Frankfurts Skandal-Bürgermeister wurde erst vor wenigen Wochen der Vorteilannahme in zwei Fällen schuldig gesprochen. Nun hat er Revision eingelegt. Das Landgericht Frankfurt verurteilte ihn zu einer Strafe von 21.000 Euro und ordnete eine Einziehung von 5.989 Euro an. Die 5.989 Euro wurden eingezogen, weil das Gericht darin die Menge an Geld sieht, die Feldmanns Ehefrau Zübeyde Feldmann unrechtmäßig erworben und dann auf ein Gemeinschaftskonto mit Peter Feldmann eingezahlt hatte. Anders als Feldmann hat die Frankfurter Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich eine höhere Geldstrafe – beziehungsweise eine Zahlung von mehr Tagessätzen – gefordert, zeigte sich mit dem Urteil des Landgerichts aber zufrieden.
Feldmann sagt er sei „nicht korrupt“
Feldmann bestreitet bis heute die offensichtliche in Frankfurt vorgegangene Korruption. Aber wie nennt man es, wenn die Geliebte des Oberbürgermeisters – und spätere Ehefrau – noch im Studium von der örtlichen Arbeiterwohlfahrt ein Angebot als KITA-Leitung erhält? Eine Stelle, für die sie nicht qualifiziert war, bei der sie fünfzehn Jahre tarifliche Gehaltsprogression übersprang und ohne ersichtlichen Grund einen Dienstwagen erhielt. Hannelore Richter – eine der Hauptfiguren im Frankfurter und Wiesbadener AWO-Skandal – behauptet vor Gericht, sie sei an Zübeyde Temizel und nicht dem Oberbürgermeister interessiert gewesen. Solche Gehälter und Karrieren waren bei der AWO in der Tat gang und gäbe. „Jeder andere SPD-Politiker“, habe bei ihr die gleiche Behandlung erfahren, wollte Hannelore Richter in ihrem eigenem Gerichtsverfahren wissen lassen.
Doch Feldmann hatte auch andere Vorteile von seiner „Unrechtsvereinbarung“ mit der AWO, wie es das Gericht ausdrückte. Auch hatte die AWO, beziehungsweise Hannelore Richter, für Feldmanns Wahlkampf zur Wiederwahl 2018 bis zu 60.000 Euro eingesammelt. Dafür wurden auch die Ressourcen der AWO genutzt, Mitarbeiter der AWO aufgefordert für Feldmann zu spenden. Wieder will Richter das nicht aus einem Gefühl der Verbundenheit getan haben: Sie hätte das für jeden anderen SPD-Politiker auch getan. Denn als „AWO und SPD-Parteisoldatin“ sehe sie darin ihre Pflicht: „Wenn die Partei gesagt hat, es tut Not, dann habe ich das gemacht“. Jürgen Richter traf mit Feldmann die Vereinbarung, dass Feldmann in seine Stabsstelle bei der AWO zurückkehren konnte.
Die Distanzierungen und Rechtfertigungen der Richters – und Feldmanns – sind maximal unglaubwürdig. Mehrmals hatten beide Richters per SMS Aufforderungen der Unterstützung an Feldmann geschickt. Diese werden mit dem persönlichen Verhältnis der drei – und ihrer gemeinsamen Vergangenheit bei der Sozialistischen Jugend – gerechtfertigt. Als Richter an Feldmann schrieb „Quid pro quo“, will er gemeint haben, dass Feldmann an einer AWO-Veranstaltung teilnehmen solle. Die AWO habe Feldmann einen Job gegeben, als er einen gesucht habe – da könne der Oberbürgermeister doch mal auf einer Veranstaltung vorbeischauen. Dabei soll es explizit nicht um den Streit zwischen dem Sozialdezernat Frankfurt und der AWO gegangen sein. Die AWO hatte nicht erfolgte Dienstleistungen und überhöhte Rechnungen mit der Stadt für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen gestellt. Auch die Nachrichten „Lieber Peter, wir brauchen deine Hilfe“ und „Stets konntest du dich auf unsere Unterstützung und Loyalität verlassen, jetzt bauen wir auf dich“, sollen damit nichts zu tun gehabt haben.
Als kurze Zeit später Peter Feldmann die Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld auf den Streit ansprach, und von ihr verlangte sie solle sich mit der AWO „einigen“, war das eine klare Einflussnahme zugunsten der AWO, auch wenn es nicht Gerichtlich so gewertet werden kann. Birkenfeld war schließlich nicht weisungsgebunden. Das Sozialdezernat übergab die Betreuung der Flüchtlingsheime an andere Sozialträger verfolgte die AWO-Affäre aber nicht weiter, um das „Ansehen der AWO nicht zu gefährden“, wie Birkenfeld später sagte.
Die AWO als verborgene Vorfeldorganisation der SPD
Damit offenbarte sich vor Gericht das System der Korruption, mit dem sich die Parteien Deutschlands am Staat und seinen Bürgern hemmungslos bedienen. In Frankfurt war dieses System nur so plump, so unfassbar dreist, dass es nicht mehr tragbar war. Anderswo, in Städten in denen sich die Cliquen aus SPD-Politik und Wohlfahrts-Bossen nicht ganz so dreist selbst bereichern. Alle Parteien sind zu einem gewissen Maße involviert, doch gerade die SPD ist bekannt dafür, es besonders auszunutzen. Die SPD erlangt in einer Verwaltung eine Stelle: Als Dezernent, Bürgermeister oder eine andere. Dann werden die zugeordneten kommunalen Unternehmen wie Stadtreinigung, Verkehrsbetriebe und andere unter Kontrolle von SPD-Leuten gebracht. Schließlich nutzt die SPD diese Kontrolle, um Geld in Form von Spenden aus den Betrieben – und damit aus der Stadtkasse – in die Wahlkampfkassen ihrer Parteien zu lenken. Die Frankfurter – und Wiesbadener – AWO-Spenden für Feldmann sind nur eine weitere Ausprägung dieses Systems.
Bei Feldmann ist das System unter der Gier der AWO-Funktionäre und unter seiner eigenen Zusammengebrochen. Absurde sechsstellige Gehälter waren für sie nicht genug: Jaguar-Dienstwägen, Beraterverträge für noch mehr Geld, sogar ein privater Küchenausbau auf AWO-Kosten mussten es sein. Finanziert durch eine Plünderung der AWO und der Stadtgesellschaft. Die Schaden bleiben: Die Richters stehen noch immer vor Gericht, die AWO Frankfurt und die AWO Wiesbaden haben ihre Gemeinnützigkeit – und damit Steuervorteile – verloren. Vielleicht schaut man in den Stadtverwaltungen strenger auf ihre Aktivitäten. Aber man arbeitet weiter mit ihnen zusammen. Feldmann wurde in einem vernichtenden Bürgerentscheid aus dem Amt verjagt. 95,1 Prozent der abgegebenen Stimmen wollten Feldmann nicht länger im Amt tolerieren.
Das Feldmanns Revision Erfolg hat, ist fragwürdig. Vor dem Gericht in Frankfurt blamierte er sich in jeder Sitzung und entblößte seine menschlichen Abgründe ebenso wie seine politischen. Er sagte vor Gericht aus, dass er seine spätere Frau Zübeyde Temizel nur heiratete, weil ihre „Liebelei“ (seine Worte) in einer Schwangerschaft mündeten. Temizel weigerte sich trotz Feldmanns Druck abzutreiben. Die gemeinsame Tochter ist nun sechs Jahre alt.
Diese Aussagen wirkten wohl kaum im juristischen Sinne strafverstärkend. Sie sind nicht strafbar. Aber sie weckten bei den Richtern keinerlei Sympathie; was die Richter auch im Interview mit Lokalzeitungen entsprechend bekannt gaben. Zu seinen Fehlern und seiner offensichtlichen Käuflichkeit zeigte Feldmann keine Einsicht oder gar Reue. Deswegen auch die Revision. Aber gleichzeitig steht das Frankfurter Gericht im Ruf, eher SPD-Nah zu sein. Auch in der Frankfurter Staatsanwaltschaft zeigten sich schon in der Vergangenheit familiäre Bande in die Richtung der SPD-Gruppe um die Familie Richter. Es dauerte lange, es waren viele Artikel von Tichys Einblick und zwei mutigen Lokalredakteuren – Daniel Gräber und Volker Siefert, die entgegen der Widerstände ihrer eigenen Arbeitgeber berichteten – nötig, um die Staatsanwaltschaft zum Handeln zu bewegen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe muss nun über die Revision entscheiden, da er die nächste Instanz darstellt. Feldmann jedenfalls sieht in dem Urteil gegen ihn einen „Beschluss, der ausschließlich auf Hörensagen“ aufbaut. Die schriftliche Urteilsbekundung des Landgerichts liegt noch nicht vor, Feldmann muss seine Revision nach der Veröffentlichung desselben auch noch begründen. Erst dann kann der BGH entscheiden.