Tichys Einblick
Russland errichtet ein Protektorat und Europa knickt ein

Putins große Pläne für Syrien – und warum Merkel mitspielt

Der Flüchtlingsansturm überfordert Deutschland eben doch - und jetzt folgt die Kehrtwende der gescheiterten Hereinholungs-Politik Merkels: Sie kungelt mit dem Kriegsherrn Assad und überlässt Putin Syrien als Proketorat. Die Waffe Mensch wirkt und Putin triumphiert mit seiner Langfriststrategie über Deutschlands Kurzzeitgedächtnispolitiker.

Es gab eine Zeit, da träumte  ich davon, bei Politikern gäbe es so etwas wie eine Grundvernunft – und ein natürliches Verantwortungsbewusstsein für das ihnen anvertraute Staatswesen. Leider ist es mit diesen Träumen wie mit so vielen anderen – sie zerplatzten. Doch damit nicht genug – nun steigen ständig neue Schaumblasen auf,  die beim Zerplatzen hässliche Schmutzspuren hinterlassen. Über die Unsinnsentscheidung, die Tore Deutschlands völlig unkontrolliert zu öffnen , um eine Gemengelage aus Bürgerkriegsflüchtlingen, Wirtschaftsimmigranten und vermutlich auch fanatischen Religionsideologen ins Land zu lassen, welche dann noch schmollend mit einer unbegrenzten Einladung an die Beladenen dieser Welt garniert wurde, will ich gar nicht mehr reden. Denn auch, wenn dieses Thema unsere nicht mehr ganz so reiche Republik noch über Jahre, vielleicht Jahrzehnte beschäftigen wird, ist es im politischen Tagesgeschäft fast schon wieder jenseits der Agenda des Aktuellen.

Putin ist zurück auf der Bühne Europas

Dort hat sich dieser Tage ein neues, aber eigentlich altes Thema etabliert: Der Umgang mit Russland und dessen Präsidialdiktator Vladimir Putin. Jener – darauf wies ich in zwei vorangegangenen Artikeln hin – hat einmal mehr Fakten geschaffen, indem er im gut geplanten Handstreich die Voraussetzungen für ein russisches Protektorat in Syrien schuf. Um die Schmerzen des Westens ob dessen dortigen Versagens zu lindern, garniert der Kremlchef dieses mit dem „wohlmeinenden“ Angebot, sich mit dem Westen über die Bekämpfung des Islamischen Staats abzustimmen – ja vielleicht sogar zu verbünden.

Und schon purzeln sie, die selbsternannten Außenpolitiker unserer vielleicht naiven, vielleicht aber auch berechnenden großkoalitionären Bundesregierung. Allen voran die Bundeskanzlerin, die in der sogenannten Flüchtlingsfrage deutliche Formschwächen offenbarte, erzählt nun plötzlich, man müsse zur Beendigung des Syrienkrieges auch mit Assad sprechen. Mit jenem Assad wohlgemerkt, dessen Geheimpolizei und Mordgeschwader diesen Krieg erst haben eskalieren lassen und der ungerührt mit sogenannten „Fassbomben“ sein Volk terrorisiert und zum Exodus zwingt. Diesen Sinneswandel seiner Chefin erkennend, legte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gleich noch einen drauf, empfahl die sofortige Gesprächsaufnahme mit Putin und ein Überdenken der gegen Russland gerichteten Sanktionen. In einem hat Gabriel ohne Zweifel recht: Gespräche mit Assad zu führen ist ungefähr so, als würde man mit einer am Blütenkelch sitzenden Honigbiene die Übergabe des Bienenkorbes verhandeln wollen. Denn Assad verfügt schon lange nicht mehr über irgend etwas, über das zu sprechen sich mit ihm lohnen würde.

Wenn Gespräche über eine Befriedung Syriens – wie immer man sich diese vorzustellen hat – geführt werden sollen, dann müssen diese nun tatsächlich mit dem neuen Kolonialherren Putin geführt werden. Und um diese Gespräche tatsächlich führen zu können, müssten unsere Chefdiplomaten nicht nur wissen, was sie selbst wollen, sondern sich auch im Klaren darüber sein, was Putin will. Bei der ersten dieser Prämissen können wir derzeit einen Totalausfall konstatieren. Weder hat „der Westen“ irgendein abgestimmtes oder nicht abgestimmtes Konzept, was er in Syrien zu erreichen gedenkt, noch hätte er auch nur den Ansatz einer Idee, wie dieses nicht vorhandene zu erreichen wäre. Alles, was dort derzeit das Denken dominiert, ist die Panik vor einer unbegrenzten Fortsetzung des vorgeblich so sehr benötigten Zustroms junger, hochqualifizierter  Menschen, die sich bei näherem Hinschauen zu einem nicht geringen Anteil als junge Männer ohne in Deutschland nutzbare Ausbildung erweisen.

Russland verlässt Syrien – oder auch nicht

Das sieht beim Kremlchef deutlich anders aus. Hier lohnt es sich, einen kurzen Blick zurück zu werfen – um am Ende ein Totalversagen des Westens feststellen zu müssen.

Russland hat dank der Sippe Assads auf dem Gebiet des früheren, französischen Alawitenstaates in Tartus seinen letzten Marinestützpunkt am Mittelmeer. Dieses erklärte von Anfang an das hochgradige Interesse Putins an dem sich abzeichnenden Konflikt. So überraschte es die westlichen Beobachter, als in der ersten Hälfte des Jahres 2013 eine russische Zeitung veröffentlichte, dass Russland sowohl sein militärisches wie sein ziviles Personal aus dem seinerzeit nicht unmittelbar  bedrohten, seit 1971 bestehenden Stützpunkt zurück zog. In diesem Jahr 2013 schien die Welt noch weitgehend in Ordnung. Russland und der Westen kooperierten, auch wenn die Töne deutlich schärfer geworden waren. Doch gemeinsam freute man sich auf die völlig überdimensionierte Winterolympiade in der russischen Kaukasuskolonie der Tscherkessen im kommenden Frühjahr.

Was Putin nun konkret bewogen haben mag, den Stützpunkt Tartus quasi aufzugeben, wird seine Ursache kaum in weltpolitischen Entwicklungen gehabt haben – es sei denn seine Geheimdienste befürchteten angesichts der sich anbahnenden Zusammenarbeit der Islamfundamentalisten in der Türkei und in Ägypten,  Erdogan und Mursi, dass Tartus in das Zentrum eines Prozesses der Islamischen Übernahme durch diese Mächte geraten könnte. Wahrscheinlicher allerdings ist es, dass Putin in jenem Frühjahr 2013 von einem massiven Einsatz der USA und der NATO ausging, um den syrischen Krieg zu beenden, und er nicht in eine solche Aktion verwickelt werden wollte. So absurd das heute klingen mag – ein gut ausgebauter, geräumter Stützpunkt Tartus hätte sich für die amerikanische Mittelmeerflotte angeboten, um Syrien vom Westen ebenso wie aus der Türkei, dem Irak und Jordanien in die Zange zu nehmen. Vielleicht war Putins Rückzug mit genau dieser Erwartung begründet, wohl wissend, dass es ihm in einem Nachkriegssyrien kaum hätte verweigert werden können, seinen Marinestützpunkt nun erneut zu übernehmen. Das allerdings ist bloße Spekulation – und vielleicht bewogen den Kremlherrscher damals auch ganz andere Überlegungen, seinen letzten Mittelmeerstützpunkt aufzugeben. Der Westen mit dem mehr als kriegsmüden Obama an der Spitze verzichtete darauf, diese Chance zu nutzen.  Erst in der zweiten Hälfte des  Jahres 2014 starteten die USA, nachdem zwischenzeitlich der militärische Erfolg des radikalislamischen Islamischen Staat nicht mehr zu übersehen war, eher halbherzig Luftschläge gegen diese in der Weise eines Guerillakrieges erfolgreich vorgehende Organisation.

Der Maidan und die Mission Novo Rossjia

Zwischenzeitlich allerdings war weltpolitisch einiges geschehen. Die ukrainische Maidan-Bewegung hatte – aus russischer Sicht mit massiver Unterstützung durch den US-Geheimdienst CIA – den prorussischen ukrainischen Präsidenten zur Flucht veranlasst. Und damit – da dieses genau in die Putin-Festspiele der Sotchi-Winterolympiade des Jahres 2014 fiel – dem Russenherrscher seine von ihm so dringend gesuchte, internationale Anerkennung  verhagelt.

Putin reagierte blitzschnell, ließ in einem hybriden Krieg, dessen Merkmale  sein Generalstabschef Gerassimow ein knappes Jahr zuvor in Russland präsentiert hatte, erst die Krim mit ihrem russischen Militärstützpunkt Sewastopol  völkerrechtswidrig annektieren und Teile der ukrainischen Region Donbass mit Freischärlern besetzen. Offenkundiges Ziel des Kremls war es, die südlichen Provinzen der Ukraine von Kiew abzutrennen und so über Mariupol und Odessa eine Landverbindung zum bereits russisch besetzten, moldawischen  Transnistrien herzustellen. Doch so perfekt dieses Ziel auch angedacht gewesen sein mag – es scheiterte vorerst in zahlreichen Positionen.

Anders als erwartet erwies sich die Bevölkerung des unmittelbar bedrohten Mariupol als pro-ukrainisch, begann, militärische Abwehranlagen gegen den befürchteten Überfall durch von illegal agierenden russischen Armee-Einheiten unterstützten Invasoren aufzubauen. Der russische Versuch, die Hafenstadt Odessa nach dem in Donzek und Luganzk erfolgreich erprobten Muster zu übernehmen, endete in einem Flammeninferno, welches der russischen Propaganda bis heute vorgeblich unschuldige Märtyrer liefert. Der größte Fehlschlag der Kampagne war jedoch der unmittelbar danach durch den russischen Geheimdienstler und Feldkommandeur Girkin bestätigte Abschuss einer niederländischen Zivilmaschine durch eine von russischen Kosaken geführte BUK-Einheit. Sie wurde Opfer einer Verwechslung, sollte es doch eigentlich eine ukrainische Militärmaschine treffen.

Der Westen reagierte auf die im Widerspruch zur russischen Erklärung zum Budapester Memorandum  von 1994 stehende, russische Landnahme eher verhalten und beschränkte sich auf gegen Russland und vor allem russische Oligarchen gerichtete Sanktionen. Diese begannen tatsächlich nach und nach Wirkung zu entfalten und begannen mit einem gleichzeitigen Verfall des für Russland überlebenswichtigen Ölpreises die russische Wirtschaft in den Ruin zu treiben. Glaubt man Insidern, so kommt der Druck auf Putin zunehmend mehr auch aus den Kreisen der immer noch kremltreuen Oligarchen. Vor allem deren Gattinnen bringen immer weniger Verständnis dafür auf, den von ihren Männern zusammengeraubten Reichtum nicht mehr in Saint-Tropez oder Kitzbühel dem dekadenten Geldadel des Westens präsentieren zu können.

Putins weltpolitische Ziele

Während der innenpolitische Druck, die misslichen Sanktionen des Westens zu beenden, wächst, steht dem die maßgeblich vom Ideologen Alexander Dugin entwickelte, weltpolitische Mission Russlands entgegen. Dugins Vision lässt sich am besten mit der arischen Weltherrschaftsvorstellung eines Adolf Hitler vergleich. Sie geht von einer natürlichen Überlegenheit des russischen Volkes aus, welches von daher gleichsam ein göttliches Recht habe, die Welt – zumindest jedoch wesentliche Teile derselben – zu beherrschen. Die Wiederherstellung des stalinschen Imperiums ist dabei nur der erste Schritt. Europa soll mittelfristig bis nach Lissabon zur „Russischen Welt“  gehören. Auch im Osten des russischen Kolonialreichs reichen Dugins Vorstellungen über die gegenwärtigen Grenzziehungen deutlich hinaus. Und das einstmals vom Zaren an die USA verkaufte Alaska wird ohnehin als Teil Russlands interpretiert. Hinter den russischen Territorialansprüchen verbergen sich recht konkrete Probleme. So ist es Russland auch nach der Überwindung der Sowjetdiktatur zu keinem Zeitpunkt gelungen, wissenschaftlich und wirtschaftlich Anschluss an den Westen zu erlangen. Selbst für seinen militärisch-industriellen Komplex ist es nach wie vor auf westliche Komponenten angewiesen. Die Exploration neuer Bodenschätze basiert ebenfalls maßgeblich auf westlicher Technologie – weshalb der Abschluss des Wintershall-Geschäfts für Russland von fundamentaler Bedeutung war. Das größte Problem Russlands jedoch ist, dass seine mafiöse Kultur des Oligarchismus jedweden mittelständischen Ansatz im Kern erstickt. Damit ist Russland wie einst die Sowjetunion zur innovativen Stagnation verdammt. Seine Leistungsfähigkeit basiert fast ausschließlich auf dem Export von Rohstoffen, weshalb für Putin der russische Anspruch auf die in der Arktis vermuteten Bodenschätze von fundamentaler Bedeutung ist. Dort, im hohen Norden, erwartet der russische Präsident den wirklichen, globalen Konflikt der näheren Zukunft. Denn er geht davon aus, dass die konkurrierenden Mächte, darunter allen voran die USA und Kanada, aber auch Norwegen und Dänemark, den russischen Alleinausbeutungsanspruch nicht akzeptieren werden. Putin – oder besser: seine Geheimdienste – erwarten folglich einen künftigen Mehrfrontenkrieg. Denn der erwartete Konflikt mit Kanada/USA und Norwegen/Dänemark wird bei der gegenwärtgen Machtkonstellation ein Konflikt Russland versus NATO sein.

Um in diesem globalen Kampf erfolgreich sein zu können, sind für Russland folgende Prämissen zu schaffen:

Das Untergraben des Verhältnisses USA-Europa erfolgt derzeit maßgeblich durch ständige, propagandistische Desinformation und Diskreditierung der USA –  in Deutschland öffentlich und mit massiver medialer Unterstützung befördert beispielsweise durch Politiker der SED-Nachfolgeorganisation PdL wie Sahra Wagenknecht und den in den deutschsprachigen, russischen Propagandaorganen wie „Sputnik“ und „RT“ dauerpräsenten Wolfgang Gehrcke.

Russlands syrische Ziele

Wenn man sich Russlands weltpolitische Ambitionen und die russische Erwartung eines arktischen Krieges vergegenwärtigt, ist man nunmehr auch in der Lage, seine konkreten Ziele in Syrien zu verstehen. Die Wiederbesetzung des Marinestützpunktes Tartus und die Befestigung der ehemaligen Alawitenhauptstadt Latakia stoßen zu allererst in ein vom Westen zugelassenes Vakuum. Statt durch eine konzertierte, westliche Aktion den Krieg zu beenden, lehnte sich der Westen zurück. Für Putin war dieses ein weiterer Beleg für die von ihm dem Westen unterstellte Schwäche.

Gleichzeitig pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass die russische Annektion der Krim vom Westen faktisch akzeptiert ist. Weiterhin wirken jene  in Verkennung der russischen Perspektiven tief in das Russlandgeschäft verstrickten Unternehmen im Hintergrund seit geraumer Zeit darauf hin, gegenüber Russland zum business-as-usual zurück zu kehren. Was letztlich nichts anderes bedeutet, als den status quo im Donbass ebenfalls zu akzeptieren. Putins unmittelbare Ziele sind derzeit:

Das vergiftete Angebot

Wie nun haben wir uns unter den dargelegten Prämissen ein russisches Angebot an den Westen vorzustellen? Am naheliegendsten ist ein scheinbar abgestimmtes Vorgehen gegen den Islamischen Staat. Der allerdings ist einem Putin derzeit noch sehr genehm, so lange er nicht Russlands Marionette Assad unmittelbar bedroht und die russische Anwesenheit an der Mittelmeerküste gefährdet.

So könnte ein russisches Angebot beispielsweise vorsehen, die Bekämpfung des IS regional aufzuteilen. Russland übernimmt den Westen Syriens nebst der Region Damaskus – und sichert damit sowohl seine Mittelmeerprovinz als auch die Zukunft der Herrschaft seiner Marionette Assad in den für Russland relevanten Regionen Syriens. Die NATO darf bei diesem Modell den Osten und Südwesten übernehmen – und wird, so sie keine eigenen Bodentruppen in diese Gebiete entsendet, den IS nicht besiegen können. Bei diesem Modell würde Putin alles erreichen, was er derzeit in Syrien zu erreichen sucht – und den USA nebst NATO einen Dauerkonflikt schenken. Unterstellt jedoch, die NATO befände sich bereit, mit eigenen Bodentruppen zu agieren. Dann immerhin wäre es bei einer guten Koordination zwischen Türkei, Saudi-Arabien und den NATO-Einheiten möglich, den IS derart zu schwächen, dass dessen Herrschaft über Teile Syriens endet. Und dann?

Übergeben die westlichen Sieger das vom IS befreite Areal dem Gewaltherrscher Assad – um sich damit abschließend mit allen Sunniten dieser Welt zu überwerfen und Russland zum uneingeschränkten Sieger zu machen? Geben sie die befreiten Gebiete an verbündete  Regionalmächte wie die Türkei  und Saudi-Arabien, um damit zwangsläufig die derzeit noch engsten Verbündeten, jene irakischen Kurden, zu verraten? Richten sie ähnlich Russland in den wirtschaftlich unattraktiven syrischen Ostprovinzen eigene Protektorate ein, in denen militärische Dauerpräsenz sicherstellt, dass die ortsansässige Bevölkerung nicht länger auf die Idee kommt, in Westeuropa ihr Heil zu suchen? Oder sollten sie gar den Versuch unternehmen, ortsansässigen Vertrauensleute in einem Restsyrien staatliche Autonomie einzuräumen? Wie das endet, haben wir in Afghanistan und Libyen gesehen – es wäre der Garant dafür, dass der IS umgehend und erfolgreich zurückkehren würde.

Wie immer wir nun ein russisches Kooperationsangebot werten – es wird nicht anderes sein als vergiftet. Vergiftet auch deshalb, weil der Westen zu keinem Zeitpunkt ernsthaft angefangen hat, eine realistische Perspektive für ein Nach-Assad-Syrien zu entwickeln.

Russland hat gesiegt

Wenn nun deutsche Politiker wie Angela Merkel und Sigmar Gabriel in ihrer Panik von der unaufhaltsamen Völkerwanderung davon schwätzen, man müsse mit Assad und mit Putin reden – ja, bitteschön – worüber denn? Putins Ziele sind klar umrissen.

Und in Syrien hat er schon gesiegt – vor allem dann, wenn der Westen sich tatsächlich auf eine Kooperation mit ihm einigt. Wenn dann noch, wie vom SPD-Vizekanzler Gabriel gefordert, die Ukraine-Sanktionen überdacht werden mögen, dann verrät der Westen damit auch jenes Volk, das derzeit mitten in Europa von imperialen Russland massiv bedroht wird. Und signalisiert damit dem Kremlherrscher, dass sein Kalkül bislang auf ganzer Breite erfolgreich aufgegangen ist. Mit dieser vor Stolz geschwellten Brust wird Putin nichts mehr daran hindern können, die nächsten Schritte seines Weltmachtanspruchs anzugehen. Ob die Komplettübernahme Georgiens; ob die Organisation von ethnischen Aufständen im Baltikum oder sogar in Finnland, um dort vorgeblich russische Minderheiten vor Balto- oder Finnofaschisten schützen zu müssen; ob die gezielte Destabilisierung der Türkei beispielsweise durch Beförderung von kurdischen oder alawitischen Separatismusbewegungen – knickt der Westen deshalb, weil er kopflos von der Völkerwanderung überrollt wird, ein, dann kann sich Putin seine nächsten Schritte in aller Ruhe überlegen und mit ähnlichem Erfolg wie bisher durchsetzen. Und dann wird es das, was wir heute noch unter einem freien, demokratischen Westen verstehen, in absehbarer Zeit nicht mehr geben.

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