Tichys Einblick
Krise der SPD

Pistorius oder Kühnert: Wer folgt auf Olaf Scholz als Kanzler?

15 Prozent bundesweit, nur noch 3 Prozent in Sachsen. Die Umfragen für die SPD sind schlimm. Schlimmer sind nur noch die Ergebnisse ihrer Politik unter Kanzler Olaf Scholz. Nun gibt es die ersten Stimmen, ihn abzulösen. Nur: Wer soll’s tun?

IMAGO / Political-Moments

Deutschland sei über Jahre auf Verschleiß gefahren worden und müsse sich dringend verändern. Diese Analyse könnte von TE stammen. Wir schreiben das Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Doch es ist Olaf Scholz, der das gesagt hat. Der Kanzler hat in seiner Neujahrsansprache nur ein Detail vergessen: Die SPD war 21 der letzten 25 Jahre in der Bundesregierung. Der Verschleiß, der diesem Land angetan wurde, den hat die SPD diesem Land angetan.

Inhaltlich ist die SPD längst ein Witz. Egal, was passiert. Irgendein Sozialdemokrat folgert daraus, dass die Steuern erhöht werden müssten: Flut in Niedersachsen? Hamas-Terror in Israel? Die Bahn fährt nicht pünktlich? Die Sängerin Taylor Swift fliegt dem Footballer Travis Kelce hinterher – gut, die meisten Sozialdemokraten wissen vielleicht nicht, wer das ist. Aber dass man deswegen die Steuern in Deutschland erhöhen muss, das wissen sie.

Ohne Gummistiefel im Hochwassergebiet
Nicht einmal den Flutkanzler kann Scholz
In diesem Jahr knackt Deutschland vermutlich eine Schallmauer: Eine Billion Euro presst der Staat dann seinen Bürgern an Steuern ab. Die Staatsquote ist so hoch, dass kaum noch von freier Marktwirtschaft gesprochen werden kann. Trotzdem fordert die SPD höhere Steuern und mehr Schulden, als die Verfassung erlaubt. Trotz Rekordeinnahmen müssen die Verantwortlichen feststellen, dass es in Deutschland nach 21 Jahren SPD an der Regierung in Deutschland einen Investitionsstau gibt. Aber die Antwort ist einfach – zumindest für Sozialdemokraten: noch mehr Steuern!

Olaf Scholz hat die 21 Jahre, in denen die SPD Deutschland verschlissen hat, mitgeprägt: als Arbeitsminister, als Finanzminister und zuletzt als Bundeskanzler. In seiner Zeit hat sich die Wählerschaft der SPD halbiert. In den Umfragen droht nun sogar der Rauswurf aus Landtagen. Wenig überraschend spekulieren einige Medien schon über Boris Pistorius als Nachfolger für Scholz im Kanzleramt. TE hat sich die Kandidaten angeschaut, die in der SPD in Frage kämen:

Boris Pistorius (62). Der heutige Verteidigungsminister war zehn Jahre lang – bis Januar 2023 – Innenminister Niedersachsen. Er trägt also einen Großteil der politischen Verantwortung dafür, dass sein Land derzeit offensichtlich nicht ausreichend auf steigendes Wasser vorbereitet ist. Trotzdem gilt er aktuell als der beliebteste Politiker in Deutschland. Das war Pistorius schon bald nach seinem Amtsantritt im Januar. Dieses wiederum hat er von der Elite der politischen Überforderung geerbt: Ursula von der Leyen (CDU), Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Christine Lambrecht (SPD). Entsprechend gibt Pistorius zu, dass die deutsche Armee nach 21 Jahren SPD-Regierungsbeteiligung nicht verteidigungsfähig ist. Er selbst hatte jetzt ein Jahr Zeit, das zu ändern. Doch statt in dieser Frage voranzukommen, gefällt Pistorius sich in Drohszenarien: Putins Russland wolle und werde Deutschland in wenigen Jahren überrollen. Laut Pistorius könne die russische Armee das auch. Er scheint sich also selbst nicht zuzutrauen, die Bundeswehr bis dahin verteidigungsfähig zu machen.

Lars Klingbeil (44). Studium der Politikwissenschaft, Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, Parteireferent und Jungsozialist. Klingbeil hat alles, was es zu einer Karriere Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal braucht. Zwar klingt sein Lebenslauf eher dröge, aber das ist nichts gegen seinen Auftritt als Redner. Klingbeil könnte eine Selbsthilfegruppe von Bluthochdruckpatienten in den Schlaf quatschen. Wobei sich die Aussagen des Parteivorsitzenden in vier Forderungen zusammenfassen lassen:
1. Höhere Steuern.
2. Lockerung der Schuldenbremse.
3. Mehr Sozialausgaben.
4. Höhere Steuern. Denn das kann ein Sozialdemokrat gar nicht oft genug fordern.

Saskia Esken (62). Klingbeils Co-Vorsitzende lässt sich auf die vier gleichen Forderungen reduzieren wie er. Nur dass Saskia Esken diese immer einen Tick schriller und schräger vorträgt als ihr aalglatter Mitvorsitzender. Dazu fällt sie mit einer seltenen Mischung aus Arroganz und überschaubarem Verständnis für Zusammenhänge auf, etwa wenn sie sagt, mit ihren persönlichen Steuern finanziere die Berufspolitikerin den Staat ja mit. Durch Mehrfachbezahlungen versteht die Sozialdemokratin es, dass ihr privates Konto nicht auf Verschleiß fährt. Der Selbsthilfegruppe von Bluthochdruckpatienten sollte man Esken daher nicht zumuten – es könnte Tote geben.

Hubertus Heil (51). Als Generalsekretär ist Heil für die Wahlkämpfe der SPD von 2009 und 2017 verantwortlich. Auf diese folgten die beiden bisher größten Niederlagen der Partei. Als Arbeitsminister verantwortet er das Gesetz zur Arbeitszeitverfassung. Das führt Deutschland zurück ins Zeitalter der Lochkarten, während die Welt in Richtung digitalem Zeitalter weiterzieht. Vielmehr: Es würde führen. Denn seit fast einem Jahr liegt es auf Eis – weil Heil Murks abgeliefert hat. In dieser Liste steht er der Vollständigkeit halber und weil Peter Maffays Liedzeile gilt: „Steht die Sonne tief, wirft ein Zwerg auch lange Schatten.“

Kevin Kühnert (34). Talkshow-Kevin erweitert die Kernforderungen Eskens und Klingbeils um die Forderung nach Verstaatlichung. In seinem Weltbild ist es Diebstahl, wenn ein Mensch sein Leben lang hart arbeitet und sich zur Altersvorsorge ein Haus baut. Stattdessen sollte dieser sein hart verdientes Geld dem Staat überlassen, für den es Kühnert dann verwaltet. Umso länger der Generalsekretär redet, desto weniger sagt er. Damit wäre er eigentlich ein würdiger Nachfolger für Olaf Scholz. Doch noch fehlen dafür ein schlechtes Gedächtnis, ein Gaunerlächeln, eine Verwicklung in einen Finanzskandal oder die Fähigkeit, selbst das Geradeaus-Laufen zu verbocken. Gerne lästern seine Kritiker über Kühnerts einstige Arbeit in einem Callcenter. Zu Unrecht. Denn eigentlich ist diese Arbeit noch das Beste im Lebenslauf des Jungpolitikers.

Der Auswahl dieser Kandidaten ist eine offene Diskussion in der TE-Hauptstadtredaktion vorausgegangen. Wie mangelhaft die Führungsreserve der SPD ist, hat uns selbst überrascht. Es lassen sich drei Tendenzen aus der Auswahl ablesen, die aus diesen schwachen Kandidaten noch möglich war:

  1. Keiner der Kandidaten war uns einen eigenen Artikel wert. Das geben sie nicht her. Deswegen haben wir uns für eine Übersicht von fünf möglichen Kandidaten entschieden.
  2. Das Beispiel Pistorius zeigt: Je weniger die Bürger von einem sozialdemokratischen Kandidaten wissen, desto beliebter ist er. Das hat zuvor schon Olaf Scholz bewiesen. Blöd nur für die SPD, dass ein Kanzler sich schwer aus der Öffentlichkeit heraushalten kann. Was wiederum die Entwicklung der Partei unter Kanzler Scholz belegt.
  3. Drei der fünf Kandidaten sind nicht in der Bundesregierung. Einer profitiert noch davon, dass er in dieser Bundesregierung bisher nicht zu oft angeeckt ist. Den fünften, Hubertus Heil, haben wir eher der Vollständigkeit halber aufgeführt. Außer ihm gibt das Kabinett für die SPD nichts her: Nancy Faeser und Karl Lauterbach sind Politikversager. Nicht zu sprechen von Klara Geywitz, die als Bauministerin für einen nie gesehenen Zusammenbruch der Bauwirtschaft in der Bundesrepublik verantwortlich ist.

Wie geht’s weiter? Olaf Scholz gibt ein Versprechen, das gleichermaßen typisch für gescheiterte Politiker wie für überführte Verbrecher ist: Er gelobt Besserung. Die Leistungsträger wolle er entlasten, für sie die Steuern senken. Wie, wann, wo? Das sagt er nicht. Auch nicht, dass es 21 Jahre Regierungsbeteiligung der SPD waren, in denen die Steuerlast so erdrückend angewachsen ist.

Wenigstens auf sein schlechtes Gedächtnis kann sich Scholz verlassen. Das und seine Augenklappe nach dem gescheiterten Geradeaus-Laufen – das waren die besten Momente in zwei Jahren Kanzlerschaft. Irgendwie lustig. Wenn zwei weitere Jahre SPD das Land nicht noch mehr verschleißen würden.

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