Am heutigen Mittwoch treffen sich die 16 Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin in Berlin, um über neue Corona-Bekämpfungsmaßnahmen zu beraten. Die Infektionslage, heißt es aus der Regierungszentrale, sei ernst. Wegen dieser Infektionslage empfehlen Spitzenpolitiker ihren Bürgern, auf so genannte unnötige Reisen zu verzichten. Für Personen aus „Risikogebieten“ gilt in vielen Bundesländern ein Beherbergungsverbot, zumindest bei privaten Reisen. Dienstliche Reisen haben viele Unternehmen allerdings ohnehin schon stark eingeschränkt und nach Möglichkeit durch Telefon- und Videokonferenzen ersetzt.
Trotz der beschworenen ernsten Lage soll die Konferenz von Kanzlerin, Kanzleramts- und Länderchefs nicht als Videokonferenz stattfinden wie ähnliche Runden im Frühjahr, sondern im „physischen Präsenzformat“. Was bedeutet: alle müssen samt Begleitpersonal nach Berlin. Das sei, heißt es, der persönliche Wunsch der Kanzlerin. Warum? Danach, sagen Beamte in mehreren Staatskanzleien, müsse man das Kanzleramt fragen.
TE fragte also nach: warum muss die Konferenz unbedingt als „Präsenzveranstaltung“ abgehalten werden? Was soll in Berlin zur Debatte stehen, was die Politiker nicht auch per Videokonferenz bereden könnten? Immerhin fand im Frühjahr sogar ein Gipfel der EU-Regierungschefs virtuell statt – und das klappte ziemlich reibungslos. Die Corona-Konferenz am Mittwoch ebenfalls per Videoschaltung abzuhalten, wäre also nicht nur ein Beispiel für die Vermeidung nicht unbedingt nötiger Reisen, sondern obendrein auch ein Zeichen staatlicher Sparsamkeit.
Auf die Frage von TE nach dem Grund der Präsenzveranstaltung antwortet eine Sprecherin des Kanzleramts:
„Zur Beantwortung darf ich Sie auf die Aussagen von Regierungssprecher Seibert in der gestrigen das Regierungspressekonferenz verweisen und dabei insbesondere auf die Passagen:
‚Die Pandemielage ist ernst, weil wir nahezu überall steigende Infektionszahlen verzeichnen und in vielen Gegenden, gerade in Großstädten und Ballungsräumen, auch sprunghaft steigende Infektionszahlen. Zahlreiche Großstädte liegen jetzt über dem Inzidenzwert von 50, einige – davon gehören ja auch Bezirke von Berlin – weit über 50. Nur wenn die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern eine gemeinsame Einschätzung der Ernsthaftigkeit der Lage haben und auch gemeinsam entschlossen sind zu handeln, werden wir gegensteuern können. Deswegen wurde entschieden, ausführliche Beratungen mit Anwesenheit durchzuführen.“
So ganz erklärt die Antwort nicht, warum unter diesen Umständen die Ministerpräsidenten mit ihrem Tross nach Berlin reisen sollen, um zu einer gemeinsamen Lageeinschätzung zu kommen.
Möglicherweise wünscht Merkel die Präsenz, weil eine nichtvirtuelle Konferenz die bessere Möglichkeit bietet, in separaten Runden auf Länder-Regierungschefs einzuwirken, die sich dem Ziel einer bundeseinheitlichen Regelung widersetzen, wie sie offenbar von Merkel, Markus Söder und Armin Laschet angestrebt wird. Söder erklärte jedenfalls vorab, er wolle eine einheitliche Masken-Regelung von Großstädten wie München bis zu Dörfern in Thüringen.
Die Vorfahrt der Limousinen und die gemeinsame Pressekonferenz nach dem Treffen erzeugen jedenfalls die wirkungsvolleren Bilder als eine Videokonferenz.
Das sind allerdings sehr wohl Gründe, die für eine Reise in den Hotspot Berlin sprechen.