Geld ist im Gesundheitswesen da. Zumindest, wenn es dazu dient, Minister Karl Lauterbach (SPD) in den Medien zu halten. Derzeit lässt der Erfinder der „Absoluten Killervariante“ Plakate drucken, die Senioren ermahnen, bei Hitze genug zu trinken. Diese Mahnungen sollen dann in Praxen und Pflegeheimen aufgehängt werden. Vorausgesetzt, es gibt diese Heime dann noch. Denn die Pflegeheime sind von einer massiven Pleitewelle betroffen.
TE hatte jüngst über den Anstieg der Pflegeanteile berichtet. Wer in ein Heim einzieht, der musste im ersten Halbjahr 2023 durchschnittlich 2548 Euro im Monat bezahlen. 15,8 Prozent mehr als noch 2022. Die Zahlen stimmten zwar, erreichten uns Stimmen aus der Branche. Doch wir würden einen Aspekt nicht berücksichtigen: Die Heime würden die Beiträge nicht der Gewinnmaximierung wegen erheben. Sondern, weil sie selbst um ihr Überleben kämpften. Derzeit gehe eine Insolvenzwelle durch die Branche.
Und in der Tat: Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen berichtet, dass es allein in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres mehr Insolvenzen gegeben habe als im gesamten Jahr 2022: „Jedem ist klar, der in diesem Feld unterwegs ist, dass dieses System auf jeden Fall zusammenbrechen wird in der Zukunft“, sagt der Sozialdezernent der Städteregion Aachen, Michael Ziemons, gegenüber dem WDR. Die Wohlfahrtsverbände haben Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) angeschrieben, die Pflege-Angebote seien nicht ausreichend gegenfinanziert.
Die Fachseite Pflegemarkt.com berichtet detailliert über die bundesweite Insolvenzwelle. Große Anbieter sind darunter. Allein von deren Fällen des Jahresanfangs sind rund 19.000 Pflegeplätze betroffen. „Die Auswirkungen auf die betroffenen Mitarbeiter, die Pflegebedürftigen und ihre Familien sind oft verheerend“, schreibt Autor Yannic Borchert. Er hat für seine Analyse nur Großinsolvenzen berücksichtigt. Anbieter mit weniger als 1000 Plätzen tauchen daher in der Statistik nicht auf. Dafür die Anträge der großen Unternehmen: Curata Pflegeeinrichtungen, Convivo Holding GmbH, Hansa Pflege & Residenzen GmbH, Novent Pflege & Betreuung und der Dorea GmbH.
Im Insolvenzverfahren versuchen die Betreiber erst einmal, alle Plätze zu halten. Für die Mitarbeiter und die Bewohner sei es trotzdem eine große Belastung. Die einen wüssten nicht, ob am Monatsanfang Geld aufs Konto kommt. Die anderen müssten sich sorgen, wo sie in Zukunft weiterleben. Im Extremfall kommt es eben wie im „Haus Elisabeth“ in Solingen eben doch dazu, dass die Heime geräumt werden müssen.
Die Ursachen für die Krise der Pflegeheime sind unterschiedlich. Wobei es Wechselwirkungen gibt. Weil die Pachten steigen, steigen die Eigenanteile – aber die können sich viele Bewohner nicht mehr leisten. Also bleiben wiederum Plätze unbesetzt und die Heime geraten in weitere finanzielle Schieflage. Oder die Heime können keine Mitarbeiter finden, folglich nicht alle Plätze belegen und müssen auf Einnahmen verzichten. Hinzu kommt die ohnehin hohe Inflation in Deutschland – samt den weltweit höchsten Energiepreisen.
Für den Sommer hatte Lauterbach eine Pflegereform angekündigt. Die bestand dann aber nur darin, dass er die Beiträge zur Pflegeversicherung für alle Unternehmen und Arbeitnehmer erhöhte. Dann setzte er noch ein Urteil um, nach dem er kinderreiche Arbeitnehmer im Beitrag entlasten müsse. Die Kosten sattelte er kinderlosen Arbeitnehmern zusätzlich zur ersten Steigerung noch oben drauf. Danach hatte er schnell wieder Zeit für die Plakate gegen den Hitzetod. Die ermahnen demnächst in Pflegeheimen zum Trinken bei hohen Temperaturen – vorausgesetzt, dass es die Heime dann noch gibt.