Tichys Einblick
"Was keiner wagt, das sollt ihr wagen."

Pfarrer Dietz wollte wieder zur Demo nach Berlin und wendet sich gegen „totale Panikmache“

Als Dietz vom Verbot der Demonstration am Sonnabend hörte, war er enttäuscht: „Enttäuscht, weil damit weiterhin eine öffentliche kritische Diskussion über die Maßnahmen verhindert wird und ich zunehmend um den Frieden in unserem Land fürchte.“

imago Images/Christian Spicker

Man muss dort in jenem Landstrich, wo auch Frau Merkel ab und zu sein soll (ob sie den wohl auch sieht?), den Uckermark Kurier lesen, um das zu finden:

„Pfarrer wendet sich gegen die „totale Panikmache“

Aus persönlicher Betroffenheit mischt sich Thomas Dietz in die Corona-Debatte ein. Von der ersten Demo kehrte er beeindruckt nach Schönfeld heim.“

Claudia Marsal hat einen berührenden Bericht über ihr Gespräch mit Pfarrer Thomas Dietz im evangelischen Pfarrsprengel Schönfeld geschrieben: „Dietz hätte sich am Wochenende gern wieder auf den Weg nach Berlin gemacht – zur Corona-Demo. Bei der ersten am 1. August war er bereits dabei“. Das Verbot des Berliner Senats sei für ihn „Ein Unding, wie der 60-Jährige, der 1989 in Schönfeld ordiniert wurde und seitdem für viel Bewegung im ganzen Pfarrsprengel gesorgt hat … Denn um die Menschen und vor allem um die Situation vor Ort macht sich der 2015 mit dem Bundesverdienstorden geehrte Kirchenmann zunehmend Sorgen.“

Bereits am 20. April habe er in einem offenen Brief an Ministerpräsident Woidke (SPD) und Ministerin Nonnemacher (Bündnis 90/Grüne) geschrieben:

„Seit nunmehr fünf Wochen liegt das öffentliche Gemeindeleben unserer Kirchengemeinden durch die Regierungsbestimmungen in unserem Land am Boden… Dies ist in der 800-jährigen Geschichte unserer Kirchengemeinden einmalig.

Selbst zu schlimmsten Kriegs-, Diktatur- und Pestzeiten war dies möglich und hat den Menschen Trost, Orientierung und Hoffnung gegeben. Und das alles passiert überall in unserem Land und hier speziell in einer der sozial schwächsten Regionen Deutschlands, für die ich spreche und wo Sie froh und dankbar sein sollten, dass es solche Aktivitäten gibt – trotz so vieler Widrigkeiten!“

Die Politiker antworteten nicht, deshalb schrieb Dietz Anfang Mai erneut, diesmal auch an Bischof Stäblein:

„Viele Menschen haben mich gefragt, ob ich auf meinen offenen Brief eine Antwort erhalten habe. Leider ist das nicht der Fall. Ich bedaure das zutiefst, weil es anscheinend nicht mehr zur politischen Kultur in unserem Land gehört! Und ich bedaure das umso mehr in einer Zeit, in der Aufklärung und Nachvollziehbarkeit des regierenden Handelns nötiger denn je ist! Vor 30 Jahren erlebte ich als damaliger DDR-Bürger das Wunder des friedlichen Endes der kommunistischen Diktatur und die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Das war für mich ein unglaubliches Geschehen, mit dem ich niemals gerechnet hatte. Zurzeit erlebe ich, dass unsere Grundrechte wesentlich eingeschränkt sind, ohne erkennbare und überzeugende Gründe…

Sie schüren Angst! Wollen Sie das? – An diesem Wochenende sind im Spiegel die täglichen Todesfälle im ersten Quartal diesen Jahres im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren veröffentlicht worden. Es gibt keine Übersterblichkeit!“

Mit dem Bischof gab es ein ausführliches Gespräch.

Im August, berichtet Claudia Marsal, fuhr Pfarrer Dietz zur Demo nach Berlin und schrieb noch in der Nacht die Gedanken nieder, die Peter Hahne auf TE ohne Namensnennung zitierte.

Hier der Originalbericht von Pfarrer Dietz, den er Peter Hahne am 2. August schickte, und den wir mit seiner Erlaubnis unverändert wiedergeben:

Einige Eindrücke zu später oder morgendlicher Stunde:

Unvergessliches Erlebnis – das Volk war auf der Straße – so habe ich es zuletzt November 1989 erlebt! Damals war ich angehender Pfarrer (29 Jahre), heute 31 Jahre später bin ich mit meinen Kindern (21 und 25 Jahre) und einem Freund, einem Benedektiner-Mönch (69 Jahre) dabei gewesen und bin zu tiefst dankbar dafür!
Damals – 1989 – sollen 400.000 auf dem Alex gewesen sein, heute waren es weit mehr als doppelt soviel! Ich habe noch nie soviel Menschen auf einmal gesehen! Unvergesslich!
Durchweg waren die Demonstranten friedlich, gut gesonnen, konstruktiv.  Ich sah viele Regenbogenfahnen, nur eine Reichskriegsfahne.
Hochachtung vor den Organsisatoren: Exquisit, verantwortungsvoll, immer wieder zur Besonnenheit aufgerufen!
Immer wieder riefen die Organisatoren auf, sich an die Regeln zu halten. Dies war schwer, denn teilweise wurden die Demonstranten durch die Polizisten in enge Räume „gedrängt“, teilweise waren manche Straßen gar nicht abgesperrt und die Autos, vorallem Taxen, fuhren wild durch die Menschenmenge. Und vorallem: Wohl niemand hatte in den kühnsten Träumen mit soviel Menschen gerechnet!
Einmalig durch die Ordner begleitet! Jede Demokratie könnte stolz und dankbar für solche Menschen sein!
Zu Beginn ein langer, ich schätze 10 km führender Gang durch die Stadt, trotz Hitze alles dabei: eine 84 jährige Oma aus Eisenach schenkte mir eine Blume, Familien, Verkäuferinnen, Ärzte, Rechtsanwälte, ein türkischer Koch, Byker aus München, Lehrerinnen, unzählige Jugendliche, Studenten, muslimische Frauen, immer wieder Ehepaare und Familien aus allen Bevölkerungsschichten – ich habe soviel nette und tolle Leute kennengelernt!
Von einem solchen Publikum kann ein Kirchentag nur träumen! Dann wären wir Volkskirche!
Tolle, phantasievolle Plakate!  Manchmal mußte ich herzhaft lachen.
Geradezu witzig waren die Gegendemonstrationen, soviel ich weiß von Antifa, SPD und „Omas gegen Rechts“. Mir sind sie an 3 Stellen begegnet. Das waren insgesamt nicht mehr als 200 Leute! Sie erinnerten mich an die bestellten Stasi-Leute im Herbst 1989. Bewegend als der große Demonstrationszug auf die beleidigenden, flätigen Ausfälle und das Zeigen des Stinkefingers zu den Gegendemonstranten reagierte mit den Worten: „Nazis raus!“
Mit unzähligen Leuten habe ich mich unterhalten. Sie waren völlig baff, als sie hörten, dass ich Pfarrer bin. „Die Kirche schläft total“ war der Grundtenor! 6 Leute haben mir erklärt, dass sie so enttäuscht sind über das Verhalten der Kirche, dass sie in den letzten 4 Wochen ausgetreten sind. In der DDR und vorallem im Herbst 1989 hätten sie Kirche ganz und gar anders erlebt!  Ich war traurig.  Ich habe mich geschämt.
2 Lehrerinnen erzählten mir, dass sie aus der SPD ausgetreten sind, 1 Augsburger Rechtsanwalt berichtete mir von seinem Austritt aus der CSU.
Am Rande des Umzugs beobachtete ich, wie ein RBB-Team versuchte Menschen anzusprechen und nach den Beweggründen ihrer Teilnahme zufragen. Die Menschen lehnten ab und ich hörte wiederholt die Begründung: „Ihr habt uns gestern als Corona-Leugner und Rechtsradikale verunglimpft. Mit Euch sprechen wir nicht.“ Ich ging daraufhin zu dem Team und erklärte meine Beweggründe: Daß ich im Frühjahr 3 Beerdigungen hatte von Menschen, die nicht an oder mit CORONA; sondern seelisch vor Einsamkeit zu Tode verkümmert sind und das ich das für eine menschliche Gesellschaft für unwürdig halte. Ich erzählte ihnen, dass meine Frau statt mit 25, mit 35 Teilnehmern in die Sommerfreizeit fuhr, weil die Eltern seelig waren, dass endlich irgendetwas mit ihren Kindern veranstaltet wurden und diese Gemeinschaft erfuhren. Ich erzählte ihnen, das zuvor das Brandenburgische Ministerium für Bildung, Jugend und Sport großartige Förderung für jedes Kind von 30 € pro Tag angekündigt hatte. Und als es um die Klärung der Formalita ging, war keiner zuständig und trotz mehrfacher Anrufe und Mails meinerseits bekam ich nicht einmal eine Antwort!!! Bis heute nicht!!!! (Anmerkung: der Landkreis Uckermark übernahm einen kleinen Anteil der Kosten, den großen Brocken tragen unsere kleinen Landgemeinden!) Ich erzählte ihnen, dass ich in der unmittelbaren, sowieso schon gebeutelten Umgebung den Niedergang von 2 Gasthöfen und jeglicher Kultur erlebte……Ich sagte Ihnen auch, dass ich die Diffamierung der Teilnehmer als Corona-Leugner und Rechtsradikale schmerzlich und für unverantwortlich halte!
Bereits um 14.30 Uhr meldeten „Öffentliche“ Medien völlig lächerliche Teilnehmerzahlen und den Abbruch der Demonstration. Tatsächlich erfolgte der Abbruch erst ca. 2 Stunden später. Ich hatte das Gefühl, das er geplant war. Man hatte Angst, dass noch mehr Menschen kommen! Völlig unnötig, unverhältnismäßig erfolgte dieser Abbruch durch die Polizei. (Vorallem wenn ich an die BLM-Demonstrationen denke)
Die Menschen ließen sich nicht durch die massenweise provokant aufmarschierende bewaffnete Polizei beirren. Ich war und bin immer ein Freund der Polizei gewesen. Ich habe erlebt im Herbst 1989, wie die Polizei sich hinter das Volk stellte. Heute hat mich die Polizei tief enttäuscht. Dass die Demonstration nicht eskaliert ist, ist der besonnenen Lenkung der Organisatoren und der Reife der Demonstranten zu verdanken!
Für mich tief ergreifend, berührend und hoffnungsvoll, als in der angespannten Atmosphäre Herr Dr. Schiffmann (einer der Organisatoren) laut und öffentlich das Vaterunser betete!!!!

Der Bericht im Uckermark Kurier endet so:

»Als Dietz vom Verbot der Demonstration am Sonnabend hörte, war er enttäuscht: „Enttäuscht, weil damit weiterhin eine öffentliche kritische Diskussion über die Maßnahmen verhindert wird und ich zunehmend um den Frieden in unserem Land fürchte.“

Wenig später sei er auf einen Text des inzwischen verstorbenen katholischen Pfarrers Lothar Zenetti aus Leipzig gestoßen: „Den gibt es auch vertont von Konstantin Wecker und Reinhard May. Das ermutigt.“ Zenetti schrieb: ‚Was keiner wagt, das sollt ihr wagen. Was keiner sagt, das sagt heraus. Was keiner denkt, das wagt zu denken. Was keiner anfängt, das führt aus. Wenn keiner ja sagt, sollt ihr‘s sagen. Wenn keiner nein sagt, sagt doch nein. Wenn alle zweifeln, wagt zu glauben. Wenn alle mittun, steht allein. Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht. Wo alle geizen, wagt zu schenken. Wo alles dunkel ist, macht Licht.“ In diesem Sinne!«

Anzeige
Die mobile Version verlassen