Nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft beschäftigt sich das „Bundesministerium des Inneren und für Heimat“ wieder mit dem, was es seit der Ernennung der hessischen SPD-Politikerin Nancy Faeser zur Bundesinnenministerin als seine Kernkompetenz betrachtet: der Delegitimierung der verfassungsrechtlichen Ordnung. In den frühen Morgenstunden hat das Ministerium mit der Durchsuchung der Räumlichkeiten der „Compact-Magazin GmbH“ begonnen. Das betraf auch die Privaträume ihres Chefredakteurs Jürgen Elsässer.
An den Umständen dieser Aktion durfte die Öffentlichkeit teilhaben. Offensichtlich waren Pressevertreter vor Ort, die es für eine gute Idee hielten, einen noch schlaftrunkenen Elsässer bei der Überreichung des Durchsuchungsbeschlusses abzulichten. Die rechtliche Würdigung solcher Methoden ist noch zu prüfen. Aber es ist ein bezeichnendes Berufsverständnis von Journalisten, wenn sie das Verbot eines Presseerzeugnisses auf Grundlage einer willkürlichen Entscheidung der Bundesinnenministerin unterstützen sollten.
Grundrechte schützen den Bürger, nicht eine Ministerin
Denn darum handelt es sich, wie der offiziellen Begründung des Ministeriums zu entnehmen ist. Die rechtliche Fassade liefert der Artikel 9 Absatz 3 GG in Verbindung mit dem § 3 Vereinsgesetz. In der Argumentation gibt sich das Ministerium allerdings noch nicht einmal den Anschein einer rechtlichen Prüfung, sondern verweist lediglich auf die politischen Überzeugungen der Ministerin Faeser, wie im folgenden Zitat deutlich wird: „Ich habe heute das rechtsextremistische ‚COMPACT-Magazin‘ verboten. Es ist ein zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene. Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie. Unser Verbot ist ein harter Schlag gegen die rechtsextremistische Szene. Das Verbot zeigt, dass wir auch gegen die geistigen Brandstifter vorgehen, die ein Klima von Hass und Gewalt gegenüber Geflüchteten und Migranten schüren und unseren demokratischen Staat überwinden wollen.“
Insofern ist es belanglos, wie man die Inhalte des Compact-Magazins beurteilt. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung erlaubt Hass und Hetze, den Kampf für eine andere staatliche Ordnung und sonstige Aktivitäten, die der Verfassungsschutz gern als verfassungswidrig einstufen kann. Das kann linken und rechten Radikalismus betreffen, auch die Aktivitäten linker Klimaaktivisten sind erlaubt. Nicht erlaubt sind lediglich strafbare Handlungen, wie etwa die nicht mehr durch das Recht auf Versammlungsfreiheit gedeckte Nötigung von Verkehrsteilnehmern durch Straßenblockaden oder die Zerstörung von Kunstwerken. Der verfassungsrechtliche Rahmen ist für die „Letzte Generation“ breit gesteckt, obwohl die Umsetzung ihrer politischen Forderungen wohl nur in einem autoritär verfassten Staat umsetzbar wäre. Sie handelten mit ihrer Kandidatur zur Europawahl richtig, wenn das Ergebnis mit 104.386 Stimmen auch nicht ihren Erwartungen entsprochen haben wird. Sie werben um Unterstützung für ihr politisches Anliegen.
Das ist für die Ministerin ansonsten ein Tatbestandsmerkmal für ein Verbot. Es sei bei „Compact“ zu befürchten, dass „Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden“. Die Ministerin ließ das in ihrer Stellungnahme hervorheben, offenbar in der irrigen Annahme, damit die rechtliche Relevanz dieser Aussage stärken zu können. Diese Methode einer präventiven Gefahrenabwehr durch das Verbot von Meinungsäußerungen wurde auch schon in dem Strafverfahren gegen MicLiberal versucht. Es ist in erster Instanz gescheitert.
Ein Pamphlet als Verbotsbegründung
So macht sich die Bundesinnenministerin konsequenterweise nicht einmal mehr die Mühe, eine rechtliche Begründung für das Verbot überhaupt noch vorzutäuschen. Sie hält es nicht für nötig, mit ihrem Verbot in Widerspruch stehende Grundrechte wie den Artikel 5 GG überhaupt zu erwähnen. Tatsächlich erinnert die Pressemitteilung an ein politisches Pamphlet, wie es etwa auf „Campact“ veröffentlicht werden könnte. Jeder darf bekanntlich seine politischen Überzeugungen in Wort, Bild und Schrift veröffentlichen. Nur verfügt dieses Kampagnennetzwerk nicht über das staatliche Gewaltmonopol, um kurzerhand alles zu verbieten, was den dortigen Aktivisten nicht gefällt. Aber es ist ein Skandal, wenn dieser kategoriale Unterschied zwischen dem Staat und gesellschaftlichen Gruppen im Verfassungsministerium von Frau Faeser vergessen worden ist. Campact begrüßt das Verbot. Sie machen auch deutlich, worum es geht: ein Verbot der AfD als nächsten Schritt.
Diese rechtlichen Fassaden erinnern an Potemkische Dörfer zur Simulierung des Rechtsstaates. Die Bundesinnenministerin hat sich eine Generalvollmacht ausgestellt, um von nun an mittels Generalklauseln zu agieren. Wer rechtsextremistisch ist, bestimmt die Ministerin. Was erlaubt ist, bedarf damit in Zukunft ihrer konkludenten Zustimmung, ansonsten wäre es verboten. Der Rechtsstaat wird durch die politische Willkür der Amtsinhaberin ersetzt. Mit dieser Methode ist prinzipiell jeder gefährdet, egal, wie er sich politisch verortet. Denn eines ist sicher: Minister kommen und gehen, aber eine von allen liberalen Geistern verlassene Regierung bleibt eine Gefahr für den demokratischen Verfassungsstaat.