Tichys Einblick
In Kreuzberg erste Festnahmen

Polizei rüstet sich für größten Silvestereinsatz aller Zeiten

Die Feierlichkeiten sind eröffnet: In Berlin und anderswo haben „Jugendliche“ damit begonnen, ihre Böller auszuprobieren, sich zum Teil bereits Schlachten in verschiedenen Gruppen oder mit der Polizei geliefert. Der Öffentlichkeit wird eine allgemeinere Botschaft mitgeteilt, dass Böllern im Grunde gefährlich sei.

IMAGO / Maximilian Koch

Am Freitagabend (29. Dezember) war es so weit. Der erste Randalierer zum diesjährigen Silvester wurde in Berlin-Kreuzberg festgenommen. Laut einem Tweet der Berliner Polizei zündeten 20 Jugendliche Pyrotechnik am heute durchaus migrantisch besiedelten Mehringplatz an und randalierten, warfen zwei Mülltonnen nebst Einkaufswagen eine U-Bahnhof-Treppe hinab, zündeten „Unrat“ auf der Straße an und schoben eine brennende Mülltonne unter einen Weihnachtsbaum. Beim Versuch der Festnahme flüchtete ein 14-Jähriger und warf mit einem Stuhl nach den Beamten. Seine Freunde bedrängten darauf die Polizisten. Indes konnten Passanten die brennende Mülltonne wegschieben und so verhindern, dass der Baum ganz in Flammen aufging. Die Feuerwehr löschte die Tonne.

Am Tag darauf ging es weiter: Am Kreuzberger Gleisdreieck waren „Jugendliche“ mit selbstgebauten Böllern unterwegs. In der Huttenstraße (Gesundbrunnen im Norden Berlins) kauften junge Menschen Pyro und zündeten sie an Ort und Stelle. In der Karl-Marx-Straße (Neukölln) brannte eine weitere Mülltonne, an der Hermannstraße (gleicher Bezirk) „zündeten zwei Männer Pyro“. Auch im Schöneberger Steinmetz-Kiez – eine weitere Böllerverbotszone heute abend – bewarfen sich Jugendliche in einer Gruppe gegenseitig mit Böllern.

?Jugendliche kauften in einem Kiosk in der Huttenstr. Pyro und zündeten diese noch vor Ort
? Am Gleisdreieck hatten Jugendliche selbst gebaute Böller dabei… pic.twitter.com/Vr3byzGcrQ

— Polizei Berlin (@polizeiberlin) December 30, 2023

So nimmt der Jahresend-Wahnsinn in der Hauptstadt seinen Lauf: Am Silvestertag zündeten „Kids“ Böller auf dem Gelände einer Schule und entzündeten so ein Feuer. Daneben fahndet die Polizei (laut eigenem „Teaser“) auch nach Fahrradfahrern oder auch E-Scooter-Fahrern, die die Stadtautobahn benutzten.

Die Neuköllner Jugendstadträtin Sarah Nagel (Linkspartei) weiß Rat zu den Ursachen solcher Zustände. Der taz https://taz.de/Silvester-in-Berlin/!5981661/ sagte sie: „Für viele Jugendliche hier ist Silvester das wichtigste Fest des Jahres. Anders als bei Familienfesten ist es ein Fest, bei dem sie eher unter sich sind. Das ist in dem Alter für viele interessant. Und auch Böllern finden viele attraktiv.“

Nun ist aus der Bundeshauptstadt zu hören, dass Rettungskräfte sich bei Notrufen aus unsicheren Gebieten mit der Polizei abstimmen sollen. Gegebenenfalls wird dann eine Eskorte gestellt, damit Rettungsmaßnahmen oder Brandlöschung stattfinden können. Der Feuerwehrmann Baris Coban, der es durch einen in der Tagesschau sinnwidrig gekürzten O-Ton zu einiger Bekanntheit brachte, rechnet mit einer schlimmeren Nacht als vor einem Jahr.

In anderen Städten fahren mehr Busse, um die Feiernden von A nach B zu transportieren. Die Berliner Verkehrsbetriebe stellen den Busbetrieb in Teilen von Kreuzberg und Neukölln praktisch ein. Die Hotspots der Gewalt, wie im letzten Jahr, aber auch bei anderen Gelegenheiten erlebt, werden nicht mehr angefahren, darunter die Sonnenallee (alias „Arabische Straße“), die Gegend um den Hermannplatz, auch die linksautonome bis migrantische Oranienstraße. Die Gründe nennt der öffentlich-rechtliche RBB nicht.

Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik hat für heute nacht „den größten Polizeieinsatz an Silvester der letzten Jahrzehnte“ angekündigt. 4.500 Polizisten – inklusive Verstärkung aus anderen Ländern und 500 Bundespolizisten – sollen im im Einsatz sein. Die Zahl der zusätzlich angeforderten Beamten wurde im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt (damals 1.300, nun 2.800 Extra-Kräfte). Statt 150 Streifenwagen sollen 220 im Dienst sein.

Daneben gibt es vier Böllerverbotszonen in der Stadt. Neu ist die Neuköllner Verbotszone rund um den Hermannplatz und die Sonnenallee. Man darf durchaus gespannt sein, ob sie durchgesetzt werden kann. Bürgermeister Martin Hikel verbreitet bereits Skepsis: Das Verbot in der begrenzten Zone binde viele Kräfte, die auch anderswo nötig sein könnten.

Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) verspricht dieses Jahr „eine sehr konsequente Antwort des Rechtsstaats“. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat im Tagesspiegel ein „hartes Durchgreifen“ bei möglichen Krawallen angekündigt. Tatsächlich blieb eine harte oder konsequente Bestrafung der Übeltäter vom letzten Jahr aber bis heute aus. Viele kamen straffrei davon, andere mit Bewährungsstrafen, zum Teil laufen die Prozesse sogar noch. Insgesamt seien die Urteil im unteren Drittel der verfügbaren Strafmaße angesetzt, war über die Aufarbeitung der letzten Berliner Silvesterrandale zu lesen.

Nicht nur in Berlin: Böllerverbote und Großeinsätze bundesweit

Doch es ist nicht nur Berlin. Auch im thüringischen Weimar bewarfen sich mehrere Gruppen „junger Männer“ mit Böllern und anderer Pyrotechnik. Erst eine angerückte Einsatzhundertschaft konnte das Treiben in der Innenstadt unterbinden. Die „Teenager“ verteilten sich angeblich in alle Winde. Es sollen laut Polizei sowohl Deutsche wie Ausländer darunter sein. Originalzitat eines Beteiligten: „Verletzte nehmen wir in Kauf.“

In München werden 1.000 reguläre und 300 zusätzliche Polizisten im Dienst sein. Man erwartete laut BR ein „arbeitsreiches Wochenende“. In Köln kommt die Terrorgefahr rund um den Dom hinzu. Polizisten patrouillieren mit Maschinenpistolen. In Saarbrücken spricht die Polizei laut Saarbrücker Zeitung von „viel Arbeit“ und Terrorgefahr. Auch in Stuttgart gibt es ausgedehnte und detailliert ausgearbeitete Böllerverbotszonen („Wunderkerzen, Knallerbsen, Brummkreisel oder Springteufel“ bleiben erlaubt). https://www.zvw.de/stuttgart-region/feuerwerksverbot-in-stuttgart-wo-darf-an-silvester-nicht-geböllert-werden_arid-754015

In Teilen Niedersachsens wird wegen des fortbestehenden Hochwassers von Feuerwerk und Böllern generell abgeraten. Daneben gibt es inzwischen viele Verbotszonen für Böller und Feuerwerk, oft zum Schutz der Innenstädte. In Hannover wird es darüber wohl wieder einen Großeinsatz der Polizei geben. Dort war in anderen Jahren eine ganze Batterie von Einsatzbussen am Hauptbahnhof versammelt. Anderswo sind wegen Ausschreitungen im Vorjahr nur spezielle Stadtteile von den Verbotszonen betroffen. Am Hamburger Hauptbahnhof wird sogar das Mitführen von Pyrotechnik in Rucksack oder Tasche von der Bundespolizei verfolgt werden. An den Landungsbrücken sollen rund um die Mitternacht keine S-Bahnen halten. Grund: eine defekte Rolltreppe. Auch in Hamburg wird es der bisher größte Silvestereinsatz der Polizei werden.

In Essen ist wiederum die Gefährdung von Rettungskräften ein Thema. Daneben kommt in Essen erstmals und begrenzt auf die Silvesternacht die „Mobile Videobeobachtung“ an zwei Stellen zum Einsatz, nämlich am Wasserturm am Steeler Berg und am Altenessener Markt. So will man konsequent gegen Rechtsverstöße vorgehen. Hinzu kommt auch hier ein deutlich aufgestocktes Polizeiaufgebot. Oberbürgermeister Thomas Kufen stellt in einer Pressemitteilung fest: „Wir dulden nicht, dass Einsatzkräfte, die helfen wollen, angegriffen werden. Stadt, Polizei und Feuerwehr stehen Seite an Seite für ein friedliches Silvester 2023/2024.“ Dazu wird man wohl – wie in Berlin auch – eine bestimmte „Choreographie“ brauchen. So tanzen die Ordnungskräfte nach der Pfeife von einigen Störern und Unruhestiftern.

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