Die Impfpflicht für medizinisches Personal ist in ihrer Ausgestaltung ein Rätsel. Bis heute wissen ungeimpfte Pfleger und Ärzte nicht, was mit ihnen ab dem 16. März passieren wird. 13 Prozent der Intensivpfleger und 11 Prozent der Krankenhausärzte sind weiterhin ungeimpft.
Im Infektionsschutzgesetz, das diese Impfpflicht regelt, wird die umständliche Formulierung gewählt, dass Mitarbeiter im medizinischen Sektor ab dem 16. März „geimpfte oder genesene Personen“ sein müssten. Pfleger, Ärzte & Co. müssen dann einen Nachweis beim Arbeitgeber darüber vorlegen; der Arbeitgeber muss diejenigen, die das versäumen, dem Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt „kann“ einer Person, die einen entsprechenden Nachweis nicht erbringt, nach dem Infektionsschutzgesetz dann untersagen, dass sie die Räume des Unternehmens betritt oder „in einer solchen Einrichtung oder einem solchen Unternehmen tätig wird“.
Auch die Arbeitsämter sind bis dato nicht informiert – das Rätselraten zieht sich bis zu den Ministerpräsidenten, die zuletzt Druck auf den Gesundheitsminister ausübten, eine Verschiebung der Impfpflicht für Pfleger zu erwägen. Nun findet sich in einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der AfD, die TE vorliegt, ein brisanter Satz. Die Frage war: „Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zu ergreifen, sollte die Impfpflicht für Pflegepersonal zu einer Kündigungswelle in diesem Bereich führen, wie bspw. bereits im US-Bundesstaat New York geschehen?“
In der Antwort stellt die Bundesregierung klar, dass kein „automatisches Beschäftigungsverbot“ ergehe. Die Sache sei dem Gesundheitsamt zu melden und dort entscheide man „nach pflichtgemäßem Ermessen im Einzelfall über die weiteren Maßnahmen (z. B. ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot)“; dabei werde man ausdrücklich auch „die Personalsituation in der Einrichtung berücksichtigen“.
Das hieße: Sollte in einem Krankenhaus oder auch in einer Arztpraxis die Personalsituation dünn sein, kann ein Ungeimpfter nach Ermessen des Gesundheitsamtes trotz formaler Impfpflicht doch weiterarbeiten. Ein Betätigungsverbot steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Personalsituation. Nun ist es aber spätestens seit Corona bekannt, dass nahezu alle deutschen Kliniken chronisch an der Belastungsgrenze arbeiten. Hier wäre es also bei gewissenhafter Einzelfallprüfung fast nie sinnvoll, einem ausgebildeten, qualifizierten Mitarbeiter die Tätigkeit zu verbieten. Denn gleichwertig ist der Verlust der Mitarbeiter mittelfristig kaum auszugleichen.
Doch auch darüber hinaus ist die Frage, wie das hier angekündigte „pflichtgemäße Ermessen im Einzelfall“ der Ämter aussieht. Zahlreiche Studien belegen, dass gerade in der Intensivmedizin ein höherer Personalschlüssel in Kliniken direkt zu schlechteren Überlebenschancen führt. Die Versorgung nimmt ab, während von einem ungeimpften, täglich getesteten Mitarbeiter, der auf Hygiene geschult ist, kaum Gefahr ausgeht.
Die Entscheidung dürfte am Ende also wohl bei den Kommunen liegen. In Ostdeutschland erklärten bereits erste Kommunen, die Impfpflicht nicht durchsetzen zu wollen. Die Bundesregierung macht hier eine gewaltige Hintertür auf – welche Verwaltung will schon dafür verantwortlich sein, die regionale Klinikinfrastruktur in Bedrängnis zu bringen? Das Chaos geht weiter – möglich, dass die Impfpflicht als solche in diesem Chaos untergeht.