Tichys Einblick
Gegen alle Relativierungen

96 Prozent der ausländischen Gewalttäter leben in Deutschland

Bei der Ausländerkriminalität wird nun von reisenden Banden und Touristen gesprochen. Dabei weiß die Polizei relativ gut, wie viele der ausländischen Verdächtigen im Inland wohnen. Ein Blick in eine BKA-Statistik zeigt, dass drei Viertel der ausländischen Tatverdächtigen in Deutschland leben.

IMAGO

Manchmal sagt ein BKA-Chef etwas, ohne es zu sagen. Man kann hier durchaus von Erwartungshaltungen ausgehen, die etwa seine Dienstherrin an einen Amtsleiter herantragen könnte. Das heiße Thema bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 war die Ausländerkriminalität und die im Hintergrund stehende Frage nach den Auswirkungen der (vor allem illegalen) Einwanderung nach Deutschland auf die Kriminalitätsrate im Lande. Diesen Zusammenhang konnte keiner der Podiumsbesetzer so recht bestreiten, nicht einmal die Innenministerin, die in den letzten Jahren jede negative Auswirkung der illegalen Einwanderung strikt von sich gewiesen hatte.

Das Geschehen an deutschen Grenzen war demnach ein immanent wohltätiges, und zwar genauso für den einzelnen Asylbewerber wie für das aufnehmende Deutschland. Zu keinem anderen Schluss konnte man kommen, nachdem Nancy Faeser über zwei Jahre lang die Einrichtung zusätzlicher Grenzkontrollen an den neuerdings belasteten Grenzen im Osten (nach Polen und Tschechien), aber auch im Südwesten (zur Schweiz) ablehnte. Kurz vor der Hessen-Wahl war es dann so weit, die Kontrollen sollten kommen. Der Wahlkampfschlager zerplatzte allerdings, Faeser blieb glücklos – und Innenministerin. Heute behauptet sie, dass die Grenzkontrollen zum aktuellen Rückgang der Zahlen beigetragen haben. Man wird aber sehen, wie lange dieser Rückgang noch hält. Der Frühling beginnt erst.

Einen wortreichen Slalomkurs legte auch der Faeser untergebene Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bei dem Thema hin. Man kann sich vorstellen, dass er aus den Reihen der Bundes- und Landespolizeien ganz andere Töne hört, als er nun vor der Presse zum Besten geben musste. Immerhin benannte auch Münch, was eben nicht zu bestreiten war: Die stark gewachsene Zuwanderung hat einen Effekt auf die Kriminalität in Deutschland, vor allem auf die Gewaltkriminalität, wie er später hervorheben würde. Zuerst kam aber eine Relativierung in mehreren Teilen: „Die Bevölkerung ist durch den Zuzug Nichtdeutscher in den Jahren 2022 und 2023 deutlich angestiegen. Und es ist erwartbar, dass sich das natürlich auch in den Tatverdächtigenzahlen niederschlägt.“ Das sei „erst einmal ein zahlenmäßiger Effekt“. Ein zahlenmäßiger Effekt? Das würde dann bedeuten, dass sich die Zuwanderer schon mit dem Grenzübertritt genauso verhielten wie die Einheimischen, was evident falsch ist.

Münch sprach von „deutlicher“ Abnahme des Zuwachses

Den stärkeren Anstieg der „nichtdeutschen“ Tatverdächtigen im Vergleich zu jenen mit deutschem Pass konnte auch Münch nicht bestreiten, auch wenn er ihn nicht direkt aussprach. Er kommentierte diese Tatsache aber mit der durchaus unklaren Aussage: „Werden die Tatverdächtigenzahlen für nichtdeutsche Personen ins Verhältnis zur Bevölkerung mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft gesetzt, nimmt der Anstieg bei den nichtdeutschen Tatverdächtigen deutlich ab.“

Was Münch mit der unklaren Aussage meinte, erklärte er später im Dialog mit der Journalistin. Nun gibt es in der Tat auch ausländische Täter, die gar nicht in Deutschland leben, und wenn man die abzieht, dann sinkt die absolute Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen und folglich auch deren relativer Zuwachs etwas, nach Münch aber sogar „deutlich“. Das wäre zu erweisen.

Tatsächlich bleibt trotz jener unklaren Aussage richtig: Es gibt signifikant mehr nichtdeutsche Tatverdächtige, als es dem Anteil der Ausländer an der Wohnbevölkerung entspräche. Und das bleibt, wie zu zeigen sein wird, auch nach Abzug aller Unsicherheiten so.

Kann man wissen, wie viele ausländische Tatverdächtige im Ausland wohnen?

Immer wieder wird nun behauptet, dass man gar nicht wissen könne, ob die ausländischen Tatverdächtigen in Deutschland wohnen oder nicht, ob sie also „reisenden Banden“ angehören, gar Touristen oder ein im engeren Sinne „deutsches Problem“ sind. Auch Münch hat diesem Affen in seinem Vortrag Futter gegeben.

Pressekonferenz zur Kriminalitätsstatistik
Faesers Flucht nach vorn: Mehr Migration führt zu mehr Straftaten
Aber zum einen ist das – in den allermeisten Fällen – eben doch ein „deutsches Problem“. Sowohl die Kriminellen, denen wir kurz vor der Tat die Einreise erlauben, als auch jene, denen wir vielleicht schon seit Jahren den Eingang ins Land gewährt haben und die hier nun dauerhaft leben. In beiden Fällen bräuchte es Antworten von Regierung, Polizei und Justiz, damit weniger Straftaten geschehen und weniger Opfer, weniger Schäden entstehen.

Doch zweitens: Die Polizei hat eine Antwort auf die Frage. Vielleicht war es BKA-Chef Holger Münch nur zu mühsam, sie nun auch noch vor der Hauptstadtpresse zu geben. Im Rahmen der gerade vorgestellten Kriminalstatistik gibt es auch eine Tabelle zur „Tatort-Wohnsitz-Beziehung nach nichtdeutschen Tatverdächtigen“. Das BKA hat sich also bereits für diese Frage interessiert.

Schaut man auf alle Straftaten, dann sieht man, dass 40,9 Prozent der Tatverdächtigen ohne deutschen Pass in der Tatortgemeinde wohnen, 6,8 Prozent im Tatortkreis, 19,5 Prozent im umgebenden Bundesland und nur 8,5 Prozent im übrigen Bundesgebiet. Das sind zusammen etwa 76 Prozent. Mindestens drei Viertel aller Tatverdächtigen ohne deutschen Pass leben also in Deutschland – was insofern kaum ein Trost ist, als es zeigt, dass das Problem mit der Ausländerkriminalität längst unser eigenes Problem ist. Aber auch beim restlichen Viertel ist der Wohnsitz häufig unbekannt oder unsicher. 20 Prozent könnten laut Statistik im Ausland leben.

Gleiches Bild bei Rohheitsdelikten, Raub und „Zwangsheirat“

Alternative Fakten:
Wenn die Polizeistatistik nicht woke genug ist
Und auch wenn man auf einzelne Deliktfelder schaut, die in der Diskussion relevant sind, bleibt es beim überwiegend „hausgemachten“ Charakter der Ausländerkriminalität in Deutschland. Zur Klarheit: Es handelt sich in allen Fällen überwiegend um Ausländer, die deutsche Behörden selbst ins Land ließen und die hier dauerhaft leben. Bei den Rohheitsdelikten (also vor allem Körperverletzungen und Raubdelikte) wohnen nur drei Prozent der nichtdeutschen Tatverdächtigen definitiv im Ausland. Nur bei 7,5 Prozent gibt es Unklarheiten über den Wohnsitz. Das ergibt höchstens 10,5 Prozent mit Wohnsitz im Ausland. Dieses Problem ist leider eben doch hausgemacht.

Beim Deliktfeld „Zwangsheirat, Nachstellung (Stalking), Freiheitsberaubung, Nötigung, Bedrohung“, bei dem fast schon ein Roman aus 1001 Nacht vor dem inneren Auge entsteht, waren ebenfalls nur drei Prozent der ausländischen Tatverdächtigen mit Wohnsitz im Ausland (unklar: 6,7 Prozent). Die Fallzahl lag hier wohlgemerkt bei 65.487 Fällen nur unter Personen ohne deutschen Pass. Das waren 30 Prozent aller Fälle bei diesem Delikt, das man auch als „Gewalt rund um Partnerschaften“ benennen könnte. Der Ausländeranteil beträgt bekanntlich 15 Prozent.

Beim Ladendiebstahl waren es 9,3 Prozent, mit Unklarheiten bei 20,6 Prozent. Beim Diebstahl insgesamt lebten 10,3 Prozent im Ausland, bei 21,6 Prozent war der Wohnsitz unklar. Man sieht, das schwankt etwas, aber die überwiegende Mehrheit der nichtdeutschen Tatverdächtigen lebt dennoch in Deutschland.

Sogar gewerbsmäßige Schleuser leben meist in Deutschland

Sogar beim gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusen – wo man das gewissermaßen erwarten würde – waren nur 35,4 Prozent der nichtdeutschen TV im Ausland wohnhaft, bei 7,4 Prozent war es unklar. Beim Rauschgifthandel und -schmuggel reden wir von 9,4 Prozent mit ausländischem Wohnsitz, 17,5 Prozent mit einem unklaren Wohnort.

Etwas anders sieht es allenfalls beim Wohnungseinbruch aus, wo knapp 40 Prozent der Tatverdächtigen mit unklarem Wohnsitz waren, aber wiederum nur 11 Prozent definitiv aus dem Ausland kamen, knapp 59 Prozent definitiv aus dem Inland. Die Tabelle zeigt, dass in den meisten Deliktfeldern nur eine kleine Minderheit sicher aus dem Ausland kommt, die weit überwiegende Mehrheit aber stets im Bundesgebiet wohnt. Weil sie es dürfen.

Übrigens hatte natürlich auch der unter ministerieller Aufsicht stehende Münch eine Teilerklärung für diese hohen Anteile nichtdeutscher Tatverdächtiger mit Wohnsitz in Deutschland. So bestätigte er – mit einigem an Wortakrobatik, inklusive gesprochener Anführungszeichen –, dass „Menschen, die, ähm, bei uns Schutz suchen, äh, nichtdeutsche Personen, die sich bei uns aufhalten, Risikofaktoren“ aufweisen, die „Straffälligkeit wahrscheinlicher machen“. Das sei „auch herkunftsunabhängig“ so. Münch zählt auf: „das Thema Bildung, Bildungsniveau, wirtschaftliche Unsicherheit oder auch Gewalterfahrung“. Bei all diesen Risikofaktoren sehe man „ein grundsätzlich höheres Niveau“ bei Nichtdeutschen im Gegensatz zu deutschen Staatsangehörigen. Und das dürfte auch standortunabhängig gelten.

Der deutsche Wohnort, und das dürfte auch klar sein, erleichtert den Zugriff der deutschen Polizeien ungemein. Insofern bleibt das Phänomen der „reisenden“ Kriminellen und der „Verbrechen durch Touristen“ ein randständiges.

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