Tichys Einblick
Folgen der Inflation

Preistreiberei gefährdet die Zukunft vieler Döner-Imbisse in Deutschland

Der Döner Kebab feiert dieses Jahr in Deutschland offiziell seinen 50. Geburtstag. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr gerät der beliebte türkische Schnellimbiss in Gefahr: Die Inflation macht den "Döner mit alles" zu teuer, vielen Betrieben droht das Aus. Die Folgen wären weitreichend.

IMAGO/Schöning

Warmes Fladenbrot. Dazu Tomaten und Krautsalat. Gerne auch ein Stückchen Schafskäse. Zwiebeln. Eine Knoblauch-Sauce. Und natürlich eine ordentliche Portion Fleisch. Zum krönenden Abschluss die Frage der Fragen: „Mit scharf?“ Der türkische Döner Kebab ist längst zum Teil der deutschen Ernährungskultur geworden. Doch dem Straßenklassiker droht eine schwere Krise.

Es ist nicht die „Fleischscham“, von der Klimaschutzgruppen wie ZDF, FFF oder ARD berichten. Die Inflation bedroht die Existenz vieler der 18 500 Imbisse, die es laut dem Autor Eberhard Seidel in Deutschland gibt – 1600 davon allein in Berlin. 7,30 Euro müsste der Straßenklassiker eigentlich kosten, damit die Wirte seriös wirtschaften können, mahnte der Verein ATDID in der Berliner Zeitung. Doch dieser Preis sei in Städten mit großer Konkurrenz kaum durchzusetzen. In der Folge droht vielen Imbissen die Pleite.

Den ATDID gibt es seit 26 Jahren. Zehn Dönerproduzenten hatten sich seinerzeit in Berlin, der europäischen Hauptstadt des Döners, zusammengetan, um an dem Image ihres Produktes zu arbeiten. Mittlerweile hat der Verein 24 Mitglieder. Die Branche ist von Belang: 60 000 Menschen arbeiten mittlerweile laut ATDID EU-weit in der Branche und setzen 3,5 Milliarden Euro im Jahr um – 2,4 Milliarden Euro davon alleine in Deutschland.

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Die Inflation lässt die Einkaufspreise für die Wirte steigen. Aber nicht nur: Auch der Mindestlohn von 12 Euro setzt der Branche zu. Ebenso die horrend steigenden Mieten in Städten wie Berlin, München oder Frankfurt. Oder die europaweit höchsten Preise für Strom. Im letzten halben Jahr habe sich die Lage ihrer Mitglieder extrem verschlechtert, berichtet der ATDID in der Berliner Zeitung. Die Wirte stehen vor der Wahl, den höheren Preis am Markt durchzusetzen – mit entsprechend erwartbaren Einbrüchen im Umsatz. Oder weiter unter Wert zu arbeiten und so die eigene wirtschaftliche Existenz zu gefährden.

Aber auch auf der Kundenseite wäre ein Dönerpreis von 7,30 Euro ein Problem. Etwa für Gering- und Mittelverdiener. Vergleicht man ihren Nettolohn mit allen Transferleistungen, die einem Hartz-IV-Empfänger zustehen, schneiden sie wirtschaftlich oft nicht besser ab. Mitunter sogar schlechter. Anders als Hartz-IV-Empfänger kommen zudem „Opportunitätskosten“ auf sie zu. Etwa weil sie keine Zeit haben, sich zuhause eine günstige Mahlzeit zuzubereiten – sondern darauf angewiesen sind, unterwegs schnell etwas essen zu können. Ein Döner, der 7,30 Euro statt 3,70 Euro kostet, wäre auf Dauer ein echtes Problem für sie.

Die kulturelle Bedeutung des Döners mag mancher belächeln. Doch sie ist ein wichtiger Teil der deutschen Integrationsgeschichte. Es sei kein Zufall, dass sich der Döner Kebab in den 70er und 80er Jahren verbreitet habe, sagt der Autor Seidel in einem Interview mit der Nachrichtenagentur DPA. Die Arbeitslosenzahl stieg. Viele Türken, die als „Gastarbeiter“ nach Deutschland gekommen waren, gerieten in eine Existenzkrise. Das erklärt auch, warum in Deutschland der Döner eine Spezialität für den Straßenverkauf wurde: Es war für die oft kapitalschwachen Gründer einfach billiger, die Ware auf die Hand zu verkaufen, als eine große Lokalfläche mit vielen Tischen bereit zu stellen.

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Der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine Erfolgsgeschichte: vom arbeitslosen Gastarbeiter zum Unternehmer. Dieser Erfolgsgeschichte droht in vielen Fällen nun das Ende. Es ist kein Zufall, dass sich ein Dachverein der Döner-Wirte auch um die deutsch-türkische Freundschaft bemüht. Im Logo des ATDID sind denn auch beide Nationalfahnen zu finden. Die Kehrseite der Erfolgsgeschichte sind Hass und Neid: Die Mörder und Terroristen des „NSU“ wählten sich vorwiegend Wirte und Händler als Opfer ihrer hinterhältigen Anschläge aus – erfolgreiche „Feinde“ sind für hassende Menschen am schwersten zu ertragen.

Den ersten Döner Kebab in Deutschland bot laut ATDID der „Gastarbeiter“ Kadir Nurman 1972 am Berliner Bahnhof Zoo an. Da mag ein wenig Legendenbildung dabei sein. Andere Wirte behaupten von sich, schon vorher Döner Kebab in Deutschland angeboten zu haben. Allerdings hatten sie ihre Lokale an weniger prominenten Plätzen. Was definitiv nicht stimmt: Der Döner ist keine deutsche Erfindung, die dann in die Türkei exportiert wurde. Im Heimatland des Döners ist die Kultur allerdings ein wenig anders. Statt an Straßenbuden werden die Mahlzeiten meist in richtigen, oft gehobenen Restaurants angeboten – auch ist die Auswahl an Gerichten entsprechend größer.

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