Das Landgericht Halle hat den Thüringer AfD-Spitzenkandidaten Björn Höcke zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie beläuft sich auf 100 Tagessätzen zu je 130 Euro. Damit geht ein fast einmonatiger Prozess zu Ende. Die Staatsanwaltschaft hatte Höcke vorgeworfen, Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet (Paragraf 86a Strafgesetzbuch) zu haben. Höcke hatte dabei bestritten, den SA-Hintergrund der von ihm verwendeten Parole („Alles für Deutschland“) zu kennen.
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Höcke sollte außerdem 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, etwa an eine NS-Gedenkstätte oder ein Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten. Staatsanwalt Benedikt Bernzen sagte, das sei „zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich“, das ergebe sich auch aus dem „Nachtatverhalten des Angeklagten“.
Schon in der Verhandlung vom 23. April hatte das Gericht jedoch deutlich gemacht, dass mit einer Geld- und nicht mit einer Haftstrafe zu rechnen sei. Damit wäre Höckes Kandidatur für die Thüringer Landtagswahl am 1. September nicht gefährdet gewesen. Verteidiger Ralf Hornemann hatte dagegen einen Freispruch für den 52-Jährigen gefordert. Nicht Höcke, sondern die Staatsanwaltschaft habe dafür gesorgt, dass nun zahlreiche Menschen den SA-Spruch kennen würden, der Stein des Anstoßes war. Er sei eigentlich vergessen gewesen. In seiner eigenen Stellungnahme zum Schluss der Verhandlung sagte Höcke in Richtung des Staatsanwalts: „Die haben heute in der Diktion eines politischen Aktivisten gesprochen.“ Er habe das Gefühl, ein politisch Verfolgter zu sein.
Wider Erwarten hatte sich der Urteilsspruch am Dienstag immer weiter verzögert. Höckes Anwalt Ulrich Vosgerau überraschte das Gericht mit einem weiteren Beweisantrag. Das Gericht gab diesem statt. Als Zeuge trat der Göttinger Historiker Karlheinz Weißmann auf. Der Kolumnist der Jungen Freiheit erklärte, die SA-Parole sei „nicht besonders präsent“ gewesen und es zudem eine „wirklichkeitsfremde Vorstellung“, dass ein Geschichtslehrer das wissen müsse. Die Staatsanwaltschaft hielt dagegen, dass jemand, der sich so viel mit der Vergangenheit Deutschlands beschäftigt habe, von der Verwendung des Spruchs wissen müsse. Vosgerau kündigte an, bei einer Verurteilung das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fortzusetzen.
Zusätzlich wurden Ausschnitte aus dem TV-Duell zwischen Mario Voigt (CDU) und Höcke gezeigt. Damit verzögerten sich auch die Plädoyers.
Zuvor hatte das Gericht mehreren Beweisanträgen der Staatsanwaltschaft stattgegeben. Dazu gehörte ein Video aus dem Jahr 2023. Höcke ermutigte sein Publikum bei einer Veranstaltung in Gera mit den Worten „Alles für …“, worauf die Menge antwortete „Deutschland!“ Dies sei ein Beleg dafür, dass Höcke sehr wohl von der Parole und ihrer Bedeutung wusste.
Der Thüringer AfD-Spitzenkandidat hatte bei einer Wahlkampfveranstaltung in Merseburg im Jahr 2021 am Ende seiner Rede gesagt: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!“ Höcke erklärte vor Gericht, vom SA-Hintergrund der Losung „Alles für Deutschland!“ nichts gewusst zu haben. Er hätte sie dann „mit Sicherheit nicht verwendet“. Er bezeichnete die Aussage als „Allerweltsspruch“ und sich selbst als „völlig unschuldig“. Bei seinem Plädoyer sagte Staatsanwalt Brenzen hingegen, der „augenscheinlich fundierte NS-Sprachschatz des Angeklagten deutet auf Täterwissen hin“.
Seit dem 18. April verhandelt das Landgericht Halle über den Fall. Für Höcke könnte es nicht der letzte Prozess gewesen sein. Denn die Szene in Gera, die die Staatsanwaltschaft in der Verhandlung anführte, wurde nicht Teil dieses Prozesses. Sie kann in einem eigenen Prozess verhandelt werden. Am Landgericht Mühlhausen steht zusätzlich noch eine Anklage wegen Volksverhetzung aus.
Auch, wenn das Urteil damit weniger hart ausfiel, als es sich manche Gegner Höckes gewünscht hätten, dürften bei Haldenwang und Faeser wieder „die Sonne scheinen“. Es ist bereits die zweite juristische Niederlage für die AfD in nur zwei Tagen – und wenige Wochen vor der Wahl des EU-Parlaments. Und die AfD-Verbotsdebatte, die seit Montag wieder an Fahrt gewonnen hat, erhält neues Futter.