muss: der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Natürlich hätte, und viele haben das bemerkt, diese Rede eigentlich vom Bundeskanzler kommen müssen oder vom Bundespräsidenten als den nach allgemeinem Empfinden und nach der Verfassungspraxis höchsten Repräsentanten des Gemeinwesens. Diese Reden kamen aber nicht, es gab sie nicht. Dafür schickte man den jünger wirkenden, rhetorisch fluffigen Vizekanzler vor, der – zuerst nur auf Deutsch – sozusagen das Terrain sondieren sollte. Vermieden werden sollte, dass ein Repräsentant des „alten“, weißen Deutschland (dazu gehört in gewisser Weise auch noch die SPD mit ihren Politikern) sich an dieser Stelle exponierte und dann vielleicht in das mediale Sperrfeuer aus linke Postkolonialisten und Muslimverbänden gekommen wäre.
Dabei wäre es protokollarisch die Aufgabe des Bundeskanzlers oder zumindest des Bundesinnenministers (wenn wir einen hätten) gewesen, den Brechern des bundesrepublikanischen Konsenses und zahlreicher Gesetze ihre umgehende Abschiebung anzukündigen, ganz nach Habecks Worten: „Für religiöse Intoleranz ist in Deutschland kein Platz. Wer hier lebt, lebt hier nach den Gesetzen dieses Landes.“ Das Preisen des Terrors der Hamas sei eine Straftat: „Wer Deutscher ist, wird sich dafür vor Gericht verantworten müssen, wer kein Deutscher ist, riskiert außerdem seinen Aufenthaltsstatus.“
Die Festlegung des Bundeskanzlers in all diesen Fragen umging man, indem man jenen Repräsentanten nach vorne schickte, der schon durch die Parteifarbe Deutschlands Selbstaufgabe und Unterwerfung signalisiert. Die arabischen Untertitel waren dann nur noch das letzte Geschenk an die multikulturelle, diverse Gesellschaft in Deutschland.
Hamas-Unterstützer geben sich die Hände
Und so war es kein Wunder, dass diese Gesellschaft sich überhaupt nicht beeindruckt zeigte von Habecks Rede. Am Freitag erhob sie erneut ihr Haupt in einer Demonstration lupenreiner Islamjünger in Essen, deren schon äußerliche Erscheinung jeden, der hinschaute, mit Unglauben füllen musste. Man war gewissermaßen instinktiv, gefühlsmäßig davon ausgegangen, dass solche Versammlungen auf deutschen Straßen nicht stattfinden können.
Nicht, wenn ihre Teilnehmer die Schwarze Fahne des Islam (der Taliban, des IS, des Islamischen Dschihad) schwenken und dazu ein pflichtschuldiges „Allahu akbar“ rufen, ein Spruch, der die unvergleichliche Größe des einen Gottes Allah hervorhebt, irgendwo zwischen „Allah ist größer (als alles andere)“ und „Allah ist am größten“. Der gläubige Muslim wird daraus immer ableiten, dass sein Gott auch größer als die hiesige Rechtsordnung ist, so wie etwa auch der türkische Präsident Erdogan kürzlich in Istanbul sagte: „Der einzig Siegreiche ist Allah.“
Noch weniger hätte man diesen Essener Aufzug für möglich gehalten, da dessen Teilnehmer Transparente hochhalten wie: „Eine Ummah / eine Einheit / eine Lösung / Khilafah“, wobei das letzte Wort arabisch für „Kalifat“ ist. Es gab aber noch mehr: „Muslime leiden / Herrscher schweigen“. Oder auch gerne auf Deutsch: „Das Kalifat ist die Lösung“. Auf einem weiteren Plakat wurden die heutigen Generäle dazu aufgerufen, der „Saladin“ unserer Tage zu sein. Saladin war der Gegner der Kreuzritter um den König von Jerusalem, Guido von Lusignan. Und apropos Umma, Erdogan traf sich gerade mit dem iranischen Außenminister. Zwei Hamas-Unterstützer geben sich die Hände.
Verfassungsfeindliche Symbole im Dutzend
Es waren um die 3.000, die sich so in Essen versammeln und durch die Innenstadt marschieren konnten (Essen wie NRW sind übrigens CDU-regiert). Laut Informationen der Bild waren unter den Demonstranten auch Mitglieder der seit 2006 verbotenen Hizb-ut-Tahrir-Bewegung („Partei der Befreiung“), die genau das fordert, was auf dem Pickup, der die Demo anführte, zu lesen stand: das Kalifat als „Lösung“ für die Probleme nicht nur des Nahen Ostens. Der Wortführer Ahmad Tamim sagte in einer Rede, alle Muslime müssten für die Palästinenser zusammenhalten. Schon am vergangenen Sonntag hatte Ahmad Tamim in einer Rede auf dem Berliner Alexanderplatz behauptet, die Meinungsfreiheit sei beim Thema Palästina „stark eingeschränkt“ und von „ungerechten Herrschern“ gesprochen, gegen die man ein offenes Wort führen müsse. Er tut das niemand scheint ihn zu hindern.
Die Essener Polizei sah angeblich eine „sehr laute und sehr emotionale, aber friedliche“ Demonstration und folglich keinen Grund zum Einschreiten. Bei einem unfriedlichen Verlauf wäre die Polizei eingeschritten, wie sie auch im Vorhinein mitgeteilt hatte. Das eingegangene Bildmaterial von dem Aufmarsch will man aber noch auf „strafrechtliche Relevanz“ prüfen. Auf anderen Bildern zeigen junge verschleierte Frauen den sogenannten „IS-Gruß“, den erhobenen Zeigefinger der meist rechten Hand. Die Frauen im bodenlangen Tschador gingen getrennt von den Männern, genauer gesagt: Sie liefen hinter ihnen, mit einem Abstand von einigen Metern. Viele trugen einen Gesichtsschleier, der Mund und Nase verdeckte.
Der Psychologe und Islamkritiker Ahmad Mansour schrieb auf der Plattform X, er und andere hätten wiederholt gewarnt vor Bewegungen wie „Realität Islam“, „Generation Islam“ oder „Muslim Interaktiv“, die offenbar versuchen, mit jungem Gesicht und neuen Herangehensweisen, junge Muslime im Sinne des politischen Islam zu organisieren. Die Essener Demonstration zeigt, dass man damit an einer Stelle erfolgreich war. Indirekt forderte Mansour ein Betätigungsverbot für die genannten Gruppen, da sie eine „offensichtliche Nähe zur verbotenen Hizb ut-Tahrir“ aufwiesen. Mansour fragt: „Wie konnte das passieren? Wer trägt dafür die Verantwortung?“
Demonstrationen gegen den Terror der Hamas wurden untersagt
Hier muss man sich offenbar an die erlaubenden Behörden und letztlich an deren politische Führung in der CDU-geführten Landesregierung – den Innenminister – wenden, die vorab über den Aufzug informiert wurden. Hatten diese Stellen und Personen wirklich nicht die Kenntnisse, die der Kritiker Ahmad Mansour nun im Internet ausgebreitet hat? Was machen Aufmärsche wie dieser mit der „öffentlichen Sicherheit“? Warum sind Plakate mit den israelischen Geiseln der Hamas in Berlin nicht möglich, warum durfte der ehemalige Abgeordnete Marcel Luthe nicht eine Demonstration gegen den Hamas-Terror durchführen, aber diese Verherrlichung des Terrorismus konnte stattfinden? Auch inwiefern das Vermummungsverbot hier noch galt, wäre eine Untersuchung wert.
Die Organisation „Generation Islam“ hatte die Essener Demonstration unter dem Motto „Gaza unter Beschuss“ angemeldet. Laut Bild kamen auf den Aufruf hin „radikale Salafisten“ aus ganz Nordrhein-Westfalen zusammen. Die Hizb ut-Tahrir, die offenbar im Hintergrund des Essener Aufmarsches steht, lehnt die parlamentarische Demokratie ab und strebt die Errichtung eines globalen Kalifats an, in dem dann natürlich die Scharia angewandt würde.
Auch in anderen Städten gab es am Freitag erneut „pro-palästinensische“, oder vielleicht sollte man nach den Essener Bildern besser sagen, radikal-islamische Demonstrationen. In Frankfurt kam es zu neun Festnahmen.
Am Sonnabend soll nun eine Großdemonstration in Düsseldorf mit bis zu 1.000 Teilnehmern folgen, die um 14.30 Uhr am Hauptbahnhof beginnen soll. In Münster werden ab 14 Uhr um die 750 Teilnehmer erwartet. In Berlin sollen es insgesamt um die 10.000 Anti-Israel-Protestler werden, darunter auch viele aus der einheimischen linken und linksextremen Szene. So hört man von der Berliner Polizei, auch „viele aus dem linkspolitischen Spektrum, die auch in diesem Jahr bereits zur revolutionären 1.-Mai-Demo aufgerufen haben“, hätten zu einer Demo mit 2.000 Teilnehmern mobilisiert. In Berlin sollen sämtliche Aussagen untersagt sein, die „antisemitisch, antiisraelisch und gewalt- oder terrorverherrlichend“ wären. Doch schon jetzt rechnet die ohne Zweifel überforderte Hauptstadt-Polizei mit „israelfeindlichen Sprechchören, Plakaten und Transparenten“. Wenn die Lage eskaliere „und wir eingreifen müssen, wird es keine schönen Bilder geben“. Man darf gespannt sein.
Habecks Missverständnisse und wie er sie aus dem Weg räumte
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Bundesregierung hat die teils um Jahrzehnte zu spät kommenden Verbote von Hamas und der linksextremistischen Samidoun hinter sich gebracht. Weitere Verbotsverfahren warten schon auf sie, die der Bundeskanzler aber diesmal nicht im Voraus im Bundestag ankündigen sollte, um es den Verfassungsfeinden nicht allzu leicht zu machen.
In Wahrheit wollte Habeck mit seiner kleinen Video-Ansprache dafür sorgen, dass nicht Dinge „vermischt“ werden, die er und die Seinen lieber getrennt sähen. Er sagte das gleich zu Beginn, mit der daraus folgenden Ankündigung, die Dinge „entwirren“ zu wollen. Zu dem von ihm zu Entwirrenden scheint auch die Schlussfolgerung weiter konservativer oder auch liberaler Kreise zu gehören, dass man keine weiteren Israelhasser und Antisemiten in Deutschland aufnehmen sollte, weil ihr bisheriges Verhalten nur das Schlimmste für ihr Verhalten in diesem Land vermuten lässt. Das wäre vermutlich schon das wichtigste „Missverständnis“, das Habeck mit seiner so wohlformulierten Rede aus dem Weg räumen wollte – tatsächlich erscheint es als durchaus angemessenes Verständnis der Lage, in der Deutschland schon heute ist.
Habeck wollte und will verhindern, dass man den Zustrom stoppt, indem er Abschiebungen angekündigt hat. Sie werden nicht kommen, das zeigt schon die Nichtumsetzung der lange vorher bekannten Inhalte seiner Rede sowohl durch die hier lebenden Muslime (geschenkt), aber auch durch die sich ahnungslos gebende NRW-Behörden und die Landespolizei, die das Demonstrationsgeschehen erst noch analysieren wollen, um dann festzustellen, ob es sich hier vielleicht am Ende doch um eine Preisung des Terrors der Hamas handelte. Auf die Konsequenzen wird man offenbar noch länger warten müssen.