Das Bundesinnenministerium (BMI) muss dem Nachrichtenportal „Nius“ mitteilen, gegen welche Journalisten es im Jahr 2022 mit einem Unterlassungsbegehren vorgegangen ist. Auch muss das BMI offenlegen, aus welchem Grund es die Berichterstattung beanstandete.
Dies entschied der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg am Montag und gab damit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von „Nius“ statt.
Hintergrund war eine Anfrage an sämtliche Bundesministerien. Die Journalisten wollten wissen, ob und wenn ja, wegen welcher Äußerungen seit Amtsantritt der Ampel-Regierung gerichtliche oder außergerichtliche Unterlassungsbegehren gegen Medien oder Journalisten geltend gemacht wurden.
Damit wollte das CDU-nahe Portal „Nius“ herausfinden, ob ein „generelles und bisher unübliches“ neues Phänomen vorliege, dass der Staat verstärkt gegen mediale Äußerungen vorgehe – oder aber, ob nur bestimmte Journalisten im Fokus stünden.
Unter anderem hatten das Bundesentwicklungsministerium, das BMI und die Antidiskriminierungsstelle (ADS) von Ferda Ataman versucht, Berichterstattung oder Überschriften von „Nius“ oder Tichys Einblick gerichtlich zu untersagen. Zur Routine gehört mittlerweile, dass sich dieselben Stellen weigern, unliebsamen Journalisten Auskunft auf Presseanfragen zu erteilen.
Das Gericht äußerte sich außerdem inhaltlich in seiner Begründung. Dass die Bundesregierung mithilfe externer Anwälte gegen regierungskritische Berichterstattung vorgehe, sei ein „neues Phänomen“, an dem großes öffentliches Interesse bestehe, stellten die Richter fest. Mit der verpflichtenden Auskunft des BMI könnten sich Hinweise ergeben, ob die Bundesregierung „gezielt gegen bestimmte Journalisten“ vorgehe und ob sich daraus „ein Muster ableiten“ lasse.
Rechtsanwalt Steinhöfel gewann im Jahr 2024 bereits 14 presserechtliche Verfahren gegen verschiedene Regierungsstellen, im Auftrag von „Nius“, aber auch von Tichys Einblick. „Darüber könne man sich als Anwalt freuen, so Steinhöfel gegenüber Medien, oder man könne als Bürger fassungslos sein angesichts der Kaltschnäuzigkeit, mit der diese Regierung die Rechte der freien Presse rechtswidrig ignoriere.“
Auch TE ist in diesem Jahr in drei langwierigen Verfahren mit Bundes- und Landesregierungen verwickelt. Erkennbar wird daran der gezielte Versuch, kritische Medien mit teuren Verfahren zum Schweigen zu bringen, weil selbst bei einem gerichtlichen Erfolg Anwaltskosten von den beklagten Medien aufzubringen sind. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beispielsweise operiert mit Rufschädigung, die nur halbherzig und unauffällig korrigiert wird, sodass zum materiellen Schaden ein dauerhafter Reputationsschaden tritt.
„Es ist eine ungleiche Auseinandersetzung: Politiker lassen sich vom Staat und mit Hilfe von Steuergeldern vertreten und wissen genau, dass die Gegenseite das nicht finanzieren kann“, erklärt dazu TE-Gründer Roland Tichy. Ein weiterer Schritt sei die Einrichtung von „Meldestellen“, die künftig willkürlich und massenweise Aussagen zur Anzeige bei Behörden bringen oder bei den Plattformbetreibern wie Facebook löschen lassen. Auch dagegen helfen nur finanziell extrem aufwändige Gerichtsverfahren mit hohem Verlustrisiko.
„So werden Gerichtsverfahren als Instrument zur Unterdrückung von Presse- und Meinungsfreiheit instrumentalisiert“, so Tichy weiter: „Das widerspricht dem Geist des Grundgesetzes und der darin postulierten Meinungsfreiheit“.