Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Finanzminister Mathias Brodkorb (42) hat sein Ministeramt am 29. April 2019 spontan niedergelegt. Dem Vernehmen nach tat er diesen Schritt, so sein Schreiben an Ministerpräsident Manuela Schwesig (SPD), vor allem wegen Differenzen in Personalfragen. Und das kaum vier Wochen vor den anstehenden Kommunalwahlen vom 26. Mai 2019!
Hintergründe der Differenzen: Schwesig will neue Stellen in Ministerien schaffen und dazu 50 Millionen Euro aus den Rücklagen des Landes nutzen; Brodkorb hatte sich dagegen gewehrt. Es ging zudem um die Frage, wie Posten in Ministerien vergeben werden und was dabei Leistung und Befähigung bedeuten. Schließlich hat Schwesig mit Heiko Geue einen Vertrauten als neuen Staatssekretär im Finanzministerium installiert – vermutlich als Aufpasser. Brodkorb am Ende wörtlich: „Das war für mich der letzte Grund zu sagen: Ich bin nicht der richtige Finanzminister für Frau Schwesig.“ Sein Landtagsmandat will er behalten.
Was wie eine regionale Posse daherkommt, ist indes symptomatisch für die real existierende SPD. Denn mit Brodkorb geht ein umsichtiger, kluger, intelligenter, intellektueller, nicht eben stromlinienförmiger Mann, der selbst in den anderen Fraktionen Ansehen genoss.
Brodkorb ist trotz seines vergleichsweise jugendlichen Alters eine interessante Persönlichkeit. Der in Rostock 1977 Geborene ging 1987 mit seiner Familie aus der DDR in die Heimat des Vaters nach Korneuburg/Österreich, um 1992 nach Rostock zurückzukehren, dort 1996 das Abitur zu machen und 2005 den Magister der Philosophie in Philosophie und Altgriechisch zu erwerben.
Dass er 2016 das Bildungsressort verlassen hat bzw. verlassen musste, war nicht gut für die gesamte Kultusministerkonferenz, denn sie verlor damit einen ihrer ohnehin wenigen echten Köpfe. Brodkorb ist nämlich anders als so mancher rote oder grüne Bildungsminister alles andere als ein eingefleischter Sozialist oder gar Kommunist. Dazu kennt er Karl Marx zu gut. Die Bildungspolitik, die er betrieb, war das, was einmal die Bildungspolitik der CDU/CSU war: Die radikale Politik der Inklusion Behinderter ins Regelschulwesen bezeichnete er einmal als „Kommunismus für die Schule“. Die von der SPD geprägten Schulsysteme in Hamburg und Bremen kritisierte er, weil dort schulische Abschlüsse gegen zu geringe Leistungen vergeben würden. Der „Akademisierungswahn“ und der Wahn, alle Lehrpläne statt auf Inhalte auf „Kompetenzen“ auszurichten, waren ihm ein Dorn im Auge. Die „Bologna“-Transformation der Hochschulen bezeichnete er als Fehler, in der Folge führte er in Mecklenburg-Vorpommern wieder Diplom-Studiengänge ein.
Der CDU warf er als echter Rechtsextremismusexperte vor, dass sie ihre rechte Flanke vernachlässige. Den Linken attestierte Brodkorb ein programmatisches Defizit; sie wisse getreu den Geboten der politischen Korrektheit zwar, wogegen sie sei, sie habe aber im Grunde keine Orientierung und ersetze diese Substanzlosigkeit durch eine billige Jagd nach einem „metaphysischen Nazi“.
Da haben wir sie wieder, die plumpe Verteidigung von Sozialismus und Kommunismus: Diese beiden seien ja gute Ideen, so implizit Kühnert, aber sie seien eben leider immer an den Umständen gescheitert oder falsch oder undemokratisch aufgezogen worden. Meint der Herr Juso-Vorsitzende. Über die zig Millionen Menschenleben, die Sozialismus und Kommunismus gefordert haben, gehen wir mal großzügig hinweg.
Arme, alte sklerotische SPD! Einen Sarrazin will man hinausekeln, einen Brodkorb hat man hinausgeekelt, weil er allen anderen Genossen über ist. Viele vom Kaliber eines Brodkorb hat die SPD freilich nicht. Einem Kevin Kühnert aber gewährt man mit kräftiger Unterstützung der Leitmedien Narrenfreiheit. Das ist der Grund, warum die SPD bei den Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai mit den 10 Prozent zu kämpfen haben wird.