Verbände und Institutionen wie Krankenkassen versuchen alles, um zu Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit dem Thema Pflegenotstand durchzudringen. So haben vier Verbände jüngst gemeinsam eine Petition an den Bundestag gerichtet. Sie fordern darin eigentlich Selbstverständlichkeiten. Eigentlich. Denn in der Pflege liegt derart vieles im Argen, dass die Verbände zu einer Petition greifen müssen, um mit der Schilderung der Missstände zur Politik durchzudringen.
Wie real die Schilderungen der Verbände sind, zeigte sich am Montagabend in Berlin. Dort musste die Polizei unterstützt von Feuerwehr und Notrettern zu einem Seniorenheim fahren, wie die Bild berichtete. Eine Pflegefachkraft wusste sich nicht mehr weiterzuhelfen. Sie war die einzige Fachkraft in dem Heim – nur unterstützt von zwei Hilfskräften. Als nachts keine Ablösung in Sicht war, rief die übermüdete und hilflose Fachkraft den Notruf. Den Einsatzkräften gelang es dann laut Bild, die Heimleitung unter einigem Aufwand zu erreichen.
Politiker wie Lauterbach gehen über die Probleme leichtfertig hinweg. Einmal Fachkräftemangel und demografischer Wandel ins Mikro gehustet und das Thema hat sich erledigt. Nachfragen muss der Gesundheitsminister von Tagesschau und Talkshow-Mastern nicht fürchten. Doch die Petition der vier Verbände zeigt, dass die Politik das ihre zu katastrophalen Lagen wie der in Berlin beiträgt.
Etwa zahlen die Kostenträger oft unpünktlich und bringen damit die Heime in Finanznot – beziehungsweise sie verstärken die Finanznot der Heime. Denn die beklagen lautet Petition ebenfalls, dass sie Sachkosten und Personaleinsatz nicht im vollen Umfang erstattet bekämen. Für die schlechte Zahlungsmoral sind Kommunalpolitiker verantwortlich, da die Kostenträger oft Städte und Landkreise sind. Für die Unterfinanzierung der Heime ist Lauterbach verantwortlich, der wie bei den Krankenhäusern nicht dafür gesorgt hat, dass die Leistungen für Heime mit den durch die hohe Inflation gestiegenen Kosten mithalten.
Die DAK-Gesundheit hat den Pflegenotstand wissenschaftlich untersuchen lassen. Demnach beginnt der richtige Notstand gerade erst. Denn die größte Gruppe der Pflegekräfte ist bereits 57 Jahre alt. Der Ruhestand dieser Kräfte kommt also langsam in Sicht – bei jedem Fünften innerhalb der nächsten zehn Jahre. Die Ausbildungszahlen könnten diese Abgangswelle aber nicht ausgleichen. Noch in diesem Jahrzehnt werde sich die Lücke nicht mehr schließen lassen, warnt die Krankenkasse.